Reisefotografie:Licht und Schatten im Sudan

Der Sudan ist ein Land voller Überraschungen - nicht nur weil es Ziegen gibt, die Cola trinken. Eine Bilderreise durch ein Land von faszinierender Farbigkeit.

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Sudan

Quelle: Michaela Göken

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Der Sudan als Reiseziel? Nicht die gängige Assoziation, wenn der Name des nordostafrikanischen Landes fällt. Seit längerem leidet der Sudan durch Armut, Diktatur, Not und Unterdrückung. Aktuell steckt das Land in einer tiefen Krise. Seit einigen Wochen bricht sich ein über drei Jahrzehnte angestauter Frust seine Bahn, die Menschen im Sudan protestieren gegen die aktuelle politische und ökonomische Krise. Die Wut richtet sich vor allem gegen Diktator Omar al-Baschir.

Doch der Sudan ist auch ein Land von ungeahnter landschaftlicher Schönheit und enormer Gastfreundschaft. Die Deutsche Michaela Göken lebt seit zwei Jahren dort, arbeitet an ihrer Promotion und als freiberufliche Beraterin unter anderem für Entwicklungsorganisationen. Mit Überlandbussen, manchmal mit dem Zelt im Gepäck, hat sie schon einige der schönsten Orte des Landes bereist. Bei der Rast an einem Zwischenstopp entstand dieses Bild: Ein dunkler Raum, die sengende Sonne ist ausgesperrt. Nur durch ein kleines Fenster fällt Licht - und ein Esel schaut neugierig herein.

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Quelle: Michaela Göken

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An den Ufern des Weißen Nils, einem der beiden Quellflüsse des Nils, die selbst mächtige Ströme sind, ist das Leben freier als in den Städten und Dörfern, wo der muslimische Glaube den Alltag stärker bestimmt - "eine Möglichkeit, der Enge und der sozialen Kontrolle zu entfliehen", erzählt Michaela Göken. Es gibt nächtliche Partys und das eine oder andere Bier: "Alles, was sonst verboten ist."

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Quelle: Michaela Göken

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Weiter flussabwärts, zwischen der Hauptstadt Khartum und Assuan in Ägypten, durchbrechen natürliche Barrieren aus Granit das Flussbett: die sechs Katarakte des Nils. Für Schiffe war dort früher kaum ein Durchkommen, man konnte allenfalls kleine, flache Boote über die seichten Flussarme ziehen. Die Katarakte bildeten eine natürliche Grenze zwischen dem Ägyptischen und dem Nubischen Reich. Heute kann der Nil durchgehend befahren werden, wegen der Staudämme hat sich der Wasserstand erhöht. 45 Grad Celsius ist es heiß, als Michaela Göken bei einem Ausflug das sechste Katarakt - sie werden der Reihe nach flussaufwärts durchnummeriert - erreicht. Als es am späten Nachmittag abkühlt, ist eine Tour zu den Stromschnellen zwischen den Inseln möglich. Wasser und Land haben fast dieselbe Farbe, dazwischen leuchtet das Blau der Boote.

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Quelle: Michaela Göken

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Mehr als 200 Pyramiden gibt es im Sudan, in Ägypten stehen weniger als halb so viele. Wichtigste Ausgrabungsstätte sind die Pyramiden von Meroe, seit 2011 Unesco-Welterbe. Wie aus dem Nichts tauchen sie im Wüstensand neben der Überlandstraße im Blickfeld der Vorbeifahrenden auf. Ab 300 vor Christus wurden die Grabmäler und Tempel errichtet, für Archäologen sind sie eine Schatzkammer. Relikte einer reichen und noch längst nicht gänzlich erschlossenen Kultur, gar eine Wiege der Zivilisation. Heute sind Besucher dort fast allein.

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Quelle: Michaela Göken

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Kamelhirten bieten in Meroe Touren auf ihren Tieren an. "Sie sind einer der wenigen Tribute an den Tourismus, der ansonsten die Sehenswürdigkeiten des Sudans wenig beeinflusst", erzählt Michaela Göken. Lange Zeit hatte die sudanesische Regierung nur begrenztes Interesse an ausländischen Gästen, die Kriege in den südlichen Bundesländern und in Darfur taten ihr Übriges. Doch seit der Abspaltung des ölreichen Südsudans sind Touristen und deren Devisen immer mehr willkommen.

