5G-Ausbau in Deutschland:Warum Huawei die Politik so sehr spaltet

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Der Mobilfunkanbieter Vodafone hat vor einem Jahr damit begonnen, die ersten 5G-Sender in Köln Deutz zu montieren. (Foto: Kloubert/dpa)

Bundesregierung und Parlament streiten über den richtigen Umgang mit Huawei. Die EU-Kommission gibt nun Empfehlungen und die Briten preschen vor. Es sieht gut aus für den umstrittenen Konzern.

Von Björn Finke, Brüssel, Georg Mascolo, Berlin, und Alexander Mühlauer, London, Berlin/Brüssel/London

Wenn es darum geht, seine politischen Ziele in aller Welt durchzusetzen, verlässt sich US-Präsident Donald Trump in letzter Zeit vor allem auf einen Mann: Robert O'Brien. Der frühere Sondergesandte für Geiselnahmen ist inzwischen Trumps vierter Nationaler Sicherheitsberater. Ganz oben in dessen Pflichtenheft steht es, die Europäer davon zu überzeugen, den chinesischen Telekommunikations-Ausrüster Huawei beim Aufbau des schnellen 5G-Mobilfunknetzes draußen zu halten. Den Briten richtete O'Brien aus, es sei "schockierend", dass sie dessen Beteiligung überhaupt in Betracht zögen: "Sie werden einfach nationale Geheimnisse stehlen." Der Konzern bestreitet hingegen vehement, mit chinesischen Geheimdiensten zusammenzuarbeiten.

Auch für die Bundesregierung in Berlin hat er eine Nachricht parat: "Die deutschen Eliten mögen einen Deal mit China oder Huawei machen wollen, aber die deutsche Bevölkerung beginnt, dagegen zu rebellieren." Denn Huawei hereinzulassen bedeute "die totale Aufgabe der Privatsphäre aller deutschen Bürger". Doch in dieser Woche müssen O'Brien und sein Präsident erkennen, dass aller Druck vergebens war; einen kompletten Bann von Huawei innerhalb Europas wird es nicht geben. Die britische Regierung entschied, den Konzern am Ausbau zu beteiligen, wenn auch nicht im besonders sensiblen Kernnetz und nicht in der Nähe von Militärbasen oder Kernkraftwerken. In Brüssel stellte die EU-Kommission am Mittwoch Sicherheitsempfehlungen für den 5G-Ausbau vor. Auch die dürften die USA enttäuschen.

5G
:US-Geheimdienste warnen Bundesregierung vor Huawei

Die USA hätten eine "smoking gun" in Berlin präsentiert: Für das Auswärtige Amt ist der 5G-Ausrüster Huawei nicht vertrauenswürdig.

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Dieser sogenannte Werkzeugkasten rät den Mitgliedstaaten unter anderem, zu prüfen, wie vertrauenswürdig Ausrüster sind. Bereits im Oktober hatte die EU gewarnt, dass Hersteller aus undemokratischen Ländern unter Druck ihrer Regierung geraten könnten. Die Furcht: Ihre Bauteile oder Software könnten dann etwa für Spionage oder Sabotage genutzt werden. Das spiegelt die Bedenken der USA gegen Huawei, ohne den Konzern beim Namen zu nennen. Der Werkzeugkasten legt den Regierungen nahe, Anbieter, die als riskant gelten, von sensiblen Bereichen auszuschließen - so wie es die Briten taten.

Bauteile und Software könnte für Spionage und Sabotage nützlich sein

Doch der zuständige Binnenmarkt-Kommissar Thierry Breton machte im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung zugleich klar, dass die Herkunft alleine für einen Bann nicht ausreiche: "Einige Anbieter werden sich ändern müssen, damit sie die Vorgaben erfüllen. Aber wir bannen niemanden nur wegen seines Namens oder seiner Nationalität."

Die EU-Kommission empfiehlt in ihrem Werkzeugkasten außerdem, die Sicherheitsanforderungen für Telekommunikationskonzerne zu verschärfen. So könnte man das Auslagern heikler Aufgaben verbieten. Breton warnte, dass Zulieferer und Dienstleister anderer Kontinente durch ihre Regierung gezwungen werden könnten, Daten europäischer Nutzer herauszugeben. Solche Gesetze existieren zum Beispiel in China und den USA. Der Franzose fordert daher, sensible Daten in Europa zu belassen. Daneben verlangt die Behörde, dass für alle Komponenten mehrere Zulieferer gesucht werden sollten - verschiedene Firmen aus verschiedenen Herkunftsländern, wie Breton ausführt. Stammt ein Anbieter aus China, sollte der zweite also besser aus Schweden oder Finnland kommen und Ericsson oder Nokia heißen.

