Überblick der Klassik-Festivals 2024 in Bayern:Die Klassik kommt in Festivalstimmung

Lesezeit: 7 Min.

Die "Nachtmusik" im Hofgarten der Residenz ist für Gäste des Würzburger Mozartfestes ein absolutes Muss. (Foto: Peter Schuhmann)

Ob im barocken Hofgarten der Würzburger Residenz, im Grand Hotel in Bad-Kissingen, im schmucken Spiegelsaal von Schloss Herrenchiemsee, auf dem Passauer Domplatz oder in einem Garmischer Berggasthof - wo man in Bayern große Stars der Klassik und spannende Konzerte hören kann. Ein Überblick der wichtigsten Events und Künstler.

Von und Rita Argauer und Jutta Czeguhn, Würzburg

Mozart lässt sich feiern

Mozart war nur einen Tag in Würzburg, auf dem Weg von Wien nach Frankfurt hat er dort am 28. September 1790 wohl einen sehr guten Kaffee getrunken (Im Brief an Frau Constanze vermerkt: "Zu Würzburg haben wir unsern theuern Magen mit Kaffee gestärkt, eine schöne prächtige Stadt."). Dass Würzburg seit 103 Jahren mit seinem Mozartfest eine anerkannte Landmarke in der weiten Mozart-Welt ist, hat längst nicht mehr nur mit der barocken Pracht zu tun, die wie geschaffen zu sein scheint für die Musik des Meisters. Vielmehr überrascht das Festival stets aufs Neue mit seiner klugen Programmatik und dem Mut, sich spannenden Diskursen zu Mozarts Werk zu öffnen.

In diesem Jahr begibt sich das Mozartfest tief in den Keller unserer Emotionen. "Der Seelenforscher Mozart" und seine Beschäftigung mit der Frage nach Schuld und Vergebung steht als Motto über dem vierwöchigen Festival (Start: 24.5.). Wie kaum einer vor und nach ihm hat Mozart mit seiner Musik die Abgründe menschlicher Gefühle ausgeleuchtet. Quasi exemplarisch steht hierfür die letzte der Da-Ponte-Opern, "Così fan tutte", die der Dirigent und Cembalist Christophe Rousset im berühmten Kaisersaal der Residenz mit seinem Orchester "Les Talens Lyriques" auf Originalinstrumenten zur Aufführung bringt. Sicher einer der Höhepunkte des Festivals, das auch Mozarts letztem Sakralwerk, dem "Requiem", einen Schwerpunkt widmet.

Rousset ist in diesem Jahr der Artiste étoile beim Mozartfest, "Sterne" früherer Ausgaben wie Ragna Schirmer, Jörg Widmann oder Ausnahme-Pianist Kit Armstrong kehren heuer für Konzerte nach Würzburg zurück. Wie immer sind da auch die spannenden Formate wie das MozartLabor; bespielt werden neben der Residenz auch Schlossgärten, Klöster, Kirchen und sogar ein Golfclub. Und am 25. Mai, dem "Mozarttag", gibt es in der Würzburger Innenstadt kein Entkommen. Mozart überall.

Mozartfest Würzburg, 24. Mai bis 23. Juni, Infos und Karten unter www.mozartfest.de

Schubert meets Nick Cave: Schauspieler Charly Hübner präsentiert beim Mozartfest in Augsburg eine ungewöhnliche "Winterreise". (Foto: Peter Hartwig)

Die Verbindung Augsburgs zum Hause Mozart geht bekanntlich über einen guten Nachmittagskaffee hinaus: Papa Leopold kam 1719 in der Fuggerstadt zur Welt. Weshalb man dort auch sein Geburtshaus besichtigen kann und alljährlich ebenfalls ein Mozartfest feiert (Start: 7. 6.). Wobei es eigentlich schon am 11. Mai losgeht mit einem Sonderkonzert mit Geigerin Julia Fischer und der berühmten Academy of St. Martin in the Fields. Im Juni dann konzertieren unter dem Motto "Ensemble!" (dt: gemeinsam) unter anderem Pianist Fazıl Say, Klarinettist Andreas Ottensamer, Cellistin Julia Hagen sowie Ensembles wie das Kammerorchester Basel, das Mozarteumorchester Salzburg und das Quatuor Ébène. Und Schauspieler Charly Hübner, der lässt am 16. Juni mit dem Ensemble Resonanz und einer Jazzband Schuberts "Winterreise" auf den australischen Punk-Lyriker Nick Cave treffen.

