Verfahren gegen Gustl Mollath:Der dritte Mann

Gustl Mollath, Fall Mollath

Sitzt seit fast sieben Jahre in der Psychatrie: Gustl Mollath.

(Foto: SWR/dpa)

Ein weiteres Detail in der irrwitzigen Geschichte des Fall Mollath: Im Urteil gegen Gustl Mollath heißt es, in seinem Wahn habe er beliebige Personen mit Schwarzgeldvorwürfen überzogen. Genannt wird aber gerade mal ein einziger Name - der eines Gerichtsgutachters. Und der ist in dem Fall alles andere als unbeteiligt. Die Argumentation von Justizministerin Merk gerät dadurch weiter ins Bröseln.

Von Olaf Przybilla und Uwe Ritzer, Nürnberg

Am 20. November 2012 veröffentlichte das bayerische Justizministerium "aus aktuellem Anlass" eine Erklärung auf seiner Internetseite; am Mittwoch stand sie immer noch da. Erklärt wird Folgendes: Ob es die von Gustl Mollath behaupteten Schwarzgeldverschiebungen bei der Hypo-Vereinsbank (HVB) tatsächlich gegeben habe, sei für dessen Unterbringung in der geschlossenen Psychiatrie "nicht entscheidend" gewesen. Gustl Mollaths "Wahn" habe sich vielmehr daran gezeigt, dass er "beliebig dritte Personen mit Schwarzgeldverschiebungen in Verbindung" gebracht habe. Unbeteiligte Dritte also. Dann folgt auf der Internetseite des Ministeriums die Feststellung: "beispielsweise einen Gerichtsgutachter".

Eine Argumentation, die Ministerin Beate Merk (CSU) gerne verwendet, um das fragwürdige Vorgehen der Justiz im Fall Mollath zu rechtfertigen. Doch diese Darstellung gerät nun durch Recherchen der Süddeutschen Zeitung weiter ins Bröseln.

Denn abgesehen davon, dass bisher keine Namen von weiteren, angeblich von Mollath wahnhaft mit Schwarzgeldvorwürfen überzogenen "dritten" Personen genannt wurden, handelt es sich bei dem Gutachter keineswegs um eine unbeteiligte Person, wie Justiz und Ministerin glauben machen wollen.

Zweifel am fairen Umgang mit Mollath

Es handelt sich vielmehr um einen Psychiater, der die Begutachtung Mollaths selbst abgelehnt hatte. Aus Befangenheit. Ein weiteres Detail in der irrwitzigen Geschichte des Gustl Mollath, das einmal mehr die Frage aufwirft, wie fair die Justiz mit ihm umgegangen ist.

Die SZ hat den Psychiater mit der Angabe des Justizministeriums konfrontiert, Mollath habe ihn in seinen angeblichen Wahn miteinbezogen. Und wohl deswegen als Gutachter abgelehnt. Der Gutachter antwortet darauf in unmissverständlicher Deutlichkeit: "Herr Mollath hat schon nachvollziehbare Gründe gehabt, mich als Gutachter abzulehnen." Und mehr noch: Er habe sich ja aus eben diesen Gründen selbst für befangen erklärt.

Beliebige dritte Personen? Die einzige von Justiz und Ministerin bislang benannte dritte Person, eben der Psychiater, zählt sich selbst also nicht dazu. Er schildert den Grund für seine Befangenheit so: Bevor er als Gutachter vom Gericht in der Sache Mollath angefragt worden sei, habe es eine zufällige Begegnung mit Mollath auf der Straße gegeben, fast vor der Haustür des Psychiaters.

Mollath sei wohl auf der Suche nach dem Nachbarn des Psychiaters gewesen, einem Finanzanleger. Offenkundig, um mit diesem ins Gespräch über etwaige dunkle Geldgeschäfte in der Schweiz zu kommen, die womöglich nicht nur über die Nürnberger Filiale der Hypo-Vereinsbank abgewickelt wurden. Mollath sah den Finanzmakler darin verstrickt und zeigte ihn auch an. Und er wollte ihn wohl an diesem Tag selbst zur Rede stellen. So kamen er und der Gutachter ins Gespräch.

Als der Psychiater später dann ausgerechnet den Mann begutachten sollte, mit dem er aus schierem Zufall schon auf der Straße über einen möglichen Schwarzgeldkomplex geredet hatte, lehnte er dies ab. Umgekehrt lehnte Mollath den Gutachter ab - mit teilweise heftigen Worten. Er misstraute ihm zutiefst, schon wegen dessen räumlicher Nähe zu einem Finanzmakler. Schwarzgeldgeschäfte werden schließlich häufig unter guten Bekannten angeleiert.

Er kann Mollaths Misstrauen nachvollziehen

Der Psychiater trägt ihm diese Verdächtigung aber nicht nach. Dass Mollath ihm irgendwann sogar vorgeworfen habe, er könnte mit Schwarzgeldverschiebern gemeinsame Sache machen, habe er in dessen geschilderter Situation sogar verstehen können. Auch wenn er selbst niemals Schwarzgeldgeschäfte getätigt habe. Aber: Eine Nachbarschaft schaffe nun mal Vertraulichkeit, sagt der Psychiater, da habe er die gutachterliche Objektivität in der Tat nicht sicherstellen können.

Von all diesen Zusammenhängen findet sich in der Erklärung des Justizministeriums nichts. Und auch im Urteil des Landgerichts Nürnberg aus dem Jahr 2006 - auf das sich Merk bezieht - steht davon kein Wort. Vielmehr heißt es an einer tragenden Stelle des Urteils: Was den Wahn Mollaths angehe, sei dieser "unkorrigierbar der Überzeugung", dass "Personen aus dem Geschäftsfeld seiner früheren Ehefrau, diese selbst und nunmehr auch beliebige weitere Personen" in das "komplexe System der Schwarzgeldverschiebung verwickelt" seien. Zum Beispiel "auch" der Gutachter.

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