Chronologie zum Fall Gustl Mollath:Schwierige Suche nach der Wahrheit

Seit fast sieben Jahren sitzt Gustl Mollath in der Psychiatrie, jetzt hat das OLG Nürnberg beschlossen: Das Verfahren um angebliche Körperverletzung und dunkle Bankgeschäfte wird wieder aufgenommen. Angefangen hat das Drama schon im August 2001. Eine Chronologie des Falls.

Von Olaf Przybilla und Uwe Ritzer

1 / 25
(Foto: dapd)

Seit fast sieben Jahren sitzt Gustl Mollath in geschlossenen psychiatrischen Einrichtungen in Bayern. Der mittlerweile 56-Jährige habe gefährliche Wahnvorstellungen, attestierten Gutachter und urteilten Gerichte immer wieder. Doch viele seiner Vorwürfe stimmen. Eine Chronologie des Falls. Gustl Mollath und seine Frau lernen sich im Jahr 1978 kennen, als er 22 Jahre alt ist und sie 18. Schnell ziehen sie zusammen. Mollath macht das zweitbeste Abitur am Gymnasium. Er studiert Maschinenbau, bricht ab, landet bei MAN als Controller. Dann macht er sich selbstständig, als Oldtimer-Restaurator. Seine Frau arbeitet als Vermögensberaterin bei der Hypo-Vereinsbank. Ein ungleiches Paar, doch lange geht die Beziehung gut.  Das Drama beginnt dann im August 2001: In der Wohnung des Ehepaares kommt es der Ehefrau zufolge zu einer tätlichen Auseinandersetzung. Sie gibt später an, von Mollath gewürgt und geschlagen worden zu sein. Er bestreitet das; Zeugen gibt es nicht. Seinen Angaben nach gibt es immer wieder Streit wegen der von ihm beschriebenen Schwarzgeldgeschäfte seiner Frau - die diese auch von der heimischen Wohnung aus abgewickelt haben soll.

2 / 25
(Foto: youtube)

Im Mai 2002 zieht Mollaths Frau aus der gemeinsamen Wohnung aus - das Paar führt einen erbitterten Rosenkrieg. Einen Monat später kommt es angeblich zu einer Freiheitsberaubung in der Wohnung. Mollath soll seine Frau, die nur kurz in die Wohnung zurückkehren wollte, 90 Minuten gegen deren Willen festgehalten haben. Zu jener Zeit ist Mollath für die Friedensbewegung unterwegs. Er marschiert bei Demonstrationen mit, engagiert sich und tritt für seine Überzeugung ein, etwa bei einem Kommentargottesdienst in einer Nürnberger Kirche über das Thema Zivilcourage (Screenshot eines Youtube-Videos aus dem Jahr 2003).

3 / 25
(Foto: dpa)

Der Streit zwischen dem Ehepaar Mollath spitzt sich weiter zu: 2002 stellt eine Arztpraxis ein Attest über angebliche Verletzungen aus, die Mollath 2001 - mehr als ein Dreivierteljahr zuvor - seiner Frau zugefügt haben soll. Im Urteil des Landgerichts 2006 wird eine Ärztin als diejenige benannt, die das Attest ausgestellt habe. Das Attest sei im Verfahren - laut Urteil - lediglich "verlesen worden". Laut Spiegel Online soll nicht die Ärztin das Attest ausgestellt haben, wie im Urteil behauptet, sondern deren Sohn, der zu der Zeit als Assistenzarzt in der Praxis gearbeitet habe.    Mollath erklärt in dem sich zuspitzenden Streit, er werde weiter Protestbriefe an den Arbeitgeber der Frau, die Hypo-Vereinsbank, senden und sich über deren angebliche Schwarzgeldgeschäfte dort beschweren. Dieses Vorhaben setzt Mollath auch um: Ende 2002 und Anfang 2003 schreibt er mehrere Briefe an die HVB. Diese setzt ihre internen Revisoren auf den Fall an. Sie legen am 17. März 2003 ihren Prüfbericht vor. Zentraler Satz darin: "Alle nachprüfbaren Behauptungen (Mollaths, die Redaktion) haben sich als zutreffend herausgestellt."