Mozartfest Augsburg, 11. Mai und 7. bis 16. Juni, Infos und Karten unter www.mozartstadt.de

Die Berliner kommen

Auf den Spuren der legendären Fritzi Massary: Dagmar Manzel (links) und Max Hopp (rechts) präsentieren die Operette "Eine Frau, die weiß, was sie will!", eine Produktion der Komischen Oper Berlin. (Foto: Iko Freese)

Während die Würzburger in diesem Jahr also tief gründeln, gibt sich das andere traditionsreiche internationale Klassikfestival in Unterfranken den Seligkeiten vergangener Zeiten hin. "Ich hab' noch einen Koffer in ..." heißt es, nach Marlene Dietrichs berühmtem Chanson, im Juni und Juli beim "Kissinger Sommer" (Start: 21. 6.). Im Unesco-Weltbad erinnert man sich musikalisch an jene Epoche, als die Berliner in Scharen vom Anhalter Bahnhof direktemang den Kurswagen Richtung Bad Kissingen nahmen, um dort Genesung zu finden. Oder abzuspecken wie Otto von Bismarck, der sich sogar auf einer Sessel-Waage öffentlich wiegen ließ.

Wie viele Kilos damals wohl gepurzelt sind: Auf dieser Waage ließ sich der Kissinger Kurgast Otto von Bismarck öffentlich wiegen. (Foto: Gerhard Nixdorf/Stadt Bad Kissingen/ Fotosammlung)

Die Bismarck-Hysterie dürfte auch in Bad Kissingen längst verflogen sein. Bei Musikfestival freut man sich auf andere "Berliner": Joana Mallwitz etwa kommt mit ihrem Konzerthausorchester, das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin ist unter Vladimir Jurowski zu hören, große Berliner Vocalensembles wie der Rundfunkchor und der RIAS Kammerchor reisen an. Und überhaupt nicht versäumen darf man die unvergleichliche Dagmar Manzel, die gemeinsam mit dem ebenfalls sehr verehrungswürdigen Max Hopp und dem Orchester der Komischen Oper Berlin Oscar Straus' Operettenschmuckstück "Eine Frau, die weiß, was sie will!" präsentieren; inszeniert hat Barrie Kosky.

Joana Mallwitz reist mit ihrem Konzerthausorchester zum Kissinger Sommer. (Foto: Sima Dehgani)

Aber natürlich gibt's in Bad Kissinger Klassik-Weltklasse auch ohne den Berlin-Touch, die Festivalmacher können beim Namedropping richtig klotzen: etwa mit Sir Simon Rattle, Grigory Sokolov, Jan Lisiecki, Julia Fischer oder Hélène Grimaud.

Kissinger Sommer, 21. Juni bis 21. Juli, Infos und Karten unter www.kissingersommer.de

Die Festival-Marathonläufer

In diesem Festival-Sommer viel in Bayern unterwegs: Kent Nagano, Generalmusikdirektor der Hamburger Staatsoper, ist unter anderem Schirmherr beim Herrenchiemsee-Festival. (Foto: Christian Charisius/dpa)

So ein Festivalsommer hat auch etwas von einem Klassik-Karussell. Wer also etwas herumkreiselt zwischen Inn und Main, wird nicht nur immer wieder auf gleichgesinnte Kulturgäste treffen, auch der eine oder andere Künstler gibt sich gleich mehrfach die Ehre. Dirigent Kent Nagano ist so ein Festival-Marathonläufer. So steht er etwa bei den Audi-Sommerkonzerten in Ingolstadt (22.6.-21.7) im Klenzepark am Pult, wo er zusammen mit dem Philharmonischen Staatsorchester Hamburg und Geigerin Veronika Eberle auftreten wird. Was Ingolstadt angeht, sollte man sich übrigens auch den 6. und 7. Juli im Kalender notieren, im Festsaal gibt es dort etwas Besonderes: Henry Purcells Oper "The Fairy Queen" mit Intermezzi zeitgenössischer Komponistinnen und der Berliner Breakdance-Truppe "Flying Steps".

Audi Sommerkonzerte, 22. Juni bis 21. Juli, Karten und Infos unter www.audi.de

Der schwedische Dirigent Herbert Blomstedt kommt zu den Europäischen Wochen nach Passau. Er tritt dort am 12. Juli auf, einen Tag nach seinem 97. Geburtstag. (Foto: via www.imago-images.de/imago images/SKATA)

Auch beim Drei-Länder-Festival, den Europäischen Wochen in Passau, ist Kent Nagano zugegen, allerdings erst bei einem Off-Season-Highlight im Herbst: am 27. Oktober dirigiert er im Passauer Dom das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, zu hören ist Verdis "Requiem" in einer Spitzenbesetzung mit Elina Garanča, Liudmyla Monastyrska, Franceso Meli und René Pape. Höhepunkte beim Festival im Sommer (27.6.-3.8.) sind in Passau das sinfonische Singspiel "Kriemhild" sowie Konzerte mit den Geigern Gidon Kremer und Daniel Hope, der Pianistin Ragna Schirmer, Tenor Michael Schade und Pultlegende Herbert Blomstedt, der einen Tag nach seinem 97. Geburtstag gemeinsam mit den Bamberger Symphonikern Bruckners Neunte im Dom präsentiert.

