Die Welt wird immer komplizierter und gefühlt unübersichtlicher. Aktuelle Bücher wollen die Zusammenhänge erklären und verständlich machen. Im "Politischen Buch" werden die wichtigsten, gehaltvollsten und originellsten rezensiert und für die Leser aufbereitet.
Österreich nach 1945
:Von Helden und Mythen befreit
Ganz ohne Pathos, aber mit zahlreichen Anekdoten gewürzt erzählt der ungarische Historiker György Dalos die Geschichte Österreichs seit 1945. Das ist unterhaltsam für Einsteiger, mehr aber auch nicht.
Sanna Marins Autobiografie
:Hoffnungsfroh in Helsinki
Sanna Marin, Finnlands Ministerpräsidentin von 2019 bis 2023, hat ihre Autobiografie geschrieben, als Aufruf für mehr weibliche Führung. Doch wieder einmal beweist sich: Gute Politik zu machen und gute Bücher zu schreiben, sind zwei verschiedene Dinge.
Thilo Bodes Plädoyer
:Mehr Krawall, bitte!
Ex-Greenpeace-Chef und Foodwatch-Gründer Thilo Bode, 78, hat seine Autobiografie geschrieben. Er gibt ein paar Fehler zu und übt scharfe Kritik an der westlichen Entwicklungshilfe. Für die heutige Umweltbewegung hat er Tipps.
Globales Milliardengeschäft
:Die Methoden der Müllmafia
Der Reporter Alexander Clapp hat sich auf die Spuren des Wohlstandsmülls aus reichen Industriestaaten begeben. Er erzählt eine gruselige Geschichte, die alle Verbraucher kennen sollten.
Aufstieg und Fall der Deutschland AG
:Das Netzwerk der Entscheider
Wie dachten und handelten die Patriarchen der deutschen Wertarbeit? Konstantin Richter hat eine Geschichte der deutschen Wirtschaftsbosse seit dem Kaiserreich vorgelegt – ein spannend erzähltes und vor allem unterhaltsames Meisterwerk.
Analyse des chinesisch-russischen Verhältnisses
:Zwischen Kooperation und Konflikt
Von wegen „grenzenlose Freundschaft“. Sören Urbansky und Martin Wagner zeigen, wie sich über die Jahrhunderte das Verhältnis zwischen Peking und Moskau immer wieder wandelte. Die einzige Konstante bis heute: tief verwurzeltes Misstrauen.
150. Geburtstag von Konrad Adenauer
:Der autoritäre Demokrat
Gleich drei neue Bücher beleuchten das Leben des ersten Kanzlers der Bundesrepublik – und sie ergänzen einander wegen unterschiedlicher Schwerpunkte auf ideale Weise. Konrad Adenauer wies den Deutschen den Weg nach Westen.
Kampf gegen Rechtsextremismus
:Das scharfe Schwert der Historiker
Philipp Ruch vom Zentrum für Politische Schönheit und der Historiker Thomas Weber werben streitlustig für neue Ansätze der Geschichtswissenschaft zur Rettung der Demokratie. Der Untergang Weimars müsse ganz anders betrachtet werden als bisher.
Biografie über Winfried Kretschmann
:Der Erblasser
Die Journalistin Dagmar Seitzer hat ein Buch über Winfried Kretschmann geschrieben, den bisher ersten und einzigen grünen Ministerpräsidenten. Auch die Aspiranten auf seine Nachfolge kommen zu Wort. Beide versprechen etwas.
„Klassengesellschaft akut“
:Unten und oben
Die Soziologin Nicole Mayer-Ahuja behauptet: Lohnarbeit spaltet! Klingt nach linker Mottenkiste – stimmt aber nicht. Ein spannendes Buch über Kapital und Arbeit, über Macht und Herrschaft und soziale Ungleichheiten – sowie über eine neue Solidarität.
Kriegsszenarien
:Resilienz und Raketen
Wie werden die Deutschen verteidigungsfähig? Zwei Bücher versuchen, mit Kriegsszenarien die Probleme offenzulegen und den Lesern ein wenig Orientierung zu geben.
NRW-Innenminister als Buchautor
:Reuls Reality Check
Eigentlich wollte NRW-Innenminister Herbert Reul nie ein Buch schreiben, schreibt er – in seinem ersten Buch. Er sorgt sich um die Sicherheit und um die Demokratie. Und da hätte der CDU-Politiker ein paar Tipps.