4 / 25
(Foto: dpa)

Im Mai 2003 erfolgt die Anklage wegen Körperverletzung. Mollath soll seine Frau mindestens 20 Mal mit Fäusten geschlagen und sie so lange gewürgt haben, bis sie bewusstlos wurde. Im September 2003 wird vor dem Amtsgericht Nürnberg verhandelt. Mollath schreibt an Vertreter der Nürnberger Justiz und erklärt, er solle möglicherweise wegen seiner Schwarzgeldenthüllungen mundtot gemacht werden. Ein früherer langjähriger Freund des Paares verstärkt diesen Verdacht acht Jahre später durch eine eidesstattliche Versicherung, in der er ein Gespräch mit Mollaths damaliger Frau beschreibt. In der Unterhaltung soll sie unter anderem gesagt haben: "Wenn Gustl meine Bank und mich anzeigt, mache ich ihn fertig." Weil der Bekannte das Paar im Laufe ihrer Streitigkeiten aber aus den Augen verliert, bekommt er von dem folgenden Prozess nichts mit und meldet sich erst im November 2011 zu Wort - in einem Schreiben, das er an die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth und zugleich an Justizministerin Beate Merk schickt.

5 / 25
(Foto: SWR)

Am 25. September 2003 übergibt Mollath dem Amtsgericht Nürnberg einen Schnellhefter. Der Inhalt: Ein wirr wirkendes Bündel Papier mit der Überschrift "Was mich prägte" auf der ersten Seite. Es liest sich stellenweise bizarr, viele Seiten haben mit dem Kern dessen, was Mollath eigentlich sagen will, wenig zu tun: eine Zeitleiste von seiner Geburt über den Krebstod des Vaters, das Massaker von My Lai, die Ermordung Martin Luther Kings, die Mondlandung, den Putsch von Idi Amin, die Demonstration von 200 Sioux-Indianern bis zum Ende seiner Ehe. Er legt Flugblätter und Briefe an Banken und seine Ehefrau bei, die er geschrieben hat - offenbar als Beleg für den Rosenkrieg und als Beleg dafür, dass er die aus seiner Sicht dunklen Geschäfte seiner Frau bei deren Arbeitgeber, der Hypo-Vereinsbank, bereits mehrfach moniert hatte. Er nennt auch Fakten zu den angeblich illegalen Geldgeschäften seiner Ehefrau. Später legt er mit mehreren Anzeigen nach, die zwischen zwei und sechs Seiten lang und weit weniger ausufernd sind als seine Verteidigungsschrift in eigener Sache. Mollath beschränkt sich in diesen Strafanzeigen auf Personen und Daten. Auch diese Anzeigen lösen aber keine Ermittlungen aus. Der Wahrheitsgehalt der enthaltenen Vorwürfe wird offenbar nicht überprüft. Die Staatsanwaltschaft entscheidet schnell: Kein Anfangsverdacht, also auch keine Ermittlungen.

6 / 25
(Foto: dapd)

Im September 2004 ergeht der Beschluss zur Unterbringung Mollaths in der Psychiatrie für höchstens fünf Wochen, um ein Gutachten erstellen zu können. Danach wird Mollath aus der Anstalt entlassen. Im Januar 2005 beginnt er angeblich damit, Reifen zu zerstechen - von Personen, die mit seinem Fall beschäftigt waren. Die Ermittlungsakten lassen so eine Vermutung zu. Ein Beweis findet sich darin jedoch an keiner Stelle, ebenso wenig gibt es Zeugen. Dafür finden sich in den Ermittlungsakten verschiedene Hinweise, dass die Ermittlungen gegen Gustl Mollath in dieser Sache mit erheblichem Belastungseifer geführt - und entlastende Hinweise kaum berücksichtigt wurden.

