Kritik:Unfassbar souverän

Kritik: Herbert Blomstedt dirigiert die BR-Symphoniker.

Herbert Blomstedt dirigiert die BR-Symphoniker.

(Foto: Astrid Ackermann)

Herbert Blomstedt und das BR-Symphonieorchester im Herkulessaal.

Von Andreas Pernpeintner

Dass sich die Menschen im vollbesetzten Herkulessaal am Ende zu seinen Ehren erheben würden, ist im Grunde schon zu erwarten, als der 95-jährige Dirigent Herbert Blomstedt vom Geiger Leonidas Kavakos, dem Solisten des Abends, und von Hermann Menninghaus, Bratscher im BR-Symphonieorchester, aufs Podium geführt wird. Wenn ein solch zarter Herr die Herrschaft über ein solches Orchester übernimmt, erzeugt das eine Aura.

Für feinsinniges Musizieren ist Mendelssohns Violinkonzert ein treffliches Werk. Und tatsächlich fällt immer wieder auf, dass Kavakos und Blomstedt neben dem süßen Fluss in der Musik gerne auch Momente des ruhevollen Genusses suchen. Schön ist auch, wie sehr Kavakos in seiner ruhigen Spielhaltung Blomstedt zugewandt ist. Dennoch finden Solist und Orchester nicht immer ganz zusammen. Hier und da entsteht zwischendurch eine kleine Latenz. Der sanfte Puls des Mittelsatzes schlägt erst nach einiger Zeit koordiniert; sicherlich mögen die sehr knappen Angaben des sitzenden Blomstedt dazu beitragen. Und doch ist es eine gelungene Interpretation, die im sprühend bewegten Schlusssatz kulminiert. Wie glücklich Kavakos hinterher den Dirigenten herzt, ist schön anzuschauen.

Die zentralen Aussagen des Konzertabends werden diesmal aber nicht im Solokonzert getätigt. Nach der Pause kehrt das BR-Orchester mit Bruckners Vierter Symphonie (zweite Fassung) zurück. Man kennt diese Überwältigungsmusik in ihrer gesättigten Opulenz, in der sich klanglich Elementares zu hypnotischer Kraft verdichtet. Nach dem eröffnenden Hornruf dauert es nicht lange, bis die Blechbläser zur ersten Sturmflut blasen. Und Blomstedt ist inmitten der Brandung. Ihn zu sehen, wie er auf seinem Stuhl sitzt, vor sich eine kleinformatige Partitur im roten Ziereinband, die er aber nicht benötigt und gar nicht erst aufschlägt, und wie er ohne Dirigentenstab mit seinen kleinen Gesten das tosende, flüsternde, wogende Meer teilt, das ist von unfassbarer Souveränität.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: