Oberstaatsanwalt Wolfhard Meindl gilt in Regensburgs Justiz als einer, der sich nicht leicht beeindrucken lässt. Es war insofern keine Überraschung, dass der sturmerprobte Meindl beauftragt wurde, einen Wiederaufnahmeantrag in der Causa Gustl Mollath zu stellen, als das Justizministerium die Staatsanwaltschaft dazu anwies. Als Meindl kürzlich vor dem Untersuchungsausschuss aussagte, betonte er selbst seine Unabhängigkeit. Er würde den Mund schon aufmachen, bekäme er Anweisungen, die er nicht verstünde, sagte er. Und: Er sei 56, habe nichts zu verlieren.
Dass auch er nicht unbeeindruckt von etwaigen Einflussnahmen zu sein scheint, deutete sich im Ausschuss aber auch an. Ob Regensburgs Staatsanwaltschaft im Februar ein Maulkorb verpasst worden sei, wollte die Landtagsabgeordnete Inge Aures (SPD) wissen. Immerhin habe plötzlich nur noch die Nürnberger Generalstaatsanwaltschaft über den Fall Auskunft geben dürfen. Meindl bestritt dies: Es habe keinen Maulkorb gegeben. Vielmehr sei er es selbst gewesen, der darum gebeten habe, von der Pressearbeit befreit zu werden.
Wer Meindl nach der Sitzung fragte, ob es - hätte es sich wirklich so zugetragen - nicht ein Leichtes gewesen wäre, auf Presseanfragen exakt dies zu antworten, bekam zu hören: "Stimmt, wir haben das so nicht kommuniziert." Stattdessen, auch das bestätigte er, habe seine Behörde bekundet: "Rückschlüsse" aus der Tatsache, dass Regensburg künftig schweige, müssten Journalisten "selbst ziehen". Warum diese Auskunft? Meindl lächelt und schweigt.
Von fünf Rechtsbeugungen zu keinem Nachweis
In derselben Sitzung beteuerte Meindl, der Nürnberger Richter Otto Brixner habe im Fall Mollath zwar "prozessuale Normen nicht ganz richtig beachtet", eine Rechtsbeugung sei aber nicht nachzuweisen. Das hatte der Staatsanwalt schon mal ganz anders gesehen. In einem Entwurf des Wiederaufnahmeantrags, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt, führte Meindl auf 54 Seiten insgesamt fünf Rechtsbeugungen Brixners auf - und ließ keinen Zweifel daran, dass er von diesen überzeugt sei.
So sei Mollath der Unterbringungsbefehl nicht in der maßgeblichen Frist eröffnet worden. Meindl fährt schwere Geschütze auf: Die zugrunde liegenden Regelungen seien "juristisches Allgemeingut", "jeder Dienstanfänger" kenne sie. Brixner habe offenbar "keinerlei Interesse an einem prozessordnungsgemäßen Ablauf des Anhörungsverfahrens" gezeigt: "Die von ihm gewählte Vorgehensweise erfüllt den Straftatbestand der Rechtsbeugung."
Auch wie Brixners Kammer mit Beschwerden Mollaths umging, erfülle einen Straftatbestand: Brixners Verhalten, Eingaben nicht weiterzuleiten, habe dazu gedient, "sein eigenes rechtsbeugendes Vorverhalten zu 'verdunkeln'". Ebenfalls rechtsbeugend sei Brixner mit einem im April 2006 - also noch vor der Verhandlung am Landgericht - von Mollath gestellten Antrag auf Entlassung aus der Psychiatrie umgegangen sowie mit weiteren Beschwerden.
Auch habe Mollath fünf "schlüssige" Argumente angeführt, einen anderen Pflichtverteidiger zugeteilt zu bekommen. Dies habe Brixner nicht zugelassen: Die "Verweigerung eines effektiven Rechtsschutz" sei als "bewusste und willkürliche Benachteiligung" Mollaths zu werten. Und somit als Rechtsbeugung.
Kein Verweis mehr auf Justizbeamte
Nichts mehr davon findet sich im inzwischen eingereichten Antrag der Staatsanwaltschaft. Darin werden ausschließlich Gründe für eine Wiederaufnahme angeführt, die nichts mit unmittelbarem Fehlverhalten von Justizbeamten zu tun haben. Zur Begründung hatte Meindl vor dem Ausschuss ausgesagt: Mancher Entwurf sei noch vor der Vernehmung Brixners entstanden. Auch habe man sich vor Einreichung des Antrags mit der vorgesetzten Generalstaatsanwaltschaft in Nürnberg ausgetauscht.
Eine Rechtsbeugung Brixners halte er zwar weiter für möglich, habe sie im Antrag aber nicht behaupten wollen. Justizministerin Beate Merk (CSU) hatte am Freitag betont, für den Inhalt des Antrags sei allein die Staatsanwaltschaft zuständig gewesen.