7 / 25
(Foto: dpa)

Am Landgericht Nürnberg (im Bild) ergeht im August 2006 das Urteil: Mollath wird vom Vorwurf der Körperverletzung und Sachbeschädigung freigesprochen. Das Gericht sieht die Taten zwar als erwiesen an, macht sich aber das Gutachten eines Sachverständigen zu eigen. Dieser attestiert - ohne persönliche Untersuchung, die Mollath ablehnt - dem Angeklagten paranoide Wahnvorstellungen, die sich im Wesentlichen um einen "Schwarzgeldkomplex" drehen sollen. Mollath landet in der Psychiatrie. Nach dem ersten Gutachten durch den Chefarzt der Forensischen Abteilung im Bezirkskrankenhaus Bayreuth - jenem Mann, der Mollath 2005 ein paranoides Gedankensystem attestiert hatte, ohne ihn untersucht zu haben - sind es im Wesentlichen zwei externe Gutachter, die Mollath später für krank erklären: und zwar in den Jahren 2008 und 2011. Der Gutachter des Jahres 2008 hatte Mollath aber ebenfalls nicht untersucht, sondern war zu seinem Befund aufgrund der "Aktenlage" gekommen. Mollath hatte eine Untersuchung abgelehnt. 2007 hatte ein Gutachter Mollath attestiert, dieser sei geschäftsfähig. Der beschriebene Wahn sei nicht zu erkennen. Dieser Gutachter hatte sich 2007 mehrere Stunden mit Mollath - der damals in Straubing einsaß - unterhalten und ihn untersucht.

8 / 25
(Foto: dpa)

Derzeit sitzt Mollath in der Psychiatrie des Bezirkskrankenhauses Bayreuth (Foto). Seine Einweisung wird jedes Jahr überprüft. Immer wieder findet sich in Stellungnahmen aus dem Krankenhaus an die zuständige Strafvollstreckungskammer die Feststellung, Mollath halte an seinen Geschichten über Schwarzgeld fest - zuletzt in einer Stellungnahme aus dem Jahr 2011. Jenen psychiatrischen Stellungnahmen aus den vergangenen Jahren stehen inzwischen vier Stellungnahmen von Psychiatern, Ärzten und Psychologen gegenüber, die Mollaths Einweisung für nicht gerechtfertigt halten. Außerdem exisitiert ein methodenkritisches Gutachten eines Bonner Psychiatrie-Professors, der frühere Gutachten - die Mollaths Einweisung für gerechtfertigt halten - förmlich verreißt: Sie entsprächen nicht den wissenschaftlichen Standards.

9 / 25
(Foto: Stephan Rumpf)

Am 13. November 2012 berichten die Süddeutsche Zeitung und "Report Mainz" erstmals über den Inhalt eines Revisionsberichts der Hypo-Vereinsbank (Foto) aus dem Jahr 2003, der die Vorwürfe Mollaths weithin bestätigt - den die Bank aber jahrelang unter Verschluss hielt.  Die Prüfer der Bank hatten zig Belege und Hinweise auf Schwarzgeldgeschäfte, Geldwäsche, illegalen Aktienhandel, Beihilfe zur Steuerhinterziehung und andere Kapitaldelikte gefunden. Sie waren auf ein Netzwerk innerhalb der Nürnberger HVB gestoßen, das solche Geschäfte jahrelang betrieben hatte, auch zum Schaden der Bank selbst. 

10 / 25
(Foto: Screenshot: SZ)

