Eines hat sich geändert, seit dem letzten Anhörungstermin vor der Strafvollstreckungskammer Bayreuth: Gustl Mollath, 56, wird nicht mehr in Handschellen bei Gericht vorgeführt. Und noch etwas hat sich geändert, sehr sogar: Als er am Vormittag zum Gerichtssaal geleitet wird, empfangen ihn etliche Dutzend Journalisten. Fragen prasseln auf ihn ein, Mollath nimmt erst mal gemächlich seinen Hut ab und versucht möglichst umfassend zu antworten. Viel Zeit geben ihm die Justizangestellten allerdings nicht, im Saal soll es jetzt losgehen. Seit sieben Jahren sitzt Mollath in der Psychiatrie ein, einmal im Jahr muss gerichtlich überprüft werden, ob das noch notwendig ist. Ein Routinetermin also, eigentlich.
Wären da nicht die neuen Umstände in der Causa. Immerhin hat die Staatsanwaltschaft Regensburg inzwischen einen eigenen Antrag auf Wiederaufnahme der Verfahrens gestellt, und kaum ein Jurist will sich vorab festlegen, wie sich dieser Antrag nun auf dieses Routineverfahren in Bayreuth auswirkt.
Nur sind die beiden Verfahren in Regensburg und Bayreuth zumindest formal völlig unabhängig voneinander. Auch Mollath selbst ist skeptisch: Er verliere natürlich nie die Hoffnung, sagt er, dass sich "Wahrheit und Gerechtigkeit durchsetzt". Ob er Hoffnung habe, heute womöglich auf freien Fuß zu kommen? Mollath überlegt kurz und entscheidet sich für eine Ellipse als Antwort: "Ich habe Erfahrungen über mehrere Jahre mit diesem Gericht gemacht . . .", sagt er und lächelt.
Zu einer Freilassung ist es nie gekommen. Anhörungen, in denen es um die Überprüfung einer Unterbringung geht, sind grundsätzlich nicht öffentlich. Man kann sich trotzdem ein Bild machen, um was es geht in dieser Anhörung. Das wichtigste Dokument in diesem Verfahren stammt vom Bezirkskrankenhaus Bayreuth, von der Klinik also, in der Mollath unterbracht ist. Einmal pro Jahr schreibt die Klinik eine Stellungnahme, und im Kern kommt sie in der Sache Mollath immer zum selben Ergebnis: Man gehe weiter "in Übereinstimmung mit dem Anlassgutachten" von einer "wahnhaften Störung" Mollaths aus.
Gericht beruft sich auf Gutachten von 2005
Wichtig ist dabei der Verweis auf das Anlassgutachten: Es wurde 2005 vom selben Bayreuther Chefarzt erstellt, der jetzt auch die Stellungnahme aus dem März 2013 erstellt hat. Mollath hatte sich von diesem Arzt schon damals nicht untersuchen lassen. Mollath entziehe sich vollständig "therapeutischen Behandlungsangeboten", heißt es jetzt, was eine Einschätzung durch die Psychiater insofern erschwere, als diese dadurch "ausschließlich auf Verhaltensbeobachtungen und wenige getätigte Äußerungen Mollaths" angewiesen seien. Man weiß also wenig über Mollath in dieser Klinik. Geht also offenbar davon aus, das schon richtig sei, was man ihm in der Vergangenheit attestiert hat.
Die Nürnberger Staatsanwaltschaft reagiert auf diese weitgehende Übernahme bereits erstellter psychiatrischer Stellungnahmen aus Bayreuth so: Aus dieser neuen Stellungnahme ergebe sich, dass sich an Mollaths Zustand seit dem letzten Gutachten "nichts geändert" habe.
Fünf Seiten, keine Beweise
In der Anhörung habe sich Mollath erstaunt gezeigt. So berichtet es sein Anwalt Gerhard Strate. Obwohl er doch im Krankenhaus dem Personal gegenüber nahezu nichts von sich preisgebe, habe dieses doch immerhin eine psychiatrische Stellungnahme über fünf Seiten über ihn verfasst. Allerdings werde auf diesen fünf Seiten die Grundannahme - sein angeblicher Wahn nämlich - durch nichts belegt oder gar bewiesen. Die Klinik komme lediglich zum Ergebnis, dass der Sinn des Aufenthalts in der Psychiatrie "nicht in Ansätzen" erreicht sei.
Auch Strate wundert sich darüber. Und ist in der Anhörungspause nicht nur skeptisch, dass die Bayreuther Kammer zu einer schnellen Entscheidung kommt. Sondern auch, dass am Ende dieser Überprüfung die Freilassung steht.
Wilhelm Schlötterer, ehemaliger Chef der bayerischen Steuerfahnder und Buchautor, ist ebenfalls pessimistisch. Mollath hatte ihn als Vertrauensperson benannt, Schlötterer darf deswegen an der Anhörung teilnehmen. Was ihn besonders irritiert: Die Staatsanwaltschaft Regensburg hält inzwischen einen der Hauptgründe, warum Mollath 2006 ein Wahn attestiert worden war, für widerlegt.
In ihrem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens beschreibt sie, dass eine entscheidende Annahme des Landgerichts 2006 fehl ging. Das Gericht hatte damals unterstellt, Mollath beziehe beliebige Dritte in seinen angeblichen Schwarzgeld-Wahn ein. Als Beispiel nannte es genau eine Person. Dass die genannte Person tatsächlich als "beliebiger Dritter" gelten darf, hält die Regensburger Staatsanwaltschaft in ihrem Antrag für hinfällig.
Mollath trotzdem weiter in einer Psychiatrie gefangen zu halten, sei schon deshalb "nicht verhältnismäßig", sagt Schlötterer. Ist aber dennoch alles andere als zuversichtlich, was eine schnelle Freilassung Mollaths betrifft. Immerhin sieht die Staatsanwaltschaft Nürnberg, für die Strafvollstreckung zuständig, diese Verhältnismäßigkeit durchaus noch als gegeben an. Der Vorsitzende Richter der Vollstreckungskammer, Werner Kahler, vertagte die Entscheidung am Donnerstag auf unbestimmte Zeit. Mollath sagte nach der Verhandlung, Kahler habe sich ihm gegenüber "ordentlich verhalten".
CSU und FDP stimmen Untersuchungsausschuss zu
Unterdessen haben auch CSU und FDP im Landtag für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zum Fall Mollath gestimmt. Sie votierten am Donnerstag im Rechtsausschuss für den Antrag von SPD, Freien Wählern und Grünen - mit einigen kleinen Änderungen. An einigen Punkten im Fragenkatalog seien wertende Formulierungen herausgenommen worden, die die Antwort bereits vorweggenommen hätten, hieß es. Damit kann der Untersuchungsausschuss in der Plenarsitzung am kommenden Mittwoch formal eingesetzt werden.