Österreich:Sendungsbewusst ins Superwahljahr

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FPÖ-Chef Herbert Kickl beim Neujahrstreffen seiner Partei am Samstag in Premstätten. (Foto: ERWIN SCHERIAU/APA/picture alliance)

Die rechtspopulistische FPÖ liegt in Umfragen vorn, ihr Chef Herbert Kickl sieht sich schon als "Volkskanzler". Die Gegner der Partei suchen verzweifelt nach Rezepten, um sie noch zu schlagen.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Herbert Kickl kann beides: Oberlehrer und Volksheld. Zu Beginn eines Superwahljahres in Österreich, das einiges an Dramatik zu bieten haben dürfte, absolvierte der FPÖ-Chef zwei Auftritte in kurzer Folge: Er setzte sich, wie auch die Parteivorsitzenden von SPÖ und ÖVP, Andreas Babler und Kanzler Karl Nehammer, vergangene Woche in die Hauptnachrichtensendung des ORF, das ZiB2-Studio. Und dozierte dort wortreich und sendungsbewusst, wo seine Partei steht und was sie vorhat in einem Jahr mit Europa- und Nationalratswahl, zwei Landtags- und zahlreichen wichtigen Kommunalwahlen (Vorarlberg, Steiermark, Salzburg und Innsbruck).

Die kürzlich auf einem rechten Geheimtreffen von AfD und Identitären geforderte Ausweisung "nicht-assimilierter" Bürger unterstützte Kickl: Man werde eine neue Rechtslage herstellen, um eingebürgerten Migranten, die "unseren Staat bekämpfen" und "unsere Werte angreifen", die Staatsbürgerschaft wieder zu entziehen. Drei Tage später ließ sich der Rechtspopulist dafür - und für seinen unbestreitbaren politischen Erfolg - beim Neujahrstreffen der Partei in Premstätten bei Graz als "Volkskanzler" frenetisch feiern. Versprach, dass der "Wahnsinn" der Systemparteien bald ein Ende haben werde und die "Erlösung" in Sichtweite sei. Und forderte seine Gegner auf, doch gemeinsam gegen ihn anzutreten: "Liste Volksverrat würde gut passen."

Im Interview entzog sich Kickl jeder kritischen Frage

Derzeit steht die FPÖ in Umfragen bei bundesweit 30 Prozent und damit besser da als alle anderen Parteien; SPÖ und ÖVP schleppen sich, je nach Meinungsforschungsinstitut, mit einem Abstand von fünf bis zehn Prozent hinterher. Die Grünen, die mit der ÖVP im Bund regieren, und die NEOS, die ab Herbst gern in einer künftigen, bunten Koalition mitregieren würden, liegen jeweils um die zehn Prozent.

Weil Kickl sich Interviews mit dem, was er "System-Medien" nennt, üblicherweise verweigert und sich lieber in parteieigenen Social-Media-Kanälen und parteinahen TV-Sendern zeigt, war das TV-Gespräch mit Spannung erwartet worden. Doch der FPÖ-Mann entzog sich routiniert jeder kritischen Frage. Sprachliche Entlehnungen aus dem NS-Wortschatz oder Angriffe auf die Menschenrechtskonvention, wie er sie androhte, ist man zudem von der FPÖ gewohnt. Und auch die Diktion auf dem Neujahrstreffen, die jener des rechtsextremen Flügels in der AfD ähnelt, schockiert in Österreich nicht mehr sonderlich.