In Folge der Berichte Mitte November kommen viele fragwürdige Details des Verfahrens gegen Mollath ans Tageslicht: Es meldet sich der Zeuge, der die eidesstattliche Erklärung über ein angebliches Gespräch mit der Frau Mollaths abgegeben hatte - im Verfahren 2006 aber nicht befragt worden war. Es melden sich mehrere Augenzeugen, darunter der Schöffe im damaligen Verfahren, die beschreiben, dass der Vorsitzende Richter dem Angeklagten Mollath 2006 in einem wesentlichen Punkt kaum richterliches Gehör geschenkt und ihm sogar gedroht haben soll, dieser müsse den Saal verlassen, sobald er über den "Schwarzgeldkomplex" reden wolle. Es meldete sich ein Regensburger Strafrechtsprofessor, der anhand des vorliegenden Urteils aus dem Jahr 2006 gravierende Fehler und Auslassungen im Prozess gegen Mollath beschrieb: Unter anderem wurde die gravierendste der ihm vorgeworfenen Taten - der angebliche Übergriff auf seine damalige Frau - um drei Jahre verlegt. Diese soll 2001 stattgefunden haben, im Urteil ist bereits auf der ersten Seite der Urteilsbegründung vom Jahr 2004 die Rede. Auch eine ganz wesentliche - und später oft wiederholte -  Behauptung aus dem Urteil 2006 kam stark ins Wanken: Dieser Behauptung zufolge soll Mollath beliebige dritte Personen in seinen paranoiden Wahn einbezogen haben. Genannt wird im Urteil 2006 aber nur eine einzige Person: ein Gerichtsgutachter. Dieser bestätigt aber der SZ, dass er sich selbst in der Sache für befangen erklärt hatte - und also keineswegs als "beliebige dritte Person" beschrieben werden könne. Auch Mollaths Strafanzeigen zu den Schwarzgeldvorwürfen aus den Jahren 2003 und 2004 wurden bekannt, denen damals von Seiten der Staatsanwaltschaft nicht nachgegangen worden war.

11 / 25
(Foto: dpa)

Je mehr Details über die Causa Gustl Mollath auftauchen, desto stärker gerät auch Justizministerin Beate Merk unter Druck. Erst nach wochenlanger, scharfer Kritik erklärt die Ministerin am 30. November, dass sie den Fall komplett neu aufrollen lassen will. Vier Tage später kündigt sie zudem einen neuen Bericht an. Am 6. Dezember muss sie im Rechtsausschuss des Bayerischen Landtags auf kritische Fragen der Opposition antworten. Dabei verteidigt sie ihr spätes Eingreifen im Fall Mollath. Auch bei einem Fernsehauftritt lehnt Merk am 13. Dezember Kritik an ihr und dem Vorgehen der bayerischen Justiz ab.

12 / 25
(Foto: dapd)

Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) stärkt seiner Justizministerin nach ihrer Ankündigung im Landtag erstmals demonstrativ den Rücken und spricht ihr seinen "Dank und Respekt" aus. Gleichzeitig räumt er aber auch ein, dass es in dem Fall "Zweifel und Merkwürdigkeiten" gebe. Vertreter der Opposition begrüßen zwar, dass mittlerweile ein neues Gutachten erstellt und das Verfahren wieder aufgenommen werden soll. Die SPD-Abgeordnete Inge Aures mahnt aber, es dürfe deshalb nicht so getan werden, als sei die Welt "wieder heil". Grünen-Fraktionschef Martin Runge wirft der Nürnberger Staatsanwaltschaft unterdessen gravierende Fehler vor, weil sie nach Mollaths Anzeige im Jahr 2003 nicht aktiv geworden war.

13 / 25
(Foto: picture-alliance/ dpa)

Gerhard Strate ist ein Mann für spektakuläre Fälle - der Rechtsanwalt vertritt Gustl Mollath seit Dezember. Anfang Januar stellt Strate eine Strafanzeige gegen den im Jahr 2005 zuständigen Amtsrichter - damals wurde Mollath gegen seinen Willen in die Bayreuther Psychiatrie eingewiesen - und gegen den Klinikchef und späteren Mollath-Begutachter Klaus Leipziger. Die Staatsanwaltschaft Augsburg entschied jedoch Ende Februar, keine Ermittlungen gegen die beiden Männer einzuleiten. Für einen derartigen Schritt lägen "keine zureichenden Anhaltspunkte" vor, teilte die Staatsanwaltschaft mit.