Exil zur NS-Zeit in Südosteuropa
:Als Deutsche über die Balkanroute flüchteten
Marie-Janine Calic schildert eindrucksvoll die Irrwege zahlreicher Menschen, die in Belgrad oder Zagreb Schutz vor Hitlers Schergen suchten. Ein glänzendes Buch übers Nichtankommen und die Tragik des 20. Jahrhunderts.
Neue Höcke-Biografie
:Einmal Ideologe, immer Ideologe
Der Journalist Frederik Schindler porträtiert Thüringens AfD-Chef Björn Höcke. Überraschungen gibt es nicht, aber eine wichtige Erkenntnis.
Hybride Kriegsführung
:Deutschland im Visier der Feinde
Die Journalisten Reinhard Bingener und Markus Wehner haben Dutzende Beispiele hybrider Kriegsführung durch autoritär regierte Staaten gegen Deutschland gesammelt. Ihr Buch zeichnet ein erschreckendes Bild – und kommt genau zur rechten Zeit.
Die Bundeswehr in 100 Objekten
:Über Panzer und Panzerplatten
Wehrpflicht, Landesverteidigung oder hybride Kriegsführung – auf die Bundeswehr richtet sich derzeit ganz viel Aufmerksamkeit. Aber wer oder was ist die Truppe eigentlich? Militärhistoriker erklären es knapp und kompetent anhand von 100 Objekten.
Neue Biografie über Hermann Göring
:Massenmord und Ritterspiel
Der Journalist Andreas Molitor porträtiert die NS-Größe Hermann Göring, der für die Ausbeutung der Sowjetunion zuständig war. Einige Kindheitserlebnisse werden jedoch für den späteren Verbrechensweg arg überinterpretiert.
Ehemalige Richterin über ihre Karlsruher Zeit
:Das nahbare Gericht
Susanne Baer, 2011 bis 2023 Richterin am Bundesverfassungsgericht, berichtet mit wohltemperierter Offenheit über ihre Arbeit in Karlsruhe. Ein enorm wichtiges Buch in Zeiten der Demokratieverdrossenheit.
SPD-Politiker Michael Roth
:Im Kühlschrank der Macht
27 Jahre lang hat Michael Roth Bundespolitik gemacht. Aber am Ende waren da auch die „Zonen der Angst“, seine psychische Erkrankung. Darüber hat er nun ein bemerkenswert offenherziges Buch geschrieben.
Zwei Bücher über Integration
:Die falsche Toleranz der „Migrantenversteher“
Der eine schreibt über „Fascholand“, die andere über „Heimatland“. Zwei sehr unterschiedliche Analysen von Canberk Köktürk und Güner Yasemin Balci darüber, was in Deutschland bei der Integration alles schiefläuft.
Brandanschlag von Solingen
:„Begegnet Hass nicht mit Hass“
Ein Buchprojekt erinnert an Mevlüde Genç, die 1993 beim Brandanschlag von Solingen fünf enge Verwandte verlor. Es ist für Kinder geschrieben, hat aber eine Botschaft an alle.
Biografie über Erich von dem Bach-Zelewski
:Himmlers Massenmörder
Erich von dem Bach-Zelewski war im besetzten Osteuropa für den Tod Hunderttausender verantwortlich. Seine Strategie der Selbstinszenierung als „Problemlöser“ half ihm auch nach 1945. Jan Kreutz hat nun die zahllosen Selbstzeugnisse des SS-Offiziers ausgewertet und eine erhellende Biografie vorgelegt.
Osteuropa
:Die Vielfalt ukrainischer Geschichte
Man darf die Ukraine nicht auf ihre Beziehung zu Russland und ihre „Nationswerdung“ reduzieren, fordert der Historiker Andrii Portnov. Seine kompakten Ukraine-Studien erweitern endlich den Horizont.
Melonis Autobiografie
:Hart rechts, aber herzlich
Die Rechtsaußen-Ministerpräsidentin Italiens zieht weltweit Aufmerksamkeit auf sich. Vier Jahre hat es gedauert, bis Giorgia Melonis Autobiografie auf Deutsch erschien. Sie ist immer noch aufschlussreich.
Individualität im KZ
:Der Stoff der Mordstätten
Bei Weitem nicht alle KZ-Häftlinge trugen den gestreiften Anzug, erklärt die Modeexpertin und Historikern Karolina Sulej. Detailreich und manchmal chaotisch erzählt sie, was Kleidung im KZ bedeutete.
