Konzerte und Diskussionen: das Mozartfest:Einer für alle?

Lesezeit: 3 min

Traditionelles Format: Im prächtigen Ambiente des Kaisersaals war auch das Ensemble Resonanz zu erleben. (Foto: Beate Kröhnert)

Das Mozartfest Würzburg bietet viele ungewöhnliche Formate - und stellt auch grundsätzlich die Frage, wie man Klassik heute vermittelt.

Von Michael Stallknecht, Würzburg

"Probiert die Grenze zum Unverständlichen aus", sagt Ivan Turkalj. "Besser, es fällt alles auseinander, als nur auf Sicherheit zu gehen." Eine ungewöhnliche Aufforderung für klassische Musiker. Doch Turkalj sieht sich auch nur begrenzt als Klassiker, als Cellist gehört er zum "New Piano Trio", das die Komplexität klassischer Formen in den Sounds und Harmonien von Jazz und Pop weiterdenkt. Nun unterrichtet er erstmals beim "Mozartlabor" des Würzburger Mozartfests, in dem junge Preisträger des Bundeswettbewerbs "Jugend musiziert" neue Impulse für ihr Musizieren bekommen.

"Speculire - studiere - überlege" lautet, nach einem Briefzitat von Wolfgang Amadé Mozart, das Motto des Mozartfests in diesem Jahr. Beim Mozartlabor kommt es ganz zu sich selbst: In einer dreitägigen Klausur im Exerzitienhaus des Klosters Himmelspforten treffen Kulturmanager auf Musikwissenschaftler, junge Musiker und angehende Musikjournalisten auf Besucher des Mozartfests, um gemeinsam zu überlegen und zu studieren, wie es weitergeht mit der Klassik - das "Herzstück" des Mozartfests, wie Evelyn Meining im Gespräch sagt.

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Dabei könnte es sich die Intendantin deutlich leichter machen. Mit dem Kaisersaal der Würzburger Residenz verfügt sie über einen der schönsten (wenn auch leicht überakustischen) Konzertsäle Deutschlands. Bereits zur Halbzeit ist eine Auslastung von mindestens neunzig Prozent gesichert. Die Zugkraft des Namensgebers steht für Meining denn auch außer Frage: "Ausgangs- und Zielpunkt ist Mozart. Der Raum dazwischen ist unser Spielfeld."

Dieses Spielfeld aber weitet sie seit Jahren beständig aus. Mozart und andere Musiken kann man beim Mozartfest auch im Weinkeller, im Club oder einer "Rocklounge" hören, bei einem "Dating Concert" Gleichgesinnte beziehungsweise Gleichhörende über ein "Like" kennenlernen. Mit "M PopUp" bespielt Hanni Liang, Dozentin für Konzertdesign an der Münchner Musikhochschule, in diesem Jahr zum ersten Mal einen eigenen Raum in der Innenstadt, in dem eine diverse Stadtgesellschaft in unterschiedlichsten Formen mit Musik in Kontakt kommen kann. In die Region hinaus fährt der "Blaue Eumel", ein Musiklastwagen, auf dem sogar die Pianistin Ragna Schirmer zu hören ist. Wie die Artiste étoile des diesjährigen Mozartfests auch beim Mozartlabor ihre Erfahrungen an die jungen Preisträger weitergibt.

Für solche Initiativen hat die Kulturstiftung des Bundes das Mozartfest in ihr Programm "tuned - Netzwerk für zeitgenössische Klassik" aufgenommen. Mit dem Ziel, "das Konzert neu als sozialen Raum wahrzunehmen", wie es Julian Stahl, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Stiftung, im Mozartlabor formuliert. Wobei Stahl neue Formate nicht gegen alte ausspielen möchte, das prächtige Ambiente im Kaisersaal ebenso einen sozialen Raum bilden könne.

"Klassik für alle" - Evelyn Meining sieht die Forderung kritisch

Auch Evelyn Meining ist es wichtig, das Spielfeld unideologisch zu erweitern. Die zunehmende Forderung nach einer "Klassik für alle" sieht sie sogar ausgesprochen kritisch, wie sie bei einer Podiumsdiskussion verdeutlicht. Ständig möglichst niedrigschwellige Angebote zu unterbreiten, sei vor allem eine Forderung von Politikern. Oder, wie Mathias Wiedemann, Kulturredakteur der Main-Post, anfügt: "Ihr müsst schon nachweisen, dass ihr mit Mozart den Klimawandel stoppen könnt."

Möglicherweise sehen die politischen Akteure eine Möglichkeit, die Ausgaben für klassische Musik zu rechtfertigen, indem sie sich auf außermusikalische Güter berufen. Schließlich fordert niemand "Rock für alle" oder "Hip-Hop für alle". Für Meining ist die Forderung aber sogar unter finanziellen Aspekt windschief: Die Eigenwirtschaftsquote des Mozartfests, rechnet sie vor, liegt bei 75 Prozent, die traditionellen Konzerte tragen sich damit weitgehend selbst - wobei die hohe Umwegrentabilität für Stadt und Region Würzburg noch nicht eingerechnet ist. Steuergelder braucht sie vor allem für die ungewöhnlichen Formate, die sie aufwendig neu entwickelt und bei der sich niedrige Zugangsschwellen oft in niedrigen Eintrittspreisen spiegeln.

Für Meining versucht der politische Betrieb hier nur, jahrelange Fehler in der Bildungspolitik auf die Veranstalter abzuwälzen. Schließlich wird an vielen Schulen beim Musikunterricht nicht einmal mehr die vorgesehene Wochenstundenzahl erreicht. Klassische Konzerte, so die Intendantin, sollten dann plötzlich ausgleichen, was an musikalischer Bildung fehlt. Ihre eigene Planung ziele deshalb nicht darauf, "dass alles für alle geeignet" sei. Aber unter den 85 Veranstaltungen des diesjährigen Mozartfests, verspricht sie, sei "für jeden, der will, etwas dabei".

In einer ersten Fassung des Artikels wurden Evelyn Meining Aussagen zugeschrieben, die von anderen Podiumsteilnehmern getätigt wurden. Dies wurde geändert.

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