Fall Mollath:Abgestempelt als "wahnhafte Störung"

Seit sechs Jahren sitzt Gustl Mollath in der Psychiatrie - und das, obwohl ein interner Bericht der Hypo-Vereinsbank seine Hinweise auf Schwarzgeldgeschäfte bestätigt hat. Justizministerin Merk behauptet, die Frage illegaler Finanztransaktionen habe für seine Einweisung keine entscheidende Rolle gespielt.

Olaf Przybilla und Uwe Ritzer, Bayreuth

Fall Mollath: Gustl Mollath sagt, er sei gesund, und will sich deshalb in der Psychiatrie auch nicht therapieren lassen.

Gustl Mollath sagt, er sei gesund, und will sich deshalb in der Psychiatrie auch nicht therapieren lassen.

(Foto: BR)

Seit sechs Jahren ist Gustl Mollath, 56, Insasse einer Psychiatrie. 2006 war er zwangseingewiesen worden, wegen Allgemeingefährlichkeit. Er soll seine frühere Frau geschlagen und gewürgt haben. Mollath hielt vor Gericht dagegen, es solle ihm etwas angehängt werden, weil er Schwarzgeldgeschäfte aufdecken wollte, in die seine Frau, eine frühere Vermögensberaterin der Hypo-Vereinsbank, verwickelt sei.

Zu Beginn der Woche ist ein interner Prüfbericht der Bank aus dem Jahr 2003 bekannt geworden, in dem festgestellt worden war, alle nachprüfbaren Behauptungen Mollaths hätten sich "als zutreffend herausgestellt". Die Justizministerin Beate Merk (CSU) stellte daraufhin fest, die Frage illegaler Finanztransaktionen habe für die Beurteilung Mollaths keine entscheidende Rolle gespielt.

Das ist nur die halbe Wahrheit, wenn überhaupt: Dokumenten zufolge, die der Süddeutschen Zeitung vorliegen, spielte die Annahme eines "Schwarzgeldkomplex" für Mollaths Einweisung nicht nur im Urteil des Landgerichts Nürnberg 2006 eine wichtige Rolle. Es ist vielmehr so, dass diese Frage auch in späteren richterlichen Entscheidungen - bis ins Jahr 2011 - eine zum Teil ganz erhebliche Rolle spielte.

2006 war Mollath vor Gericht attestiert worden, er habe "ein paranoides Gedankensystem" entwickelt: Er sei "unkorrigierbar der Überzeugung", Personen aus dem Geschäftsfeld seiner früheren Ehefrau - und diese selbst - seien in ein "System der Schwarzgeldverschiebung" verwickelt.

Im April 2011, fünf Jahre später also, schreibt das Bezirkskrankenhaus Bayreuth in einer Stellungnahme an die Strafvollstreckungskammer Bayreuth: Bei Mollath seien keine "wesentlichen Veränderungen" festzustellen. Er sei unverändert der Überzeugung, dass seine Unterbringung nicht gerechtfertigt "und er ein Opfer des Bankensystems" sei. Auch glaube er immer noch, dass "man ihn als unliebsamen Mitwisser aus dem Weg räumen wolle, da er Schwarzgeldverschiebungen, in die seine damalige Ehefrau verwickelt gewesen sei, aufdecken wollte". Es gelinge nicht, heißt es, in der Sache "in einen konstruktiven Dialog über therapeutische Zielsetzungen des Aufenthalts" zu kommen.

Wohlgemerkt: Diese Stellungnahme stammt aus dem Jahr 2011, fünf Jahre nach der Einweisung. Und acht Jahre, nachdem interne Prüfer der Hypo-Vereinsbank festgestellt hatten: Was die nachprüfbaren Behauptungen Mollaths angehe, so träfen diese zu. Die Bank hielt diesen Prüfbericht jedoch unter Verschluss.

Die Begründung fällt knapp aus

Im Beschluss der Strafvollstreckungskammer am Landgericht Bayreuth wird im Juni 2011 die Fortdauer der Unterbringung angeordnet. Die Begründung fällt knapp aus, sechs Seiten umfasst sie. Darin wird Bezug genommen auf das Urteil des Landgerichts Nürnberg, wo beschrieben worden sei, dass Mollath seit dem Jahr 2000 begonnen habe, "fixe Ideen zu entwickeln". Schließlich sei er davon überzeugt gewesen, dass seine Frau "bei einem 'riesigen' Schwarzgeschäft von Geldverschiebungen in die Schweiz" beteiligt sei.

Der damalige psychiatrische Gutachter - von dem sich Mollath nicht hatte explorieren lassen - sei zum Ergebnis gekommen, Mollath leide "unter einer paranoiden Wahnsymptomatik". In einem Gutachten des Jahres 2008 sei ein weiterer Gutachter - "wenn auch nur auf der Basis der Aktenlage", notiert das Gericht - zum Urteil gekommen, zu Recht sei eine "wahnhafte Störung" diagnostiziert worden.

Ein anderer Gutachter sei 2011 zum Ergebnis gekommen, Mollaths Gedanken "kreisten um einen fernen Punkt von Unrecht, das sich in der Welt ereigne und der den Kristallisationspunkt der wahnhaften Störung" darstelle. Therapeutische Ziele seien nicht erreicht, urteilt das Gericht, Mollath müsse weiter untergebracht werden.

Zwei Monate danach, im August 2011, bestätigt das Oberlandesgericht (OLG) Bamberg die Entscheidung, dieser Beschluss umfasst fünf Seiten. Es verweist auf die "überzeugende" Stellungnahme des Bezirkskrankenhaus in Bayreuth. Dort heiße es, Mollath sei unverändert der Überzeugung, er solle aus dem Weg geräumt werden, weil er "Schwarzgeldverschiebungen, in die seine damalige Ehefrau verwickelt gewesen sei, aufdecken wolle".

Einem "medikamentösen Behandlungsversuch" stehe Mollath - der sich für völlig gesund halte - "rigoros ablehnend gegenüber", heißt es im Beschluss des OLG.

Das wolle er "auch künftig so beibehalten", sagt Gustl Mollath auf SZ-Anfrage.

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