Politischer Aschermittwoch:Sie hauen sich wieder

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Franz Josef Strauß, der frühere Star des Aschermittwochs, ist bei der Veranstaltung immer noch präsent. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Einen Tag lang wird Niederbayern zum Zentrum der politischen Auseinandersetzung: Die Parteien laden zum politischen Aschermittwoch. Es darf verbal gerempelt werden, doch diesmal steht auch noch eine besondere Premiere an.

Von Katja Auer

Andernorts steht am Aschermittwoch die Buße und die Umkehr im Mittelpunkt, in Bayern beginnt die Fastenzeit typischerweise mit einem politischen Spektakel. Der Fasching wird sozusagen um einen Tag verlängert und die Parteien laden zum politischen Aschermittwoch nach Niederbayern. Ganz offiziell dürfen sich die Politiker dort verbal anrempeln. Das wird bisweilen freilich arg übertrieben, im vergangenen Jahr hat AfD-Landeschef Stephan Protschka Ministerpräsident Markus Söder unter anderem als "Södolf" beleidigt - dieser zeigte ihn an, die juristische Aufarbeitung läuft noch.

Heuer sollen in Osterhofen wieder Protschka und Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner auf der Bühne sein, außerdem ist als Hauptredner Maximilian Krah angekündigt, der Spitzenkandidat für die Europawahl. Er wird zum offiziell aufgelösten völkisch-nationalistischen "Flügel" der Partei gezählt und steht selbst in der AfD mit seinen Positionen weit rechts außen.

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Üblicherweise geht am Aschermittwoch die Opposition auf die Regierungsparteien los und umgekehrt, bei CSU und Freien Wählern wird es außerdem kräftig gegen Berlin gehen. Da schenkt man sich nichts, besonders FW-Chef Hubert Aiwanger schlägt üblicherweise einen recht rustikalen Ton an. Das wird in diesem Jahr mutmaßlich nicht anders sein, immerhin steht die Europawahl an und die Freien Wähler wollen unbedingt dazugewinnen.

Der Chef spricht in der Deggendorfer Stadthalle freilich selbst, außerdem ist Christine Singer angekündigt, Landesbäuerin und Spitzenkandidatin für die Europawahl. Weitere Redner sind der Europaabgeordnete Engin Eroglu und Landtagsfraktionschef Florian Streibl.

So geht das: Den großen Auftritt beim politischen Aschermittwoch in Passau hat CSU-Chef Markus Söder drauf. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Die CSU reklamiert "den größten Stammtisch der Welt" als ureigene Veranstaltung für sich, nach Passau kommen die meisten Gäste und die Veranstaltungen mit dem polternden CSU-Heiligen Franz Josef Strauß gehören zu den Wegmarken der Parteigeschichte. Erfunden hat's dennoch nicht die CSU, das Politspektakel entstand aus einem Viehmarkt, zu dem sich Bauern schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Vilshofen trafen. Dabei feilschten sie nicht nur um Tierpreise, sondern nahmen beim Bier auch die königlich-bayerische Regierung ins Visier. 1919 lud der bayerische Bauernbund anlässlich des Viehmarkts dann erstmals zu einer Kundgebung.

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Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der politische Aschermittwoch von der Bayernpartei wiederbelebt, die ihre Veranstaltung zu deftigen Angriffen auf die CSU nutzte. Die Christsozialen stiegen wenig später in die Tradition ein. Am 18. Februar 1953 lud die CSU zu ihrer ersten Aschermittwochs-Kundgebung: in den Wolferstetter Keller in Vilshofen. Strauß, damals CSU-Generalsekretär, war einer der Redner. Das Traditionslokal war am Aschermittwoch jahrelang die Heimat der CSU - aber am Ende so voll, dass die CSU 1975 nach Passau ausweichen musste, erst in die Nibelungenhalle, dann in die Dreiländerhalle.

Dort steht traditionell der Parteichef auf der Bühne, Markus Söder wird der Hauptredner sein. Generalsekretär Martin Huber kündigt eine "starke, fulminante Rede" des Ministerpräsidenten an. Ein Grußwort darf außerdem Manfred Weber halten, EVP-Fraktionschef im Europaparlament und CSU-Spitzenkandidat für die Europawahl.