Breton verspricht auch, dass die Kommission die hiesigen 5G-Ausrüster vor unfairer Konkurrenz aus dem Ausland schützen werde. Unfairer Wettbewerb durch Anbieter von anderen Kontinenten müsse verhindert werden, alle müssten sich an die gleichen Regeln halten: "Wir bevorzugen niemanden. Die einzigen, die wir bevorzugen, sind Firmen, die unsere Regeln respektieren", sagte der Kommissar, der bis Herbst Chef des IT-Konzerns Atos war.

Die Brüsseler Empfehlungen und die Londoner Entscheidung waren in den europäischen Hauptstädten sehnlich erwartet worden. Auch in Berlin. Dort will Kanzlerin Angela Merkel Huawei nicht ausschließen, hat dabei aber mit erheblichem Widerstand in ihrer eigenen Partei und selbst innerhalb der Bundesregierung zu kämpfen. Großbritanniens Weg könnte als Blaupause dienen. Hinter den Briten können sich nun auch alle anderen Europäer ganz gut verstecken, wenn es darum geht, mit der massivsten Drohung der USA umzugehen. Ganz unverhohlen ließ die US-Regierung den Verbündeten ausrichten, dass eine Beteiligung von Huawei zu einer empfindlichen Einschränkung beim Austausch von Geheimdienst-Informationen führen könne. Trumps Botschafter in Berlin schrieb gar einen entsprechenden Brief an Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU).

Die Briten aber sind die engsten Verbündeten der USA in ebendiesem Geschäft, als einzige Europäer sind sie Mitglied im exklusiven Klub der sogenannten "Five Eyes", einer auf den Zweiten Weltkrieg zurückgehenden weltumspannenden Abhörallianz. Beim Jahrestreffen der "Five Eyes" im Juli 2018 im kanadischen Halifax wurden die Grundzüge des Vorgehens gegen China und Huawei besprochen.

Washington ist sauer auf London und könnte künftig weniger Geheimdienst-Infos teilen

Doch nun scheren die Briten aus. In Washington ist der Ärger über London daher groß. Am Tag der Huawei-Entscheidung telefonierte Boris Johnson sogleich mit Donald Trump, um die Wogen zu glätten. Fürs Erste sah es so aus, als ob der britische Premier den Präsidenten zumindest ein wenig besänftigen konnte. So brachten hochrangige Beamte in Washington lediglich ihre "Enttäuschung" zum Ausdruck und fügten hinzu, dass sie sich darauf freuen würden, weiter mit Großbritannien zusammenzuarbeiten. Ganz so freundschaftlich lief der London-Besuch von US-Außenminister Mike Pompeo am Mittwoch allerdings nicht ab. Dem Vernehmen nach soll er klargemacht haben, dass die USA den Austausch von Geheimdienst-Informationen immer noch einschränken könnten.

Für Johnson war die Entscheidung nicht leicht. Er stand nicht nur unter massivem Druck der USA, auch innerhalb seiner Konservativen Partei gibt es noch immer erbitterten Widerstand gegen jegliche 5G-Beteiligung des chinesischen Konzerns. Dennoch wollte Downing Street wenige Tage vor dem Brexit mit dem Fall Huawei ein Zeichen der Unabhängigkeit setzen. Johnson zeigte damit der Welt, dass er nicht vor Trump einknickt - selbst wenn er befürchten muss, dass dies für die Diskussionen über ein Freihandelsabkommen mit den USA alles andere als hilfreich ist.

In London wird Huaweis 5G-Expertise vor allem als Grundlage für das gesehen, was nach dem Brexit kommen soll: Johnson will sein Land zu einer Art Technologie-Labor der Zukunft machen. Es soll Sondervisa für Wissenschaftler geben, insbesondere Mathematiker sind gesucht. Das Vereinigte Königreich soll ein Vorreiter bei künstlicher Intelligenz werden. Gesteuert wird der Traum eines fortschrittsgläubigen "Global Britain" von Johnsons Chefberater Dominic Cummings. Ihm wird nachgesagt, dass er ein 5G-Netz für weitaus bedeutender hält als etwaige Fleisch- oder Autodeals mit Trump oder Brüssel. Und dafür braucht es eben Huawei.