Europäische Wochen Passau, 27. Juni bis 3. August, Infos und Karten unter www.ew-passau.de

Klassik im herrschaftlichen Ambiente: der Spiegelsaal von Schloss Herrenchiemsee. (Foto: Herrenchiemsee Festspiele)

Auch die Herrenchiemsee Festspiele gedenken in diesem Jahr des 200. Geburtstages Anton Bruckners. Der Schirmherr der Festspiele, es ist kein anderer als Kent Nagano, erkundet das Werk des Sym­phonikers etwa in Form spannender Gegenüberstellungen mit Kompositionen von Schumann oder Wagner. Und weil das Festspielmotto nach Schlossvisionär Ludwig II. "Ein ewig Rätsel will ich bleiben" lautet, widmet man sich noch einem anderen Geheimnisvollen der Musik: Antonio Vivaldi. Und auch Mozart steuert ein schönes Rätsel bei, seine "Zauberflöte" gibt es als halbszenische Aufführung.

Herrenchiemsee Festspiele, 16. bis 28. Juli, Infos und Karten unter www.herrenchiemsee-festspiele.de

Oper mal anderswo

Große Oper im Chiemgau: Die Festspiele in Immling. (Foto: Immling Festival)

"Operngänger leben länger!" Als hätte man's nicht schon immer geahnt, kommt jetzt Bestätigung von wissenschaftlicher Seite. Ludwig Baumann und seine Frau, Cornelia von Kerssenbrock, die Macher des Immling Festivals, zitieren jedenfalls auf ihrer Website Studien des London University College, an die man gerne glauben möchte. In jedem Fall erscheint ein Besuch an diesem Opern-Hotspot im Chiemgau wieder höchst angeraten. In diesem Jahr steht dort unter anderem Verdis "Aida" (Premiere: 22.6.) auf dem Spielplan. Und dann ist da auch Gounods romantische Oper "Roméo et Juliette" (Premiere: 13. 7.) mit dem wundervollen Liebesduett am Schluss, weshalb Roméo übrigens, anders als bei Shakespeare, nicht schon tot sein kann, wenn Juliette noch mal erwacht.

Festspiele Immling, 22. Juni bis 18. August, Infos und Karten unter www.immling.de

Bekannt für seinen "Hummelflug": Der russische Komponist Nikolai Rimski-Korsakow schrieb auch Opern-Musik. (Foto: Bildfunk/dpa)

Ein wahrer Perlenfischer ist Hans-Christian Hauser, der künstlerische Leiter des Isny Opernfestivals. Für seine Opernprojekte sammelt er sich nicht nur jedes Jahr eine Schar begabter Studenten und Absolventen verschiedener Musikhochschulen zusammen, die er dann zu einem wunderbaren Ensemble formt; er hat auch eine Spürnase für ungewöhnlichen Opernstoff. Heuer bringt er "Die Mainacht" von Nikolai Rimski-Korsakow auf die Freilichtbühne im Schlosspark Isny (20. und 22. 6.). Wer dieses kaum aufgeführte romantische Opernmärchen auch in München erleben möchte, hat am 25. Juni im Innenhof der Glyptothek München noch einmal die Chance.

36. Isny Opernfestival, 16. bis 23. Juni, Infos unter www.isny.de

Eine Open-Air-Oper mit nicht alltäglichem Stoff gibt's auch im Schlosshof von Schloss Stein an der Traun. Dort gibt man am 20. und 21. Juli Glucks komische Oper "Der letzte Rausch" oder "Der bekehrte Trunkenbold". Die Aufführung ist Programmteil des "Musiksommers zwischen Inn und Salzach", der viele Entdeckungen bietet und Türen öffnet zu Orten wie dem Ahnensaal von Kloster Zangberg.