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Quelle: Michaela Göken

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Jeden Freitag treffen sich die Sufis in Omdurman, das zusammen mit Khartum und Bahri am Zusammenfluss der Nilarme eine Drillingsstadt bildet. Sie kommen zum wöchentlichen Sama-Ritual, dem Tanz der Derwische. Spirituelle Riten sind ein wichtiges Element des Sufismus, einer mystisch orientierten Glaubensrichtung des Islams. Unter die würdevoll gekleideten Männer mit langer weißer Jalabiya und fest gebundener Imma auf dem Kopf mischen sich mehr und mehr grün gekleidete Derwische. Mit dem Einsetzen der Trommeln beginnt ein tanzender Festzug durch den Kreis der Gläubigen. Einer der Tanzenden hält an und positioniert sich vor den fotografierenden Besuchern. Das Trommeln wird lauter und das Tanzen ausgelassener, bis im singenden Gebet die wirbelnde Meditation der Derwische beginnt, die sich um sich selbst bis in Trance drehen.

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Quelle: Michaela Göken

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Ein anderer Freitag, diesmal im Städtedrilling Bahri. Die Besucher eines Ringkampfs drängen sich ins Stadion. Die Mannschaften laufen ein, präsentieren ihre besten Kämpfer. Dann geht es los. "Erst abwägend. Dann kraftvoll. Nie brutal", beschreibt es die Fotografin. Bis einer der beiden auf dem Rücken liegt. Für die Volksgruppe der Nuba ist Ringen nicht nur Sport, sondern auch ein Wettkampf zwischen Dörfern und Gruppen. Der siegreiche Kämpfer läuft durch das Stadion. Begeisterte Zuschauer klatschen ihm zur Anerkennung Geldscheine auf die Stirn, der Schweiß hält sie dort.

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Quelle: Michaela Göken

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Einige der schönsten Korallenriffe der Welt liegen im Roten Meer - und zwar auf der sudanesischen Seite. Links und rechts von einem Leuchtturm im Sanganeb-Atoll erstrecken sich hundert Meter Steg, die direkt in das seichte Wasser führen, mit perfekten Tauch- und Schnorchelbedingungen. Auf der Leuchtturminsel trifft Michaela Göken die ständigen Aufseher des Atolls. Ein Ingenieur, ein Polizist, ein Koch und einer ohne offiziellen Jobtitel, aber mit vielen Fragen an die ausländischen Besucher. Auch im türkisblauen Paradies bleibt der Sudan ein autoritäres Regime, das wissen will, wer seine Gäste sind.

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Quelle: Michaela Göken

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Geradezu übernatürlich blau wirkt das Meer bei Port Sudan, so blau, dass der Himmel fast grau erscheint. Ein Vater nimmt seine Kinder an die Hand und geht ins Wasser. Und der Fotografin offenbart sich bei einem genaueren Blick auf die Umgebung der Grund für das unnatürliche Blau: An der Küste wird Kalk abgebaut.

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Quelle: Michaela Göken

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Über mehrere Hundert Jahre war Sawakin, auch Suakin genannt, der wichtigste Hafen an der Küste des Roten Meers. Heute stehen nur noch die Ruinen der aus Korallen erbauten Häuser. Der Sudan hat die Inselstadt zum Wiederaufbau an die Türkei verpachtet. Den Besuchern werden Gerüchte über den weitgehend verlassenen Ort erzählt: Es soll Katzen geben, die mit menschlicher Stimme um Essen bitten, und Ziegen, die Softdrinks trinken. Und tatsächlich: Zwar nicht mehr auf der Insel, aber in einem Restaurant im Hafen am Festland, präsentiert der Besitzer des Lokals die Ziege Susu. "Schneller als wir schauen können, ist die Cola leer. Die Sprite auch", erzählt Michaela Göken: "Vielleicht hätten wir die Katzen der Insel doch mal ansprechen sollen?" Der Sudan ist auch in den kleinen Begegnungen am Straßenrand ein Land voller Überraschungen.

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Quelle: Illustration Jessy Asmus

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In dieser Serie stellt SZ.de interessante Reisefotografen vor. Bislang ging es mit ihnen in die Metropolen der Welt, nach Vietnam, tief unter die Meeresoberfläche, zu indigenen Stämmen auf den Philippinen und mitten in die deutsche Städtelandschaft, an Vulkankrater sowie zur wahren Seele der Eisberge, nach Südamerika, Hongkong, nach Taiwan, Island, Bangladesch, in die US-Südstaaten, nach "Senegambia" und Rio de Janeiro sowie in den glühenden Sommer von Tadschikistan. Weitere Episoden zeigten bereits Reisen durch Schottland, Afrika, Armenien, Myanmar, Rumänien, Iran, Spitzbergen und Georgien, nach Mexiko sowie an die Lieblingsorte eines Globetrotters, der alle Unesco-Welterbestätten abbilden will.

© SZ.de/edi/kaeb/stein
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