14 / 25
(Foto: Peter Kneffel/dpa)

Jahrelang hat die Hypo-Vereinsbank geschwiegen - dabei hätte ein Revisionsbericht aus dem Jahr 2003 womöglich für eine andere Wendung im Fall Mollath gesorgt. Im Februar äußerte sich die HVB auf SZ-Anfrage erstmals ausführlicher und erklärte, dass jeder derartige Revisionsbericht ein "internes Dokument" sei und deshalb "vertraulich behandelt" werde. "2003 war für niemanden abzusehen, dass unser Revisionsbericht in einem späteren Strafverfahren gegen Herrn Mollath und bei seiner Einweisung in eine psychiatrische Einrichtung im Jahr 2006 eine Rolle spielen könnte", heißt es in der HVB-Stellungnahme. Außerdem sei Mollath für Straftaten verurteilt worden, "mit denen unsere Bank ersichtlich nichts zu tun hatte" und die in keinem Zusammenhang mit den Sachverhalten im Revisionsbericht stünden. Im Rechtsausschuss des bayerischen Landtags sorgt der Bericht jedoch für gehörigen Wirbel. Der Nürnberger Generalstaatsanwalt Hasso Nerlich sagt vor dem Ausschuss, der HVB-Revisionsbericht habe keine Belege für steuerstrafrechtliche Verstöße geliefert. Grüne und Freie Wähler sehen darin einen Beweis für die Befangenheit Nerlichs, scheitern aber mit einem Dringlichkeitsantrag, in dem sie seine sofortige Entbindung vom Fall Mollath verlangen. Auch der Präsident des Landesamts für Steuern, Roland Jüptner, gerät vorübergehend in Bedrängnis und muss sich für seine Aussagen entschuldigen.

15 / 25
(Foto: DPA)

Am 18. März beantragt die Staatsanwaltschaft Regensburg (im Bild der Regensburger Justizpalast) die Wiederaufnahme des Falls. Für Gustl Mollath bedeutet das nach sieben Jahren in diversen geschlossenen Psychiatrien Bayerns eine neue Chance auf ein faires Verfahren.  Anträge auf Wiederaufnahme von rechtskräftigen Verfahren sind selten. Sie werden üblicherweise von Anwälten gestellt. Dass eine Staatsanwaltschaft  einen eigenen Antrag stellt, gilt in der modernen Rechtsgeschichte Bayerns als einzigartig.

16 / 25
(Foto: dpa)

Genau einen Monat später, am 18. April, muss Gustl Mollath zur jährlichen Anhörung vor das Landgericht Bayreuth. Wieder einmal geht es um die Frage: Freiheit oder Psychiatrie? Nach sieben Jahren in der geschlossenen Abteilung - und somit nach sieben gerichtlichen Überprüfungen, ob die Unterbingung noch notwendig sei - ist der Termin kaum mehr als Routine. Diesmal ist die Situation zwar anders, immerhin hat die Staatsanwaltschaft Regensburg inzwischen einen eigenen Antrag auf Wiederaufnahme der Verfahrens gestellt, doch am 29. April entscheidet das Gericht, dass Mollath vorerst in der Psychiatrie bleiben muss. Es wird eine "ergänzende Stellungnahme" des Experten angefordert, der zuletzt mit der Causa betraut war. Der Sachverständige solle erläutern, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass Mollath erneut Straftaten begehen wird.

17 / 25
(Foto: dpa)

Zwischen Anhörung und Entscheidung des Landgerichts Bayreuth fällt ein anderer Beschluss, der Bewegung in den Fall bringen könnte: Am 24. April beschließt der Bayerische Landtag nach zähen Diskussionen, doch noch einen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Doch dem Gremium bleibt nicht viel Zeit, bis zur Landtagswahl am 15. September muss die Arbeit abgeschlossen sein, das sind nur noch wenige Sitzungswochen. Im Untersuchungsausschuss soll unter anderem geklärt werden, ob Regierung und Justiz dem Landtag Unwahrheiten erzählten und ob staatliche Stellen womöglich mehr von den Schwarzgeldvorwürfen gegen die Hypo-Vereinsbank wussten als bislang bekannt. Dazu gibt es einen Katalog von 49 Fragen - die ersten Zeugen werden ab dem 14. Mai vor den Ausschuss geladen. Unter ihnen: Otto Brixner, der mittlerweile pensionierte Richter, der 2006 der Strafkammer vorstand, die das Urteil über Mollath sprach.