„Hilfswerk 20. Juli 1944“
:Lobbyisten für NS-Opfer
Gleich nach dem Krieg fand sich das Hilfswerk für die Hinterbliebenen des 20. Juli 1944 zusammen. Rainer Volk erzählt die Geschichte eines hartnäckigen Kampfs.
Weltweite Autokratiebestrebungen
:Kollektiver Kater der Demokratien
Peter R. Neumann und Richard C. Schneider zeigen in analytischer Schärfe anhand von sechs Staaten, wie der Parlamentarismus von innen erodiert und was den Populisten dabei hilft.
Re-Education nach 1945
:Wie die USA Deutschland vom Faschismus heilen wollten
Während und nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelten US-Wissenschaftler Programme zur Demokratieerziehung für die Deutschen. Was dabei klappte und warum vieles davon schiefging, erklärt der Sozialpsychologe Oliver König.
Biografie über Robert Servatius
:Der Lobbyist der NS-Verbrecher
Der Jurist Robert Servatius verteidigte in Nürnberg und Jerusalem NS-Größen mit immer gleicher Taktik. Und er verteidigte sich damit auch selbst, schreibt sein Biograf Dirk Stolper.
MeinungÖsterreich
:Wenn Politiker Bücher von Politikern empfehlen
Urlaubszeit ist Lesezeit, und manchmal hilft auch ein Blick in die Bibliothek des Parlaments, um einen Tipp zu bekommen. Die Buch-Empfehlungen eines ÖVP-Politikers sind aber kurios.
80 Jahre nach Hiroshima
:Die Bombe, die die Welt veränderte
Das Atombombeninferno von Hiroshima am 6. August 1945 zwang die Japaner zur Kapitulation, so lautet die gängige Erzählung. Der britische Weltkriegsforscher Richard Overy sagt: Das stimmt so nicht. Man müsse genauer hinsehen, gerade heute.
Kriegsführung im 19. und 21. Jahrhundert
:Was der Kreml von den Kolonialkriegen gelernt hat
Wer Putins Invasion in der Ukraine verstehen will, muss sich mit Europas Vorgehen in Afrika im 19. Jahrhundert beschäftigen, betont der Historiker Dieter Langewiesche.
Justizvollzug
:Der Traum des Anstaltsleiters vom Ende der Gefängnisse
Joachim Walter war jahrzehntelang verantwortlich im Justizvollzug. Nach seiner Pensionierung stellt er brisante Fragen. Pflichtlektüre nicht nur für Juristen.
Biografie über Armin Mohler
:Wegbereiter für die Neue Rechte
Mit seiner Schrift über die „Konservative Revolution“ traf Armin Mohler in der Bonner Republik den Nerv derer, die dachten, ein bisschen Faschismus schadet nicht. Maik Tändlers Biografie zeigt eindrucksvoll, wie heute rechtsintellektuelle Netzwerke auf Mohlers Thesen aufbauen.
Nation Branding
:Der Staat als Werbeagentur
Die Vermarktung liberaler Länder wird angesichts zunehmender autokratischer Herrschaft weltweit wieder wichtiger, erklärt die Historikerin Jessica Gienow-Hecht in ihrer Einführung ins Thema „Nation Branding“.
Viktor Orbáns Ungarn
:Masterplan für Demokratieverächter
Wie schaffte es Viktor Orbán, zum Vorbild illiberaler Staatenlenker zu werden? Die Journalistin Petra Thorbrietz kann das auch nicht eindeutig klären, doch ihr Buch besticht durch enorme Detailkenntnis der ungarischen Gesellschaft.
Karfreitagsgefecht bei Kundus
:Deutschlands schwarzer Tag
Auch 15 Jahre nach dem Gefecht von Isa Khel gibt es Aufklärungsbedarf. Wolf Gregis schildert nüchtern die Fakten dieses tragischen Tages und vermeidet Schuldzuweisungen. Das macht sein Buch so wertvoll und einzigartig.
Demokratie unter Druck
:Die „nationalistische Internationale“
In vielen Staaten der Welt sind Rechtsextremisten auf dem Vormarsch. Was verbindet sie, was trennt sie? Vier Bücher klären auf. Wichtige Erkenntnis: Es ist nicht zu spät und jede Despotie hat ihre Grenzen.
