Am 23. September 2004 richtete Gustl Mollath einen Brief an Hasso Nerlich, den damaligen Amtsgerichtspräsidenten von Nürnberg. Es war eines von vielen Schreiben, mit denen sich Mollath in dieser Zeit erfolglos an die Justiz in Nürnberg wandte - und der Tenor war immer derselbe: Mollath versuchte, auf dunkle Geschäfte seiner Frau, damals Vermögensberaterin bei der Hypo-Vereinsbank, hinzuweisen.
Dass Mollaths Vorwürfe im Kern stimmten, ist inzwischen bekannt - acht Jahre danach. Liest man heute seine Schreiben, fällt auf, wie der Ton immer verzweifelter wird, aber auch immer konfuser. Hektisch hingeworfen wirken diese Briefe, wie in Panik geschrieben.
Im Brief an den Gerichtspräsidenten Nerlich schreibt Mollath, er habe ihm etliche Anzeigen übermittelt. Habe aber, auch sechs Wochen danach, noch kein Wort darüber gehört, wie damit verfahren werde. Vier Seiten umfasst der Brief, er wirkt wie ein Aufschrei. "Ich bestehe weiterhin auf Gerechtigkeit, auch wenn es meinen Kopf kosten sollte", schreibt Mollath. Und dass ihn seine Frau "mit ihren Schwarzgeldverschieberfreunden perfide fertigmachen" wolle. Er fragt, warum Nürnbergs Justiz Anzeigen von ihm einfach ignoriere. Und endet mit der dringenden Bitte an Nerlich, "dass meine Fragen ordentlich, schriftlich beantwortet werden". Erfolglos.
Nun ist Hasso Nerlich wieder mit der Causa befasst. Sehr eng sogar: Denn letzte Woche hat Nerlich der Staatsanwaltschaft Regensburg untersagt, weiter über den dort derzeit entstehenden Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens Auskunft zu geben. Auskünfte erteile künftig nur noch er selbst, betont Nerlich. Formal darf er das, denn Nerlich ist nicht mehr Amtsgerichtspräsident, sondern Generalstaatsanwalt in Nürnberg. Und damit Dienstherr der Regensburger Staatsanwaltschaft.
Rückschlüsse? Bitte selber ziehen.
Höchst ungewöhnlich ist der Vorgang freilich schon. Denn mit der Pressearbeit sind bei der Anklagebehörde in Regensburg normalerweise gleich zwei Staatsanwälte betraut. Beide, so wird aus mehreren Quellen bestätigt, arbeiten mit Akribie an einem eigenen Wiederaufnahme-Antrag der Staatsanwaltschaft. "Wir dürfen dazu nichts mehr sagen", sagt einer der beiden, Staatsanwalt Markus Pfaller. Rückschlüsse? "Müssen Sie selber ziehen", sagt er.
Soll da die Deutungshoheit über den Fall nach Nürnberg zurückgeholt werden - ausgerechnet dorthin, wo Mollath 2006 in einem fragwürdigen Verfahren verurteilt wurde? Ist gerade Nerlich, an den sich Mollath zwei Mal erfolglos wandte, der richtige Mann dafür? Muss Nerlichs Anweisung nicht als "Maulkorb" verstanden werden? Und war es nicht eben jener Nerlich, der das Handeln der Nürnberger Justiz stets kompromisslos verteidigte - an der Seite von Justizministerin Beate Merk (CSU)?
Nerlich selbst kann nichts Anstößiges finden: "Der Generalstaatsanwalt Nürnberg ist die vorgesetzte Dienststelle der Staatsanwaltschaft Regensburg." Was ungewöhnlich daran sein soll, dass er nun die Pressearbeit an sich gezogen habe, könne er "nicht nachvollziehen".
Soweit ihm erinnerlich, habe er Mollaths Briefe damals "ohne weitere Prüfung an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet". Im Übrigen werde im Moment lediglich geprüft, ob die Staatsanwaltschaft tatsächlich einen eigenen Antrag auf Wiederaufnahme stelle.
Nur geprüft? Rudert der Generalstaatsanwalt schon zurück? Mollaths Anwalt Gerhard Strate reagiert irritiert: Ihm sei stets der Eindruck vermittelt worden, Regensburgs Staatsanwaltschaft werde "auf jeden Fall einen Antrag einreichen". Auf wichtige Details habe er in seinem Antrag deshalb verzichtet - um Doppelungen zu vermeiden. Würde die Staatsanwaltschaft nun doch keinen Antrag einreichen, wäre "mein Antrag automatisch unvollständig", sagt er