Im Fall Gustl Mollath gerät nun die Justizministerin Beate Merk (CSU) in Erklärungsnot. Der Süddeutschen Zeitung liegt ein interner Revisionsbericht der Hypo-Vereinsbank vor, der 2003 zu dem Ergebnis kam, dass "alle nachprüfbaren Behauptungen" von Mollath, was angebliche zweifelhafte Geschäfte der Hypo-Vereinsbank (HVB) angeht, zutreffend gewesen seien ( hier der SZ-Bericht).
Die Revisoren stellten auch mögliche strafrechtlich relevante Vorgänge wie Geldwäsche und Verstöße gegen das Wertpapierrecht fest. Die Nürnberger Staatsanwaltschaft hat aber keine Ermittlungen aufgenommen.
Im Rechtsausschuss des bayerischen Landtags und zuletzt in Pressemitteilungen hatte auch Justizministerin Merk die Vorwürfe als "abstrus" bezeichnet. In einer Pressemitteilung des bayerischen Justizministeriums vom 30. Oktober 2012 erklärte die Ministerin: "Ich habe auch dargelegt, dass die bankinternen Untersuchungen die Vorwürfe Mollaths gerade nicht bestätigt haben."
SPD, Freie Wähler und Grüne hatten Ende Oktober die Justizministerin hart attackiert: Sie habe im März im Landtag nicht umfassend über den Fall Mollath informiert. Die Freien Wähler sprechen bereits von einem "Justizskandal ungeheuren Ausmaßes" - und fordern einen Untersuchungsausschuss in der "Schwarzgeldaffäre Mollath". Dieser sollte nach der Auffassung des FW-Abgeordneten Florian Streibl aber nicht ausschließlich den Fall von Mollath zum Gegenstand haben - sondern solle sich auch "im Allgemeinen mit dem Thema Schwarzgeld und dem Umgang der Staatsregierung damit befassen".
Inzwischen fordert Streibl den Rücktritt von Merk: "Wir fühlen uns von der Ministerin schlicht und ergreifend belogen. Sie hat die Unwahrheit gesagt und hat nicht die vollen Tatsachen vorgelegt. Und die Konsequenz ist, dass eine solche Justizministerin für Bayern nicht tragbar ist und letztlich, wenn sie Anstand hätte, müsste sie jetzt ihren Hut nehmen." Die Forderung sei absurd, teilte das Justizministerium am Dienstag mit. Merk werde am Mittwoch im Landtag "ausführlich Stellung nehmen".
"Verjährt und daher nicht verfolgbar"
Auf SZ-Anfrage erklärte das Justizministerium, "selbstverständlich" habe sich Merk von der Staatsanwaltschaft "umfassend" über den Revisionsbericht der Bank informieren lassen. Der Bericht selbst sei der Ministerin jedoch nicht vorgelegt worden: "Dies ist auch korrekt, weil es nicht Aufgabe des Justizministeriums ist, anstelle der Staatsanwaltschaft einen Anfangsverdacht zu prüfen und das Ministerium der Staatsanwaltschaft keine Anweisungen erteilt."
Aus dem Bericht der Bank habe sich "nach Auffassung der Staatsanwaltschaft" kein Anfangsverdacht ergeben. Die im Bericht bestätigten Vorwürfe hätten "arbeitsrechtlich relevante Sachverhalte" betroffen. Soweit sich Hinweise auf strafrechtlich relevante Vorwürfe ergeben hätten, seien diese aus Sicht der Staatsanwaltschaft "verjährt und daher nicht verfolgbar" gewesen. Und hätten, so das Justizministerium, "nicht mit den Vorwürfen von Mollath" zusammengehangen.
Die erwähnte Verjährung scheint einen simplen Grund zu haben: Nach Angaben der Ministerin sei die Existenz des Revisionsberichts der Bank der Staatsanwaltschaft erst 2011 durch Medienberichte bekannt geworden. Erst da habe man den Prüfbericht angefordert, nachdem ihn die HVB Merk zufolge bis dahin nicht an die Staatsanwaltschaft geleitet hatte. Geprüft hatte die Bank aber bereits acht Jahre zuvor.
Inzwischen haben die Finanzbehörden Ermittlungen aufgenommen, jedoch - wie die Staatsanwaltschaft betont - ohne Auftrag der Anklagebehörde. Auch das verteidigt Merk: Sollten die Finanzbehörden nun "zu strafrechtlich relevanten Vorgängen kommen", stehe das mit der Bewertung der Staatsanwaltschaft nicht im Widerspruch: Finanzbehörden könnten auch ohne Anfangsverdacht ermitteln.
Im September 2003 hatte Gustl Mollath vor dem Landgericht Nürnberg einen Schnellhefter übergeben, der unter anderem seinen Schriftverkehr mit der HypoVereinsbank beinhaltete. Mollath beschuldigte darin seine Frau, eine HVB-Angestellte, in Schwarzgeldgeschäfte verwickelt zu sein. Mollath war wegen Misshandlung seiner früheren Frau angeklagt.
Ein Gutachter attestierte ihm ein paranoides Gedankensystem: Er bringe eine ganze Reihe von Personen und seine frühere Frau mit einem "komplexen System der Schwarzgeldverschiebung" in Verbindung. Mollaths Einweisung in die Psychiatrie wurde inzwischen von mehreren Gutachtern bestätigt.
"Unbillig und ungerecht"
Die Menschenrechtsbeauftragte der Landesärztekammer, Maria Fick, stellt seine Unterbringung allerdings vehement in Frage. In einem Schreiben an Merk kritisiert sie, die diversen psychiatrischen Gutachten, die über Mollath erstellt wurden, rechtfertigten nicht eine fast siebenjährige "Versorgung in der Forensik mit unbestimmter Dauer" ( PDF).
Eine anhaltende Gemeingefährlichkeit, so die Auffassung der Ärztin, habe "von verschiedenen Medizinern und Juristen" und auch von ihr selbst "nicht festgestellt" werden können. Wie mit Mollath umgegangen werde, erscheine ihr "unbillig und ungerecht". Man könne den Eindruck gewinnen, es solle "etwas nicht auf- und abgeklärt werden", und Mollath solle "aus der Öffentlichkeit auf unbestimmte Zeit verschwinden".
Im Laufe ihrer 30-jährigen Tätigkeit als Ärztin habe sie sich mit "den unmöglichsten Situationen konfrontiert" gesehen. Doch eine Situation wie diese sei ihr "noch nicht begegnet".