In der Bundesregierung wird die britische Entscheidung nun bis auf die Fußnoten herunter studiert. Vor allem in der CDU-Fraktion wird gerungen; ein Lager um den Vorsitzenden des Auswärtiges Ausschusses, Norbert Röttgen, und den Innenpolitiker Christoph Bernstiel will Huawei draußen halten. Das Unternehmen ist wichtigster Ausrüster für das bestehende 4G-Netz, soll aber beim Nachfolger nicht mitmischen. Unterstützt wird dieses Lager von BND und Verfassungsschutz, die ebenfalls vor nicht kalkulierbaren Risiken warnen.

Ein vertraulicher Vermerk des Außenministeriums gibt den Skeptikern Rückenwind: "Die Vertrauenswürdigkeit chinesischer Unternehmen ist im Zusammenhang mit den Sicherheitserfordernissen beim Aufbau von 5G-Netzen nicht gegeben", heißt es in dem Schreiben ("VS - Nur für den Dienstgebrauch") des Auswärtigen Amtes vom 24. Januar, das WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung vorliegt und über das zuerst das Handelsblatt berichtet hatte. Als Grund wird die Rechtslage in China angeführt. Demnach seien chinesische Unternehmen und Staatsbürger durch diverse Gesetze dazu verpflichtet, mit Chinas Sicherheitsbehörden zu kooperieren.

Vor allem der Außenminister drängt auf eine "politische Vertrauensprüfung"

Innerhalb der Regierung ist auch umstritten, wie neben einer technischen Überprüfung der Huawei-Produkte eine umfassende politische Prüfung des Herstellers und seines Heimatlandes aussehen könnte. Erste Skizzen schlagen ein Modell ähnlich dem Bundessicherheitsrat vor, in dem über Rüstungsexporte entschieden wird. Nur dass das Gremium in diesem Fall darüber befinden würde, was Konzerne wie die Deutsche Telekom für den Aufbau des 5G-Netzes importieren dürfen.

Vor allem Außenminister Heiko Maas (SPD) drängt auf diese Lösung, eine "politische Vertrauensprüfung" sehe er als "zwingend notwendig" an, heißt es. Andere europäische Regierungen schreiten hier voran: In Schweden sollen Militär und Geheimdienste ein Vetorecht gegen die Einfuhr von Telekommunikationstechnik erhalten, wenn sie Gefahren sehen. In Frankreich könnte die letzte Entscheidung beim Premierminister liegen.

Im Kanzleramt scheint man aber von solchen Ideen nicht viel zu halten. Denn man will alles tun, um die Chinesen nicht zu verärgern. Die drohen inzwischen unverhohlen mit wirtschaftlichen Strafmaßnahmen gegen die deutsche Industrie. Nach Meinung des Kanzleramtes soll das ganze Procedere daher unbedingt aussehen wie eine normale technische Prüfung und keinesfalls wie ein politisches Misstrauensvotum gegen den wichtigen Handelspartner.

Die New York Times merkte gerade spitz an, Merkel sei eingeklemmt zwischen ihren eigenen Geheimdiensten und der Autoindustrie. Inzwischen hat sich auch Innenminister Horst Seehofer (CSU) zu Wort gemeldet, dessen Ministerium bei Sicherheitsüberprüfungen federführend ist. Seehofer schlug sich auf Merkels Seite. "Ich bin dagegen, ein Produkt aus dem Markt zu nehmen, nur weil die Möglichkeit besteht, dass etwas passieren könnte", sagte er der FAZ. Ohne chinesische Anbieter würde sich der deutsche Netzausbau um fünf bis zehn Jahre verschieben - eine oft gehörte These, die aber im Umfeld der EU-Kommission als Blödsinn abgetan wird.

Die Bundesregierung erwägt auch andere Kompromisse: etwa Huawei zu drängen, Teile der Forschung und der Produktion nach Europa zu verlegen. Der Konzern hat bereits zu erkennen gegeben, dass er zu ziemlich vielen Kompromissen bereit sei, um in Europa und auf dem wichtigen deutschen Markt weiter im Geschäft zu bleiben. Genau danach sieht es derzeit aus. Es war keine schlechte Woche für Huawei.

© SZ vom 30.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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