Musiksommer zwischen Inn und Salzach", bis 12. Oktober, Infos und Karten unter www.musiksommer.info

Alte Musik, ganz jung

Der Geiger Theotime de Langlois de Swarte gehört zu den Shootingstars der Alten Musik, jetzt ist er in Regensburg zu hören. (Foto: Marco Borggreve)

Junge Ensembles, voller Energie, mit lauter Musik, die man eigentlich noch nie gehört hat? Gibt es im örtlichen Jugendzentrum bei Punkkonzerten. Oder bei Festivals für Alte Musik. Denn die Originalklang- und Alte-Musik-Szene zeigt sich im Vergleich in der Klassik oft am experimentierfreudigsten und innovativsten. Das bestätigt auch Ludwig Hartmann, der nun schon seit 39 Jahren die Tage Alter Musik in Regensburg (Start: 17.5.) veranstaltet. Eines der schönsten Festivals in diesem Bereich. Alt ist eben hier überhaupt nicht das Gegenteil von neu. Denn gerade die Alten-Musik-Ensembles sind ausgesprochen offen für Musik, die eben seit wirklich langer Zeit nicht mehr aufgeführt wurde, die man wieder entdeckt, die keinen Wiedererkennungswert, aber dafür umso mehr Erkenntnisgewinn bereithält.

In diesem Jahr besonders: "Constantinople" mit Gesängen der italienischen Renaissance und des osmanischen Hofes, von Komponisten, da "haben wir keinen Dunst davon, dass es sie überhaupt gab", wie Hartmann es ausdrückt. Oder "Le Consort", ein junges Ensemble aus Frankreich, alle unter 30 mit viel Energie und Musik von Antonio Vivaldi und Giovanni Battista Reali. In Frankreich habe sich da in jüngster Zeit viel entwickelt, erklärt Hartmann, der natürlich auch viel herumreist und hört. Herausragend ist so auch das Barockorchester "Les Ombres", vor allem deren Konzertmeister Théotime de Langlois de Swarte, der als einer der Nachwuchsstars der Szene gilt. Und wem das alles zu neu und zu unbekannt ist, für den gibt es auch in Regensburg einen leichten Einstieg: Beethovens Klavierkonzerte Nr. 3 und 4, gespielt von Tomasz Ritter auf dem Hammerflügel und der Kölner Akademie. Klingt hier natürlich aber auch anders als gewohnt.

Tage Alter Musik Regensburg, 17. bis 20. Mai, Infos und Karten unter www.tagealtermusik-regensburg.de

Helden, Geister, Schwerenöter - ihnen kann man begegnen bei einem anderen Festival, das sich der Alten Musik widmet, den Landshuter Hofmusiktagen (2. - 9. 6.). Dort taucht man mit dem Wiener Countertenor Thomas Lichtenecker ein in die klangliche Welt der Kastraten, begegnet dem spanischen Komponisten Diego Ortiz, einem Heroen sakraler Musik der Renaissance, oder erlebt in der Eishalle 2 Orffs "Carmina Burana" von Landshutern für Landshuter.

Landshuter Hofmusiktage, 2. bis 9. Juni, Infos und Karten unten www.landshuter-hofmusiktage.de

Zum zweiten Mal erst finden die Festtage Alter Musik Füssen statt, wo man damit wirbt, eine der "Wiegen des europäischen Lautenbaus" zu sein. Unter dem Motto "Füssen ba-rockt!" sind 17 Konzerte und Veranstaltungen geboten, unter anderem Claudio Monteverdis "Marienvesper" (6.6.). Und auch der berühmte "Füssener Totentanz" in der St.-Anna-Kapelle des ehemaligen Benediktinerklosters Sankt Mang wird musikalisch lebendig.

Füssener Festtage Alter Musik, 5. bis 9. Juni, Infos und Karten unter www.fuessener-festtage-alter-musik.de

Der Alpensinfoniker

Richard Strauss (1864-1949) in seinem Arbeitszimmer in Garmisch. Er arbeitet hier gerade an seiner Oper 'Die schweigsame Frau'. (Foto: Scherl/SZ Photo)

"Elf Tage Musik inmitten der Bergwelt Südbayerns" heißt es bei den Richard-Strauss-Tagen 2024 in Garmisch-Partenkirchen, die in diesem Jahr im Zeichen des 75. Todestages des Komponisten der "Alpensinfonie" stehen. Angesagt beim Festival sind heuer Weltstars der Oper wie Camilla Nylund, Edda Moser, die einen Meisterkurs gibt, und der Bass Günther Groissböck. Der Hüttenabend des Österreichers am 10. Juni im Berggasthof Pflegersee mit Wiener Liedern und Schrammelmusik ist allerdings längst ausverkauft.

Richard-Strauss-Tage 2024, Garmisch-Partenkirchen, 1. bis 11. Juni, Infos und Karten unter www.richard-strauss-tage.de

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