18 / 25
(Foto: dpa)

In den Sitzungen des Untersuchungsausschusses kommen interessante Details ans Licht. Richter Otto Brixner räumt etwa ein, die Verteidigungsschrift Mollaths samt Anlagen gar nicht gelesen zu haben - zweimal wird er von den Mitgliedern des Ausschusses unter Vorsitz von CSU-Mann Florian Herrmann (im Bild) auf die 106 Seiten angesprochen. Beim ersten Mal antwortet er: "Ich lese doch keine 110 Seiten." Beim zweiten Mal präzisiert er: "Dieses Konvolut ist mir nicht bekannt." Generalstaatsanwalt Hasso Nerlich hält das Urteil gegen Mollath mittlerweile für mehr als schludrig. Unter den Zeugen sind zudem Steuerfahnder, die erklären müssen, warum sie Mollath von vorneherein als "Spinner" eingestuft hatten. 

19 / 25
(Foto: Getty Images)

Am siebten Sitzungstag des Mollath-Untersuchungsausschusses, dem 11. Juni 2013, kommt endlich der Mann zu Wort, um den sich alles dreht: Mollath selbst. Der 56-Jährige wird mit Applaus begrüßt. Er wirkt gefasst. Detailliert erzählt Mollath seine Version der Dinge: Seiner Ex-Frau wirft er illegale Schwarzgeldgeschäfte vor. Anfänglich habe die Bankerin im Auftrag ihres Arbeitgebers illegal Schwarzgelder von Bankkunden in die Schweiz geschafft, später sogar hinter dem Rücken der Hypo-Vereinsbank Schwarzgeld-Transfers eingefädelt. Mollath sagt: "Ich habe gewusst, das muss aufhören - zum Schutz meiner damaligen Frau und zu meinem Schutz."

Chronologie zum Fall Gustl Mollath

Gustl Mollath in der Psychiatrie

20 / 25
(Foto: privat)

Seine Unterbringung in der Psychiatrie spricht Mollath bei seinem Auftritt im Landtag nur am Rande an. Deutlich wird, wie sehr er sein Leben dort hasst. Er beschreibt, wie es ist, nachts aufgeweckt zu werden, keinen natürlichen Schlafrhythmus mehr zu finden. Dass er wahnhaft sei, weist Mollath von sich. Auf dem Bild ist Mollath während eines Hofgangs in der Bayreuther Psychiatrie zu sehen. Wenige Stunden, bevor Mollath im Landtag aussagen soll, hatte auch seine Ex-Frau ihr Schweigen gebrochen und dem Nordbayerischen Kurier ein Interview gegeben. Darin greift sie ihren Exmann scharf an. Nur einen Tag nach seinem Auftritt im Landtag verkündet das Landgericht Bayreuth eine Entscheidung: Gustl Mollath muss zumindest vorläufig weiter in der Psychiatrie bleiben. Ein Antrag, der seine vorzeitige Entlassung gefordert hatte, wurde abgelehnt. Die Begründung: Von Mollath seien "weitere erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten".

21 / 25
(Foto: dpa)

Die letzte Zeugin stellt sich am 14. Juni 2013 den Fragen des Untersuchungsausschusses: Beate Merk macht bei ihrem Auftritt im Landtag deutlich, dass sie als Justizministerin keinen Einfluss auf rechtskräftige Urteile habe. Außerdem betont Merk in ihrer stundenlangen Stellungnahme, dass ihr im Fall Mollath keine Fehler unterlaufen seien. Anschließend wird sie von den Ausschussmitgliedern befragt. Doch am Ende bleibt es beim alten: Martin Runge, der Grünen-Politiker, sagt nach der Sitzung, man bleibe bei der Forderung, die seine Partei schon im November formuliert habe. Seehofer müsse Merk entlassen. Eine Ministerin, die das Parlament nur in Teilen mit der Wahrheit bedient habe, sei untragbar. Auch SPD und Freie Wähler fordern nach der Sitzung Merks Rücktritt. Für die CSU dagegen ist "kein Fehlverhalten der Ministerin" erkennbar.

