Mit der Nähe von Großpolitikern zu Journalisten ist das ja immer so eine Sache. Heute wäre es jedenfalls undenkbar, würde ein Journalist auf einem Parteitag auf dem Podium neben dem Bundesvorsitzenden sitzen und sich mit ihm über Fotos unterhalten. Nun war Konrad R. Müller 1966 kein Journalist und auch noch kein bekannter Fotograf, doch auch damals galten die wenigen Minuten in der Beethovenhalle in Bonn, die er neben Konrad Adenauer sitzen durfte, als unerhörter Vorgang. Und noch dazu war es Müllers 26. Geburtstag.
"Ich war fasziniert vom Gesicht Konrad Adenauers", sagte Müller 1974 aus Anlass einer Ausstellung der Welt. Wie fasziniert, kann man nun an einem großformatigen Fotobuch mit dem Titel "Konrad & Konrad" nachspüren, das eben erschienen ist - gleichsam aus dem Nachlass des vor wenigen Wochen verstorbenen Konrad Rufus Müller.
Wie Müllers Weg als Kanzlerfotograf begann, fasziniert auch nach Jahrzehnten noch. Müller hat hier zahlreiche seiner bekanntesten Porträts des CDU-Politikers versammelt, der zwar sein Amt als Kanzler bereits 1963 abgeben musste, aber bis zu seinem Tod 1967 weiterhin sehr präsent war in der Bonner Republik. Von Anfang an dominieren die extremen Nahaufnahmen von Gesicht und Händen, oft bildfüllend, stets schwarz-weiß und oft im harten Licht - alles aufgenommen mit einer Rolleiflex aus dem Jahr 1935, die eigentlich gar nicht für Nahaufnahmen prädestiniert war.
Nicht weniger faszinierend sind Müllers kurze Texte: wie er Adenauer quasi verfolgte als junger Mann, dem die revolutionären Ideen der späten 60er-Jahre schnuppe waren und der sich lieber mit weißem Hemd, schwarzer Krawatte und dunklem Sakko auf die Lauer legte, um seinem "Helden" nahezukommen. Und er kam ihm nahe - wie später übrigens allen Kanzlern (und der Kanzlerin) bis hin zu Olaf Scholz. Erst lobte Adenauers Sohn die "seltene Plastizität" der Fotos, am Schluss lud "der Alte" den Jungen sogar in sein Urlaubsdomizil ein.
Und bei allen "unvorstellbaren Momenten der Nähe", derer Müller sich rühmt, bleibt es doch eine unaufdringliche Nähe. Und es bleiben die Falten und Altersflecken eines 90-jährigen deutschen Lebens von der Weimarer Republik bis in die junge BRD.