In Kafkas "Prozess" wird Josef K. am Morgen seines 30. Geburtstags verhaftet, er glaubt zunächst an einen Scherz. Denn diejenigen, die ihn da verhaften, können ihm leider nicht sagen, warum er eigentlich verhaftet wird.
Im Fall Mollath liegen die Dinge anders, natürlich. Nur: Wenn die Große Strafkammer eines Gerichts der Verteidigungsschrift eines Angeklagten allen Ernstes attestiert, diese stehe in keinerlei Zusammenhang mit den Anklagevorwürfen, ohne dass der Vorsitzende Richter diese Schrift jemals gelesen hat - dann ist das eben auch: kafkaesk.
Das Schlimmste aber an den Einlassungen bayerischer Juristen in der Sache Mollath ist die Unfähigkeit, eigene Fehler einzuräumen. Wer den Amtsrichter Armin Eberl und den Landrichter Otto Brixner im Untersuchungsausschuss erlebt hat, bekam nie den Eindruck, dass diese Juristen von irgendwelchen Selbstzweifeln angekränkelt sind.
Naheliegende Kritik parieren sie mit Hohn: Man hätte doch die Verteidigungsschrift lesen müssen, wird dem Richter Brixner vorgehalten. Die Abgeordneten wüssten doch gar nicht, was ein Richter alles zu tun habe, sagt dieser.
Vor die Frage gestellt, warum ein schlichter Prozess drei Jahre am Amtsgericht anhängig ist, reagiert Richter Eberl mit einer Suada über die Verhältnisse an einem bayerischen Amtsgericht: Mitarbeiter, die nicht Schreibmaschine schreiben können. Der Ersatz von krankem Personal eine Katastrophe. Die Arbeitsbelastung kaum zu ertragen. Eigene Fehler aber? Mitnichten.
Ein Problem für die Ministerin
So lächerlich, so blamabel diese Haltung sein mag: Diese Aussagen werfen ein bezeichnendes Licht auf die Verhältnisse an Bayerns Gerichten. Und so ist die Causa Mollath eben doch ein Problem für die zuständige Ministerin.
Die handwerklichen Fehler des Urteils, die längst nicht mehr zu bestreiten sind, hat Beate Merk mitnichten zu verantworten. Aber sie ist verantwortlich für die Zustände an Bayerns Gerichten. Und diese scheinen, zumindest nach den Aussagen dieser beiden Richter, offenbar einem Kafka-Roman nicht unähnlich zu sein.