22 / 25
(Foto: dpa)

Etwa zwei Wochen später fordert das Bundesverfassungsgericht das bayerische Justizministerium sowie den Generalbundesanwalt zu Stellungnahmen im Fall Mollath auf. Ein Anwalt, der Verfassungsbeschwerde eingelegt hat, wertet das als Hinweis, dass Karlsruhe "in der Causa notfalls selbst zu einer Entscheidung kommen" will. Die beiden Instanzen haben offiziell bis zum 23. Juli Zeit, Stellung zu nehmen. Zugleich mehrt sich die Kritik an Richter Otto Brixner. In einer für den Untersuchungsausschuss nachgereichten schriftlichen Zeugenaussage der ehemaligen Beisitzenden Richterin Petra Heinemann heißt es, der frühere Vorsitzende Richter am Landgericht Nürnberg sei womöglich doch besser mit dem jetzigen Ehemann von Mollaths Ex-Frau bekannt, als bisher zugegeben. Zudem ist ein Entwurf des Wiederaufnahmeantrags aufgetaucht, in dem Oberstaatsanwalt Wolfhard Meindl mehrere Gründe dafür aufführt, den Fall neu aufzurollen. Zudem prangert er in dem 54-seitigen Entwurf insgesamt fünf Rechtsbeugungen Brixners an - und lässt keinen Zweifel daran, dass er von diesen überzeugt sei. Im endgültigen Wiederaufnahmeantrag fehlen diese Angaben jedoch. Meindls Angaben zufolge hat er sie weggelassen, weil man nicht hätte nachweisen können, dass Brixner das Recht im Urteil "mit Absicht gebeugt" habe.

23 / 25
(Foto: dpa)

Am 23. Juli bekommt Gustl Mollath Freigang. Er darf dabei sein, als Wilhelm Schlötterer in Bayreuth sein Buch "Wahn und Willkür" vorstellt. Darin erklärt der umstrittene Autor, was das System Strauß mit dem Fall Mollath zu tun hat. Einen Tag später dann die für Mollath ernüchternde Entscheidung des Landgerichts Regensburg: Es erkennt weder im Wiederaufnahmeantrag Mollaths noch in dem der Staatsanwaltschaft einen zulässigen Grund dafür, den Fall neu zu verhandeln. Gustl Mollath muss in der Psychiatrie bleiben.

24 / 25
(Foto: dpa)

Am 02. August demonstrieren etwa 20 Anwälte in ihren schwarzen Roben vor dem Landgericht Regensburg. Als "113 Seiten Unverschämtheit" bezeichnete einer ihrer Sprecher, der Strafrechtler Jan Bockemühl, die Entscheidung des Gerichtes gegen eine Wiederaufnahme des Falles Gustl Mollath.  Auch Generalbundesanwalt Harald Range wendet sich in einer Stellungnahme an das Bundesverfassungsgericht - und stuft den Unterbringungsbeschluss des Oberlandesgerichtes (OLG) Bamberg vom 26. August 2011 als "unzureichend" ein. Das Gericht habe "nicht ausreichend belegt und konkretisiert", warum von Mollath angeblich weiter Gefahr ausgehe. "Zudem genügt der Beschluss nicht den Anforderungen für die Prüfung der Verhältnismäßigkeit", heißt es in der 25-seitigen Stellungnahme Ranges.  Die Entscheidung, wann und ob Mollath gegebenenfalls bald frei kommt, wird wohl in Karlsruhe fallen. Dort beschäftigt sich das Bundesverfassungsgericht mit einer Verfassungsbeschwerde Mollaths gegen seine Unterbringung, die der Freiburger Anwalt Michael Kleine-Cosack eingereicht hat. Mollaths Chancen stehen offenkundig gut.

25 / 25
(Foto: dpa)

Am 6. August um kurz vor zwölf Uhr mittags ist es soweit: Das Oberlandesgericht Nürnberg beschließt eine Wiederaufnahme im Fall Mollath. Für Gustl Mollath bedeutet dies, dass er unverzüglich freigelassen wird. 

© Süddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: