Energiewende:Neuer Streit um die Windkraft in Bayern

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Die Einstellung der Menschen zu Windrädern ändert sich. Die meisten sehen ein, dass die Energiewende ohne die Anlagen nicht möglich ist. (Foto: Toni Heigl)

Der Bund will, dass 1,8 Prozent der bayerischen Landfläche bis 2032 für Windräder zur Verfügung stehen - sonst fällt die 10-H-Abstandsregel. Während es Energieminister Aiwanger locker nimmt, wüten sie bei der CSU schon über ein "Bürokratiemonster".

Von Johann Osel und Christian Sebald, München

Es ist ein guter Tag für Bernd Wust. Und zwar nicht nur, weil der Chef des bayerischen Windenergieverbands BWE gerade mit seiner Familie auf dem Weg in den Pfingsturlaub ist. Sondern weil am Mittwoch die Eckpunkte des Gesetzespakets bekannt wurden, mit denen die Bundesregierung den Ausbau der Windkraft endlich auch in Bayern forcieren will. "Die Bundesinitiative stimmt ziemlich genau mit unseren Forderungen überein", sagt Wust am Telefon und man kann ihm anhören, dass er sehr zufrieden ist. "Und sie ist so konzipiert, dass Bayern und die Staatsregierung in der Pflicht sind, zu liefern."

1,1 Prozent der Landesfläche Bayerns sollen nach Vorstellungen der Bundesregierung bis 2026 für die Windkraft zur Verfügung stehen. Bis 2032 soll der Anteil dann auf 1,8 Prozent steigen. Damit liegt die Bundesinitiative ziemlich genau bei den zwei Prozent der Landesfläche, die Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) seit Monaten von Bayern für Windräder einfordert, damit die Energiewende gelingen und die Klimaschutzziele erreicht werden können. Der BWE hat diese Forderung ebenfalls schon vor geraumer Zeit vorgebracht. Aktuell sind im Freistaat gerade mal 0,5 Prozent der Landesfläche für den Bau von Windrädern vorgesehen, nur auf 0,2 Prozent drehen sich welche.

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Aber es sind nicht alleine die neuen Vorgaben aus Berlin, die Wust gutheißt. Sondern es ist auch der Weg, wie die Bundesregierung den Ausbau der Windkraft anpackt. Dazu muss man wissen, dass Wust Jurist ist und in der Windkraft-Szene als ausgewiesener Spezialist für das Recht der erneuerbaren Energien gilt. Aus der Sicht des Juristen Wust also ist die Bundesinitiative politisch extrem geschickt. "Denn sie greift die 10-H-Regel nicht direkt an, die den Ausbau der Windkraft in Bayern bisher faktisch blockiert. Im Gegenteil, die Vorgabe kann sogar bestehen bleiben", sagt Wust. "Nur wenn die Staatsregierung und die Planungsbehörden die Flächenvorgaben nicht erfüllen, fällt 10 H." Dann nämlich soll nach Willen des Bundes statt 10 H das Baugesetzbuch und die Privilegierung der Windkraft dort greifen. Der Abstand zwischen neuen Windrädern und der nächsten Wohnsiedlung müsste dann in aller Regel auch in Bayern nur zwischen 750 und 800 Metern betragen.

Söder warnte vor einem "Spargel-Schock"

In der Staatsregierung ist das Echo geteilt. "Damit können wir umgehen", teilte Energieminister Hubert Aiwanger (FW) zur Debatte über den Entwurf mit. "Wir werden die Vorgaben des Bundes erfüllen können und genügend Fläche für die Windkraft ausweisen. Unsere ohnehin geplanten Lockerungen der 10-H-Regel bringen sogar mehr Potenzial für Windkraft, als es die Bundesvorgabe vorsieht." Dagegen sagte Bauminister Christian Bernreiter (CSU) auf SZ-Anfrage: "Der Gesetzentwurf in seiner aktuellen Form ist ein Bürokratiemonster und eine Mogelpackung." Landesrechtliche Regelungen würden "mit perfider Gesetzestechnik und brachialer Sanktionsmechanik ausgehöhlt", der Bund stelle "die Windkraft gegen die Menschen". Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte Mitte Mai Habeck vor "Durchregieren" gewarnt. Es drohe ein "Spargel-Schock" und "Unfrieden auf den Dörfern".

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Mindestens 800 Windräder will die Staatsregierung mit ihrer teils aufgeweichten Abstandsregel gleichwohl ermöglichen: Ein halbierter Abstand greift unter anderem in Wäldern, an Industriegebieten oder Autobahnen. Söder hatte sich im Mai zuversichtlich gezeigt, damit das Ziel von zwei Prozent der Landesfläche zu erreichen; ohne Angabe eines festen zeitlichen Rahmens allerdings.

Zustimmung zu Habecks Plan kommt erwartungsgemäß aus der eigenen Partei. "Die Initiative geht genau in die richtige Richtung", sagt der Chef der Landtagsgrünen, Ludwig Hartmann. "Er formuliert nicht nur endlich ein genaues Ziel für den Windkraftausbau in Bayern. Sondern auch ein Zwischenziel. Beides ist überfällig." Das Zwischenziel bis 2026 ist aus Hartmanns Sicht die Garantie dafür, dass die Staatsregierung die Planungen sofort einleiten muss. "Ein weiteres Verzögern und Verschieben auf spätere Jahre ist nun nicht mehr möglich." SPD-Fraktionschef Florian von Brunn hält die Berliner Vorlage für "natürlich besser als den Status quo", warnt aber davor, nur auf das Flächenziel zu setzen. Seine Befürchtung sei, dass das "wieder ein Ziel ist, das dann nicht erreicht wird".

Natur- und Vogelschützer sehen die Initiative zwiespältig. Zwar sieht zum Beispiel der Landesbund für Vogelschutz (LBV) den Ausbau der Windkraft als unerlässlich für die Energiewende an. Aber Aufweichungen des Naturschutzes will er nicht akzeptieren. "Nach unserem Wissensstand will der Bund nur 16 Vogelarten als windkraftsensibel einstufen und besondere Schutzregelungen für sie haben, darunter vor allem Greifvögel", sagt der oberste Artenschützer im LBV, Andreas von Lindeiner. "Nach unserer Überzeugung fallen aber bis zu 40 Vogelarten in diese Kategorie, darunter die Rauhfußhühner und die Wiesenbrüter." Der LBV fordert anstelle von 10 H die landesweite Ausweisung von Vorranggebieten für die Windkraft, die auch die Belange des Naturschutzes umfassen.

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