Beim Gillamoos in Abensberg hat SPD-Chef Lars Klingbeil (rechts) im vergangenen Jahr schon mal geübt. Nun steht er erstmals beim politischen Aschermittwoch auf der Bühne. Landeschef Florian von Brunn (links) kennt das schon. (Foto: Daniel Löb/dpa)

Die SPD ist dem Traditionslokal in Vilshofen treu geblieben, sie trifft sich auch an diesem Aschermittwoch im Wolferstetter Keller. Parteichef Lars Klingbeil kommt zum ersten Mal als Redner, ihm zur Seite steht Maria Noichl, die SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl. Ebenfalls angekündigt ist die bayerische Parteidoppelspitze Ronja Endres und Florian von Brunn.

Die Grünen treffen sich im Bernlochner Saal in Landshut. Die Gäste erwartet - wie gewohnt - Fraktionschefin Katharina Schulze und ebenfalls eine Premiere. Der Bundesvorsitzende Omid Nouripour tritt auf. Außerdem die bestplatzierte bayerische Grüne für die Europawahl, Andie Wörle.

Bei der FDP in Dingolfing wird Marie-Agnes Strack-Zimmermann erwartet, die Vorsitzendes des Verteidigungsausschusses im Bundestag und Spitzenkandidatin für die Europawahl. Die Linke trifft sich im Gasthof Knott in Jacking bei Passau, allerdings nun doch ohne den Thüringer Ministerpräsidenten Bodo Ramelow. Der musste der Partei zufolge absagen, stattdessen wird die Parteivorsitzende Janine Wissler sprechen.

Sahra Wagenknecht kommt heuer erstmals als Chefin ihrer eigenen Partei zum Aschermittwoch nach Passau. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Neu im Reigen der Parteien ist das Bündnis Sahra Wagenknecht. Die Chefin selbst kommt nach Passau ins Gasthaus Öller.

Ebenfalls in Passau trifft sich die ÖDP, dort treten die Landesvorsitzenden Agnes Becker und Tobias Ruff auf. Die Bayernpartei kommt im Wolferstetter Bräu in Vilshofen zusammen. Und am Abend hält auch noch die V-Partei³ einen veganpolitischen Aschermittwoch ab. Dort ist Sebastian Frankenberger als Redner angekündigt, das ist jener Mann, der Bayern mit dem Volksbegehren zum Nichtraucherschutz aufmischte. Er war zeitweise ÖDP-Vorsitzender, bis er sich 2015 aus der Politik zurückzog. Die V-Partei³ deutet in einer Pressemitteilung an, dass sie eventuell ein Volksbegehren gegen Massentierhaltung plant. Gut möglich, dass die Expertise Frankenbergers da gefragt sein könnte.

Undifferenziertes Hinausblöken funktioniert nur mit Publikum

Trotz seiner langen Tradition gab es auch einzelne Jahre ohne politischen Aschermittwoch. Wegen der Corona-Pandemie fanden 2021 die Veranstaltungen digital statt, eine mühselige Geschichte, da diese spezielle Form des undifferenzierten Hinausblökens politischer Grundsätze und Behauptungen nur mit Publikum funktioniert. Am besten mit solch einem Publikum, das jene noch verstärkt und positiv zurückspiegelt. Ein Ort für abgewogene Debatten sind die Hallen am politischen Aschermittwoch nicht.

Deswegen fielen die Veranstaltungen im Jahr 2022 wegen des russischen Überfalls auf die Ukraine und im Jahr 2016 wegen des Zugunglücks bei Bad Aibling mit zwölf Toten und etwa 80 Verletzten aus.

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:Bitter ist's genug

Die Redner in Niederbayern sollen gerne ein Spektakel bieten. Es wäre aber kein Verrat an der Tradition, wenn sie es diesmal ohne Zuhilfenahme von "Saustall" oder "Maden-Müsli" schafften.

Kommentar von Roman Deininger

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