Ausstellung in Augsburg:Im Namen des Vaters

Mozarthaus

Beschwerlich war das Reisen im 18. Jahrhundert: In der begehbaren Kutsche lässt sich das nachempfinden.

(Foto: Christian Menkel)

Das Leopold Mozart Haus in Augsburg lässt die Lebenswirklichkeit von Leopold Mozart und seinem berühmten Sohn spielerisch erfahrbar werden. Und ganz nebenbei bekommt man einen Einblick in große europäische Musikgeschichte.

Von Dirk Wagner, Augsburg

So richtig bequem ist die Kutsche nicht. Nicht auf Dauer, und erst recht nicht, wenn man mit einer kleinen Gruppe in ihr sitzt. Da kann selbst der Blick aus dem Fenster auf die vorbeiziehende Landschaft nicht von der Enge des Raums ablenken. Und doch reiste Leopold Mozart. Mitsamt seiner Familie und in einer ähnlichen Kutsche ganze dreieinhalb Jahre lang durch Europa. Über strapaziöse Wege, die im 18. Jahrhundert nichts mit den heute sauber gebahnten Straßen gemein hatten. Und mit Übernachtungen in Gaststätten, die nicht die heutigen hygienischen Standards erfüllten. Diese Reisekutsche hat der Restaurator Stefan Krause für das Leopold-Mozart-Haus in der Frauentorstraße 30 nach dem Vorbild der circa 270 Jahre alten "Berline" aus Wien nachgebildet. Sie ist eine der Attraktionen der neuen Dauerausstellung, die die Geschichte von Leopold Mozart und seinem berühmten Sohn Wolfgang Amadeus im Speziellen sowie die Musikgeschichte im Allgemeinen in ihren vielfältigen Facetten spürbar und erlebbar macht.

Die Lambacher Sinfonie traute man Leopold Mozart qualitativ nicht zu. Sie wurde seinem Sohn zugeschrieben

Darum dürfen die Museumsbesucher auch in jener Reisekutsche probesitzen. In einem anderen Raum dürfen sie selbst auf einer Geige spielen oder mit Klangwürfeln ihr Kompositionsgeschick prüfen. Und sobald die Pandemie es wieder zulässt, werden sie auch die ausgestellten Stoffproben anfassen dürfen, um den im 18. Jahrhundert üblichen Unterschied des rauen und kratzigen Stoffs der Handwerker zum feinen Tuch des Adels selbst zu ertasten. Damals regelte nämlich noch eine Polizeiordnung, welcher Stand welche Kleidung in der Stadt tragen durfte. Trotzdem besaß Leopold Mozart, der Sohn eines Buchbinders, auch vornehmere Anzüge, mit denen er sich am Hofe zu präsentieren wusste. Überhaupt verstand es Mozart senior sehr gut, Rollen zu spielen, um seine Ziele zu erreichen, sagt Simon Pickel vom Mozartbüro der Stadt Augsburg. Wie sehr Leopold, der selbst komponiert hatte, allerdings auch von seinem berühmten Sohn überschattet wurde, dafür steht auch, dass lange Zeit dessen Neue Lambacher Sinfonie wegen der Qualität als Komposition seines Sohnes ausgelegt wurde. 1769 hatte Leopold Mozart sie zusammen mit einer Sinfonie seines Sohnes dem Musik-begeisterten Abt von Lambach, Amandus Schickmayr, gewidmet. Dass viele von Leopold Mozarts Kompositionen verschollen sind, dafür hatte aber auch sein berühmter Sohn gesorgt, der die Partituren seines Vaters an eine Papiermühle verkauft hatte. Dabei sei das Verhältnis zwischen Vater und Sohn gar nicht so schlecht gewesen, wie es zum Beispiel Peter Shaffers Theaterstück und der darauf basierende Spielfilm "Amadeus" von Miloš Forman unterstellt, erklärt Pickel. Denn eigentlich habe der Vater den Sohn eben nicht wie ein Zirkuspferd durch die Manege getrieben. Vielmehr habe er eher auf dessen Allgemeinbildung besonderen Wert gelegt.

