Untersuchungsausschuss im Fall Mollath:Wenn der Herr Staatsanwalt erzählt

Über Nacht musste Wolfhard Meindl zum Experten für die Causa Mollath werden. Der Oberstaatsanwalt sollte einen Grund für die Wiederaufnahme des Verfahrens suchen - im Untersuchungsausschuss des Landtags präsentiert er gleich mehrere. Auch bei Generalstaatsanwalt Hasso Nerlich kommt das Urteil aus dem Jahr 2006 nicht gut weg.

Von Olaf Przybilla

Es gibt viele Juristen in der Causa Gustl Mollath, die die bayerische Justiz in einem merkwürdigen Licht erscheinen lassen. Wolfhard Meindl gehört nicht dazu, ganz im Gegenteil. Meindl ist Oberstaatsanwalt in Regensburg und, sozusagen im Nebenberuf, auch der Sprecher dieser Behörde. Ende November letzten Jahres, so erzählt er im Untersuchungsausschuss, saß er mit dem Leitenden Oberstaatsanwalt aus Regensburg zusammen. Von der Sache Mollath hatte er erstmals einen Monat zuvor erfahren, aus der Zeitung, nun gab es eine schriftliche Anweisung, sich um die Wiederaufnahme des Verfahrens zu kümmern. "Absolutes Neuland", sagt der Oberstaatsanwalt.

Und nicht nur für ihn: ein Wiederaufnahmeantrag einer Staatsanwaltschaft sei seiner Ansicht überhaupt ein Novum. Wie man so was handhabt, Meindl gibt das gerne zu, das sei nicht eben sein Spezialgebiet. Man macht das ja sonst nicht. Und im November fragte also sein Chef, er duzt sich mit diesem: "Wolfhard, hast Du am Wochenende schon was vor?" Meindl hatte was vor, es war ja immerhin der 1. Advent. Aber nach diesem Gespräch war er zuständig für die Causa Mollath.

Gustl Mollath

Gustl Mollath auf dem Weg zu seiner Anhörung im Landgericht Bayreuth am 18. April

(Foto: dpa)

Drei valide Gründe für die Wiederaufnahme

Meindl, so fasst das der Abgeordnete Florian Streibl (FW) zusammen, sollte also "Rechtsgeschichte schreiben", über Weihnachten. Am Heiligen Abend hat sich Meindl dann mal nicht mit dem Fall Mollath beschäftigt, sonst aber schon, den Urlaub hat er storniert. Immerhin, sagt Meindl, inzwischen hatte er die richtigen Akten, zuvor musste er "Mollath" googeln oder Zeitung lesen. Am Ende fand er drei valide Gründe für die Wiederaufnahme.

Es gab eine unechte Urkunde, "das steht fest", sagt Meindl: das Attest, das nicht von der Ärztin stammt, die im Urteil steht. Es gibt eine Zeugenaussage, die geeignet ist, das Urteil in Frage zu stellen - weil sie die Glaubwürdigkeit der früheren Frau Mollaths in Zweifel zieht. Und es gibt einen Gutachter, der bezeugt, er könne sich gut vorstellen, warum ihn Mollath aus subjektiver Sicht in "Schwarzgeldkreise" eingegliedert habe. Im Urteil war der von Mollath verdächtigte Gutachter aber als Beleg für dessen angeblichen Schwarzgeldwahn genannt worden, den er willkürlich auf Dritte übertrage. "Aus der Zeitung" habe er von dem Gutachter erfahren, sagt Meindl.

Dass "prozessuale Normen" nicht beachtet wurden von Otto Brixner, dem Vorsitzenden Richter der Kammer, die Mollath 2006 in die Psychiatrie eingewiesen hat - auch das steht für Meindl fest. Ob es sich auch um Rechtsbeugung handelt? Man bräuchte ein rechtskräftiges Urteil, um das so behaupten zu können, sagt er. In einem Fall hält Meindl es für möglich.

"Herzblut" für den Wiederaufnahmeantrag verwendet

Es aber in einem Wiederaufnahmeantrag zu behaupten, das war ihm "nicht seriös" genug. Im Übrigen: Er habe "Herzblut" auf diesen Antrag verwendet, "Schaumschlägerei" wollte er nicht. Wochenenden und Abende habe er geopfert. "Ich habe dummerweise niemanden in Bayern gefunden, der so was schon mal gemacht hat," sagt Meindl. Einflussnahmen, einen Maulkorb von irgend woher? Habe es nicht gegeben. Er würde seinen Mund schon aufmachen, wenn er Anweisungen bekäme, die er nicht nachvollziehen könne, "das können Sie mir glauben". Er sei jetzt 56. Und er habe "nichts zu verlieren".

Mollath-Untersuchungsausschuss

Generalstaatsanwalt Hasso Nerlich (li.) unterhält sich mit dem Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses Florian Herrmann (CSU).

(Foto: dpa)

Nürnbergs Generalstaatsanwalt Hasso Nerlich schildert, wie das ging mit dem Wiederaufnahmeantrag. Aus dem Ministerium sei er im November darauf hingewiesen worden, man müsse so einen Antrag nicht nur prüfen. Man müsse diesen nun stellen. Das wolle er schriftlich, sagte der Generalstaatsanwalt. Das bekam er. "Erstmals in meinem Leben", sagt Nerlich.

Ob es Fehler gab im Urteil 2006? Nerlich sagt im Ausschuss, er habe mal was von "Schludrigkeiten" gelesen. So würde er aber höchstens einen Fehler aus dem Urteil bezeichnen. Die anderen nicht. Was er nicht sagt, aber was Nerlich damit meint, wird klar. Die anderen Fehler sind viel schlimmer als nur schludrig. Steht er denn nun hinter dem Wiederaufnahme-Antrag des Regensburger Oberstaatsanwalt Meindl? "Wenn ich nicht dahinter stehen würde, hätte ich meinen Beruf verfehlt", sagt Nerlich.

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