Nach Unterbringung in Psychiatrie:Schöffe kritisiert Mollath-Verfahren

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Die Justiz tat seine Erzählungen über Schwarzgeldgeschäfte als Hirngespinste ab, doch ein ehrenamtlicher Richter hält das Urteil zu Mollaths Unterbringung in der Psychiatrie für höchst angreifbar. Im Landtag verstärkt derweil die Opposition den Druck auf Justizministerin Merk.

Olaf Przybilla und Frank Müller

"Das grenzt an üble Nachrede, das grenzt an Verleumdung": Die bayerische Justizministerin Beate Merk (CSU) spricht im bayerischen Landtag über den Fall Mollath. (Foto: dapd)

Im Landtag verstärkt die Opposition den Druck auf die in der Mollath-Affäre belastete Justizministerin Beate Merk (CSU). Mit einem Dringlichkeitsantrag verlangen die Grünen Auskunft, wie die Staatsregierung künftig mit Hinweisen und Anzeigen bei Schwarzgeld- und Geldwäsche-Delikten umgehen will. Hintergrund ist das Verhalten der Behörden bei dem in der Psychiatrie einsitzenden Gustl Mollath, worüber das Landtagsplenum am Mittwochabend erstmals seit den jüngsten Enthüllungen in der Affäre debattierte.

Die Grünen hätten den Eindruck, dass das Thema Schwarzgeld in der Regierung nicht ernst genommen werde, sagte die Grünen-Abgeordnete Christine Stahl in einer phasenweise turbulenten Debatte. Justizministerin Beate Merk solle darlegen, warum die Justiz Mollaths Vorwürfen nicht nachgegangen sei. Stattdessen habe sich Merk auch in den letzten Tagen "geradezu bockig" gezeigt. Merk müsse aber zur Kenntnis nehmen, dass nach den Berichten in den Medien "nichts mehr so ist, wie es zuvor war". Stahl: "Haben Sie diesen Bericht eigentlich jemals selbst gelesen?"

Ähnlich äußerte sich die SPD-Abgeordnete Inge Aures. Merk habe dem Landtag den entscheidenden internen Bericht der HVB vorenthalten. Das sei "eine bittere Erkenntnis". Der Freie-Wähler-Abgeordnete Florian Streibl warf der Regierung vor, den Fall seit fast einem Jahrzehnt verschleppt zu haben. Merk habe den Landtag belogen, deswegen müsse sie zurücktreten. Streibl: "Das ist ein Skandal."

Fall Mollath als parteipolitisches Druckmittel?

Merk wehrte sich vehement gegen den Vorwurf der Lüge. "Ich muss schon sagen, es ist eine Unverschämtheit. Das grenzt an üble Nachrede, das grenzt an Verleumdung", sagte sie. Die Opposition benutze den Fall eines psychisch kranken Menschen für parteipolitische Zwecke. Gustl Mollath, 56, leide an einem verzerrten Wahrnehmungsbild und wahnhaften Störungen. Er sei nicht untergebracht wegen seiner Vorwürfe gegen die HVB, sondern "weil er für die Allgemeinheit gefährlich war und gefährlich ist".

Merk rechtfertigte auch, dass sie dem Landtag nicht die kompletten Informationen aus dem internen HVB-Prüfbericht zu dem Fall zugeleitet hatte. Dieser stützt die Vorwürfe Mollaths. Für Streibls Mutmaßungen gebe es aber keinen Beweis, sagte Merk, "weil es keinen einzigen Anhaltspunkt für Schwarzgeldverschiebungen gibt." Sprecher von FDP und CSU unterstützten Merk in der Debatte, sprachen sich aber ebenfalls für den geforderten Bericht aus.

Das Bundesverfassungsgericht prüft unterdessen eine Beschwerde gegen die Unterbringung Gustl Mollaths. Bereits im Januar hatte der Karlsruher Rechtsanwalt Michael Kleine-Cosack Verfassungsbeschwerde erhoben. Mollath habe noch vor Bekanntwerden des Revisionsberichts der HVB zahlreiche Hinweise geboten, "die belegen, dass seine angeblichen Wahnvorstellungen von Schwarzgeldverschiebungen der Hypo-Vereinsbank Nürnberg in Millionenhöhe sehr wohl Realitätsbezug aufweisen", heißt es zur Begründung der Verfassungsbeschwerde. Eine weitere Unterbringung Mollaths müsse als "eklatant unverhältnismäßig" angesehen werden.

Urteil "überaus angreifbar", sagt der damalige Schöffe

Am Mittwoch meldete sich in der Causa Heinz Westenrieder, 67, zu Wort. Westenrieder saß im Jahr 2006 im Verfahren gegen Mollath als Schöffe zu Gericht. Im Licht der neuen Erkenntnisse über den "Schwarzgeldkomplex" halte er das damals ergangene Urteil inzwischen für "überaus angreifbar", sagte der frühere Schöffe im SZ-Gespräch. Das Gericht hätte den diversen Schwarzgeldvorwürfen des Angeklagten Gustl Mollath damals "unbedingt nachgehen" müssen.

Es hätte auch einen "zweiten psychiatrischen Gutachter hinzuziehen" müssen. Mollath hatte sich vom Gutachter im Verfahren nicht explorieren lassen. Der ehemalige Schöffe Westenrieder sagte, das Gutachten sei deshalb "weitgehend nach Aktenlage" erstellt worden. Er habe es bereits damals als "schwaches Gutachten" eingeschätzt. Westenrieder, ein ehemaliger Klinikdirektor, gab an, als Schöffe an etwa 60 Verfahren beteiligt gewesen zu sein.

Einen so scharfen richterlichen Ton wie in dem Prozess gegen Mollath habe er allerdings nie vorher oder hinterher erlebt. Der Vorsitzende Richter habe den Angeklagten mehrfach zurecht gewiesen, er solle zu dem "Schwarzgeldkomplex" schweigen.

Der Schöffe habe sich entschieden, an die Öffentlichkeit zu gehen. "Nachdem das Verfahren öffentlich war, muss ich über das, was im Saal vorgegangen ist, nicht schweigen", sagte Westenrieder. Er habe kein schlechtes Gewissen wegen des damaligen Urteils. "Vor allem aber deshalb, weil ich mich nun dazu äußern will." Mollath war 2006 vom Landgericht Nürnberg vom Vorwurf der Körperverletzung freigesprochen und in eine Psychiatrie eingewiesen worden.

Der damalige Vorsitzende Richter, Otto Brixner, widerspricht dem Ex-Schöffen vehement. Auf SZ-Anfrage sagte er: "Was wir in dem Verfahren gemacht haben, daran gibt es aus meiner Sicht nichts zu ändern."

Der damalige Vorsitzende Richter, Otto Brixner, widerspricht dem ehemaligen Schöffen vehement. Auf SZ-Anfrage sagte er: "Was wir in dem Verfahren gemacht haben, daran gibt es aus meiner Sicht nichts zu ändern." Der Bundesgerichtshof habe das Urteil des Nürnberger Landgerichts aus dem Jahr bestätigt. In dem damaligen Verfahren vor dem Nürnberger Gericht sei es nicht um einen "Schwarzgeldkomplex" gegangen, wie es nun suggeriert werde, sondern um den Vorwurf der Körperverletzung. "Ich verstehe die Aufregung überhaupt nicht", sagte der seit vier Jahren pensionierte Richter. Er überlege sich, gegen den ehemaligen Schöffen Strafantrag zu stellen. Dieser, der ehemalige Schöffe, benutze offenbar "in der Öffentlichkeit Wissen, dass er nicht nur aus dem Gerichtssaal haben" könne. Am damaligen Verfahren sei "nichts zu beanstanden", sagt Brixner.

© SZ vom 15.11.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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