Kino:Wiederentdeckte Perspektive

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Marlene Dietrich strahlt divenhaft in "The Scarlett Empress". (Foto: Filmmuseum München)

In seiner neuen Spielzeit zeigt das Filmmuseum Werke im schmalen Academy-Format. Die Retrospektiven sind Josef von Sternberg, Doris Dörrie, Nicolas Philibert oder Ennio Morricone gewidmet.

Von Josef Grübl

Während rings um einen herum alle abspecken, sich in Askese üben oder einfach ein paar Urlaubspfunde loswerden wollen, legt das Filmmuseum ordentlich zu: Rekordverdächtige 106 Seiten dick ist das jüngst veröffentlichte Programmheft für Herbst und Winter, 18 Themenschwerpunkte wird es in den kommenden Monaten geben. Diese Fülle hat mit der Rückkehr zum halbjährlichen Veröffentlichungs-Turnus des Programmhefts zu tun, aber auch mit einem bevorstehenden Jubiläum: Am 30. November feiert das Filmmuseum München sechzigsten Geburtstag, da setzt man auf ein möglichst vielseitiges Programm mit Filmpreisen, Festivals, Frauenfilmreihen oder Filmemacher-Hommagen. Auch zwei neue Stummfilm-Restaurierungen soll es geben.

Los geht es aber mit einer ganz besonderen Form von Askese: Während im Kino die Bilder immer breiter und anamorphotischer werden, konzentriert sich die erste Filmreihe der Saison auf das sogenannte Academy-Format. So wurden in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts fast alle Filme gedreht, im Seitenverhältnis 4:3. In letzter Zeit haben Filmemacher dieses als strenger und konzentrierter geltende Bildformat wieder entdeckt, Gus van Sant etwa ("Paranoid Park"), Andrea Arnold ("Fish Tank"), Pawel Pawlikowski ("Ida") oder Kelly Reichardt ("Meek's Cutoff"). Auch Arthouse-Liebling Wes Anderson experimentierte in "The Grand Budapest Hotel" mit verschiedenen Seitenverhältnissen, der Kinohit aus dem Jahr 2014 eröffnet am 5. September um 18 Uhr die neue Filmmuseum-Saison.

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Noch am selben Tag (um 21 Uhr) geht es weiter mit einer Retrospektive, die bereits im Sommer startete: Josef von Sternberg und seine in den Dreißiger- bis Fünfzigerjahren entstandenen Filme stehen auf dem Programm, das Kaiserinnen-Drama "The Scarlett Empress" mit Marlene Dietrich etwa, oder seine letzte Regiearbeit "Jet Pilot" aus dem Jahr 1957, mit John Wayne als Luftwaffenkommandant. Sternberg war in den Sechzigerjahren einmal persönlich zu Gast im Filmmuseum, diese Reihe verbindet die Anfänge und die Gegenwart dieser cineastischen Institution.

Die Filmgeschichte wurde lange Zeit von Männern dominiert, doch das Filmmuseum bemüht sich auch um weibliche Perspektiven. So startet Mitte September eine umfangreiche Werkschau der Filme von Doris Dörrie: Bis zum Jahresende stehen frühe Regiearbeiten wie "Ob's stürmt oder schneit" und "Mitten ins Herz" ebenso auf dem Spielplan wie ihre Kinohits "Männer" und "Kirschblüten - Hanami". Dörrie ist Jahrgang 1955, ihre französische Kollegin Claire Simon ebenfalls: Ihr wird im neuen Jahr eine Retro gewidmet. Zur Vorstellung ihres jüngsten Werks, dem auf der Berlinale uraufgeführten Dokumentarfilm "Notre corps", will die Regisseurin im Januar nach München kommen.

Auch Wes Anderson hat für "The Grand Hotel Budapest" mit einem klassischen Kinoformat experimentiert. (Foto: Filmmuseum München)

Ebenfalls angekündigt hat sich ihr Regiekollege Nicolas Philibert, der bei der diesjährigen Berlinale den Goldenen Bären für "Sur l'Adamant" erhielt. Der Dokumentarfilm über eine schwimmende Tagesklinik in Paris startet Mitte September in den Kinos, aus diesem Anlass wird der Regisseur nach München kommen. Das Filmmuseum widmet ihm eine Reihe, zur Vorstellung von "Nénette" (2010) am 15. September wird er anwesend sein. Prominenter Besuch hat sich auch im Oktober angekündigt: Werner Herzog vergibt wie jedes Jahr den nach ihm benannten Filmpreis.

Im Herbst finden auch das Underdox Festival und das Rumänische Filmfestival statt, der kanadische Regisseur Denis Villeneuve ("Arrival", "Blade Runner 2049") erhält Mitte Oktober eine kleine Werkschau. Und von Ende Oktober bis Mitte Dezember wird die Arbeit von Ennio Morricone gewürdigt: Der 2020 verstorbene Komponist arbeitete für Sergio Leone, Bernardo Bertolucci, Giuseppe Tornatore oder Quentin Tarantino. Seine Filmmusiken sind legendär, da wird das Kino beinahe zum Konzertsaal.

Herbst- und Winterprogramm Filmmuseum, September 2023 bis Februar 2024, Filmmuseum München , St.-Jakobs-Platz 1

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