Biografie über Hitlers Fotografen
:Der Propagandist des „Führers“
Ohne Heinrich Hoffmann hätte das Hitler-Bild in der Öffentlichkeit der NS-Zeit wohl anders ausgesehen. Der Historiker Sebastian Peters hat die Biografie eines Mannes geschrieben, der an den Fotos Millionen verdiente und keinerlei Unrechtsbewusstsein besaß.
Analyse der NS-Zeit
:Hitler erklären auf 128 Seiten? Ja, geht!
Es muss nicht immer eine dicke Biografie sein, um Adolf Hitlers Person und Politik der Vernichtung zu verstehen. Es reicht, zu Sybille Steinbachers präziser Einführung zu greifen.
Buch über Iran und den Westen
:Mullahs als „Kaiser ohne Kleider“
Wie tickt die Islamische Republik, die gerade von Israel und den USA attackiert wird? Ali Fathollah-Nejad liefert die nötigen Fakten über die Vierfachkrise in Iran und den Zerfall der „Achse des Widerstands“.
Zwei neue Bücher über die neue und die alte Regierung
:Merz und die wackelnde Mitte
Robin Alexander fragt sich, ob der neue Kanzler anders als Olaf Scholz im Krisenmodus regieren kann. Mariam Lau kommt dem CDU-Politiker näher als jeder andere Biograf. Ihre Hoffnung: Merz ist bereit, aus Fehlern zu lernen.
Streitschrift über Rassismus
:Deutsche Abschiedskultur
Waslat Hasrat-Nazimi beschreibt in ihrem Buch „Rausländer“, wie sich das Deutschland 2025 für Menschen mit Migrationsgeschichte anfühlt. In einem Wort zusammengefasst: unerwünscht.
Zwei liberale Streitschriften
:Der Anfang vom Ändern
Wie geht’s weiter mit der FDP und der Welt? Dazu haben sich beinahe gleichzeitig zwei Liberale Gedanken gemacht – Wolfgang Kubicki mit einer vollmundigen „Kampfansage“ und Gerhart Baum mit einem sorgenvollen, posthum veröffentlichten Aufsatz.
Überlebende NS-Opfer in der frühen BRD
:Bittsteller nach der Befreiung
NS-Opfer waren gleich nach Kriegsende in Deutschland „unerwünscht“, schreibt die Historikerin Stefanie Schüler-Springorum in ihrer eindrucksvollen Studie. Weder mit dem Leid der Menschen noch mit ihren finanziellen Ansprüchen wollten sich die Deutschen befassen, lieber sahen sie sich selbst als Opfer.
„Konfliktzone Ostsee“
:Was sich von den Balten lernen lässt
Sie wurden lange unterschätzt, aber nun, an der Frontlinie zum aggressiven Nachbarn Russland, bestimmen die Länder des Ostseeraums über Europas Zukunft. Autor Oliver Moody sieht die Anrainer als geopolitische Avantgarde des Westens.
Historiker über Fotograf Heinrich Hoffmann
:Der Mann, der Hitler inszenierte
Bis Kriegsende arbeitete der Münchner Fotograf Heinrich Hoffmann am Bild von Adolf Hitler und baute einen Fotokonzern auf, erklärt Historiker Sebastian Peters in einem neuen Buch. Warum Hoffmann so erfolgreich wurde und wie er seine Fotos manipulierte.
Buch über die Energieversorgung
:Die Profiteure von Öl und Gas
Deutschland zahlt Jahr für Jahr Milliarden für den Import fossiler Brennstoffe. Und die Energiewende? Die Journalistinnen Susanne Götze und Annika Joeres sind in ihrem neuen Buch „Die Milliarden-Lobby“ auf der Spur von Geld, Macht und Einfluss.
Russische Verbrechen in der Ukraine
:Vor den Augen der Welt
Die ukrainische Schriftstellerin Victoria Amelina und ihr Kollege Oleksandr Mykhed dokumentieren den grausamen Kriegsalltag. Die schwer zu ertragende Lektüre dieser Bücher ist das beste Heilmittel gegen die Romantisierung Russlands.
Gaza und Israel nach dem 7. Oktober
:Den Albtraum analysieren
Einmal nüchtern, einmal emotional: Muriel Asseburg und José Brunner betrachten den 7. Oktober und seine katastrophalen Folgen sehr unterschiedlich – beide Zugänge sind wichtig und erhellend.