Andererseits belegt eine von Leopold Mozart in Auftrag gegebene Zeichnung für ein Konzertplakat, wie sehr er die Vermarktung seines Sohnes zu perfektionieren wusste. Das Bild zeigt ihn, den Vater, als Violinisten. Ihm zur Seite steht seine Tochter als Sängerin, gleichwohl auch sie eine Pianistin, und keine Sängerin war. Und im Vordergrund der Familiendarstellung sitzt Wolfgang Amadeus am Klavier, mit absichtlich kürzer gezeichneten Beinen. Damit erschien das Wunderkind auf den Plakaten noch kindlicher.

Mozarthaus

Geigen zum Ausprobieren...

(Foto: Simon Pickel)
Mozarthaus

.... und Mozart senior Köpfe als Andenken.

(Foto: Simon Pickel)

Zum 300. Geburtstag des am 14. November 1719 in jenem Augsburger Handwerkerhaus in der Frauentorstraße geborenen Leopold Mozart wollte man den auf seine Vaterrolle reduzierten Musiker endlich selbst in den Mittelpunkt der Ausstellung rücken. Selbstbewusst wurde darum auch das 1937 hier als Gedenkstätte eröffnete Mozarthaus in Leopold Mozart Haus umbenannt. Umbauten für die Neukonzeption des Museums entdeckten allerdings einen Wasserschaden, den es zu beheben galt. Auflagen aus dem Brandschutz forderten zudem den Anbau einer Fluchttreppe, und so endete die Neukonzeptionierung des Hauses schließlich in einer Kernsanierung. In Folge blieb das dreigeschössige Geburtshaus ausgerechnet während der Jubiläumsfeierlichkeiten zum 300. Geburtstag geschlossen. Kaum aber, dass 2020 mit einiger Verspätung Besucher die elf neuen Themenräume endlich erleben durften, forderten Corona-Maßnahmen schon eine Woche später die erneute Schließung des Hauses.

Bis auf Briefe und Urkunden ist wenig von Mozart senior überliefert

Mittlerweile ist es wieder geöffnet, so dass Besucher sich davon überzeugen können, wie raffiniert es im Museum gelingt, Leopold Mozart auch ohne Originalobjekte spannend darzustellen. Bis auf seine Briefe und einige Urkunden ist nämlich wenig von Mozart senior überliefert. Da bildet die Erstausgabe seines 1756 verfassten Buchs "Versuch einer gründlichen Violinschule" in der Augsburger Sammlung eine rühmliche Ausnahme. Eine Musikbibliothekarin aus Essen hat dieses Exemplar dem Augsburger Museum überlassen. In ihm sei auch ein Druckfehler, verrät Simon Pickel. Den habe Leopold Mozart selber korrigiert, indem er einen einzelnen Buchstaben mehrfach nachdruckte, um damit den falschen in der gesamten Erstausgabe zu überkleben.

Nun war Augsburg aber nicht nur die Geburtsstadt von Leopold Mozart, der sich seine Augsburger Bürgerrechte im Übrigen auch dann noch sicherte, als er längst schon als Kammerdiener, Violinist und Vizekapellmeister in Salzburg lebte. Zur selben Zeit erfand in Augsburg Johann Andreas Stein die Hammerklavier-Mechanik, die die bis dahin genutzte Cembalo-Zupf-Mechanik ablöste. Leopold Mozart selbst hatte von jenem Stein 1763 auch das Reiseklavier für die große Westeuropatour anfertigen lassen. So gesehen ist das Hammerklavier ohnehin ein wichtiges Objekt für das Museum. Hier können die Besucher aber auch die Klangentwicklung vom gezupften Cembalo über besagtes Hammerklavier bis zum modernen Konzertflügel nachvollziehen.

Insgesamt ist das Leopold Mozart Haus also ein spannendes Museum, das dienstags bis sonntags von 10 bis 17 Uhr neben Mozartbiografien auch Stadtgeschichte und vor allem Musikgeschichte sehr lebendig präsentiert. Wer sich auf einen Besuch vorbereiten mag, dem sei aktuell Bettina Winklers fünf-teilige Radiosendung "Leopold Mozart - Ein Mann mit vielen Talenten" in der ARD-Audiothek empfohlen: www.ardaudiothek.de/episode/musikstunde/leopold-mozart-ein-mann-mit-vielen-talenten-1-5/swr2/92313392.

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