Während die SPÖ Kickl für einen Angriff auf Menschenrechte und Sozialstaat kritisierte und die ÖVP die FPÖ als "korrupte Partei" bezeichnete, stellte der prominente, liberale Kommentator, Ex-Heute-Chefredakteur Christian Nusser, sogar fest, Kickl sei dabei, "sanft in die Mitte zu rutschen". Und der Standard listete "sechs Stolpersteine" auf, mit denen die FPÖ noch zu schlagen sei. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Offiziell soll die Parlamentswahl im Herbst stattfinden, auch wenn das angesichts wachsender Spannung zwischen den Koalitionspartnern ÖVP und Grünen nicht in Stein gemeißelt ist. Die ÖVP geht mit Karl Nehammer, Ex-Generalsekretär und Ex-Innenminister unter Sebastian Kurz, als Bundeskanzler und Spitzenkandidat in das Wahljahr. Sein Themenspektrum mit Blick auf die Europawahl ist mit "Asyl, Migration und Außengrenzschutz" schnell beschrieben. Wie seine Partei in die für die Konservativen entscheidende Nationalratswahl gehen will, hatte Nehammer bereits in einer Rede zur "Zukunft der Nation" im vergangenen März skizziert; Ende Januar will er noch mal nachlegen.

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Die Partei, die seit dem Ibiza-Skandal mit Korruptionsvorwürfen kämpft und in eine ganze Reihe von Ermittlungsverfahren verwickelt ist, gibt sich dabei ein rechtskonservatives Image mit Fixpunkten wie Häuslebauern, Pendlern, Bauern, Sicherheit und Neutralität. Die Grenzen zur FPÖ sind fließend, Nehammer schließt auch eine Koalition auf Bundesebene mit der FPÖ nicht aus, mit denen seine Partei bereits in drei Bundesländern koaliert. Allerdings könne er sich, sagt er, eine solche Koalition nur ohne die Person Kickl vorstellen; der sei ein "Sicherheitsrisiko" für die Republik.

Nehammer könne sich eine Koalition mit der FPÖ vorstellen, sagt er - allerdings ohne Kickl

Kickl selbst geht allerdings - und die aktuellen Umfragen bestärken ihn darin - davon aus, dass er das wird, was in seiner Welt bereits als Faktum, nicht nur als Wille und Vorstellung gilt: Er will "Volkskanzler" werden, im Zweifel mit einer ÖVP als Partner. Auf dem Neujahrstreffen in der Steiermark leistete sich die FPÖ schon mal eine kleine, gemeine Provokation: Statt eines Presse-Schilds zur Identifikation sollten Journalisten einen Button mit dem Bild von Kickl und der Aufschrift "Volkskanzler" tragen.

Ob es zu einer FPÖ-geführten Regierung kommt, ist dennoch nicht ausgemacht. SPÖ-Chef Andreas Babler sagte am Samstag im SZ-Interview, die FPÖ sei mit einem Programm für "gute Sozialpolitik" und "sozialen Frieden" zu schlagen; die Österreicher seien des Geschreis und der Konfrontation müde. Kickl habe, nicht nur in Umfragen, seinen Zenit überschritten. Und der Grünen-Chef Werner Kogler wirbt, Medienberichten zufolge, gerade für eine bunte, größere Koalition der Anständigen, um die FPÖ zu verhindern. Selbst eine Neuauflage der großen Koalition zwischen den verfeindeten Ex-Partnern ÖVP und SPÖ wird nicht mehr ausgeschlossen.

Und dann wäre da auch noch Bundespräsident Alexander Van der Bellen, der angedeutet hat, der FPÖ nicht automatisch den Regierungsauftrag geben und Kickl nicht zwingend als Kanzler vereidigen zu wollen. In seiner Neujahrsrede hatte Van der Bellen appelliert, man solle mehr "miteinander als übereinander" reden. Die erste Chance dazu ist allerdings krachend gescheitert. Am vergangenen Donnerstag nahmen in ihren konstituierenden Sitzungen gleich zwei parlamentarische Untersuchungsausschüsse die Arbeit auf: SPÖ und FPÖ wollen die Bevorzugung "ÖVP-naher Milliardäre" qua "Zweiklassenverwaltung" untersuchen. Und die ÖVP möchte sich dem "Rot-Blauem Machtmissbrauch" von SPÖ und FPÖ widmen.Freundlichkeiten dürften bis zum Juli, wenn wegen des offiziellen Wahlkampfstarts die Ausschussarbeit enden muss, wohl keine ausgetauscht werden.

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