Jude Law, Tilda Swinton, Harvey Keitel, Ralph Fiennes, Léa Seydoux, Bill Murray ... und so weiter und so fort. Wer die Besetzungsliste von Wes Andersons neuem Streich "Grand Budapest Hotel" durchgeht, hat ein "Who is Who" der Mega-Stars des Filmgeschäfts vor sich. Dabei bezahlt der texanische Filmemacher seine Schauspieler nach eigenem Bekunden hundsmiserabel und schleppt sie obendrein an entlegene Drehorte. "Grand Budapest Hotel" etwa entstand großteils in einem leerstehenden Kaufhaus in Görlitz. Wie er trotzdem immer wieder die hohe Starpower seiner Filme erreicht, was er von Stefan Zweig und Ingmar Bergman denkt und wie sein Verhältnis zur Vergangenheit ist, erzählt der Filmemacher im Interview mit Süddeutsche.de.
SZ.de: Ihr neues Märchen "Grand Budapest Hotel" huldigt der historischen Pracht, hätte ohne digitale Technologie so aber sicher nicht gemacht werden können. Wie ist Ihr Verhältnis zu moderner Produktionstechnik?
Wes Anderson: Ich bin ein großer Fan alter Kunst und alten Handwerks. Etwa dieser Miniaturen oder Gemälde, die wir im Film sehen. Aber inzwischen ist so gut wie jeder Film eine einzige digitale Datei und das macht einen gewaltigen Unterschied beim Filmschnitt. Im Gegensatz zu der Zeit, als ich mit dem Filmemachen anfing, können wir heute direkt im Bild schneiden, das heißt, wenn uns da zum Beispiel im Hintergrund ein Schild nicht passt, dann nehmen wir's einfach raus. Damit hat sich eine völlig neue Dimension eröffnet, die der Zuschauer aber gar nicht unbedingt wahrnimmt.
Was ist mit den Szenen, die in "Grand Budapest Hotel" animiert wirken?
Den Zeichentrickfilm verbuche ich unter alter Technik, auch wenn Animationsfilme inzwischen am Computer entstehen. Aber es gibt ganz andere Beispiele computergenerierter Filme, in denen Naturkatastrophen oder Gewaltorgien möglichst realistisch dargestellt werden. So etwas ist in meinen Filmen eher nicht zu sehen. Einerseits profitiere ich also von der digitalen Revolution, andererseits bin ich sicher einer der analogsten Typen, die man sich vorstellen kann.
Analog und phantasievoll - einem Märchenerzähler wie Ihnen dürfte nicht unbedingt der Sinn nach einem Biopic stehen, oder?
Auf Anhieb wäre ein Biopic für mich sicher nicht das verlockendste Projekt. Aber bei Filmen geht es immer darum, einen interessanten Ansatz zu finden. Insofern könnte ein Film mit einem realistischen Hintergrund oder sogar eine Dokumentation auch für mich eine interessante Herausforderung sein - etwa meine Version eines Jacques-Cousteau-Filmes.
Wie sähe die aus?
Bei Biopics etwa scheint es mir häufig eine gute Entscheidung zu sein, sich auf einen Lebensabschnitt des Dargestellten zu beschränken. Steven Spielberg lag goldrichtig, als er in seinem "Lincoln" nur die politische Auseinandersetzung um die Sklaverei thematisierte. Tony Kushner hatte ihm ein 500 Seiten starkes Drehbuch geschrieben, das Lincolns ganzes Leben umspannte, doch Spielberg griff sich den Teil heraus, den er für den stärksten hielt, und baute ihn zum Film aus.
"Grand Budapest Hotel" ist ein Film, der die alten Zeiten feiert und ein wenig Trauer darüber anklingen lässt, dass sie unwiderruflich vergangen sind. Wie kamen Sie auf diesen historischen Stoff?
Als wir anfingen, das Drehbuch zu schreiben, spielte die Handlung in der Gegenwart. Sie spielte sogar in Frankreich und in England, wo wir uns zu dem Zeitpunkt aufhielten. Dann fielen mir die Bücher Stefan Zweigs in die Hände und ich begann sie zu verschlingen, weil ich eine Verbindung erkannte zwischen ihrem Inhalt und meinem eigenen Leben.
Zweigs Bücher sind vor bald hundert Jahren erschienen. Auf welche Parallelen zwischen dem frühen 20. und dem frühen 21. Jahrhundert sind Sie gestoßen?
Schon das erste Kapitel in "Ungeduld des Herzens", dem ersten Roman Zweigs, den ich las, beschreibt eine Situation, die mir sehr vertraut ist: Es geht um einen bekannten Schriftsteller, der in ein Lokal außerhalb Wiens geht, von dem er glaubt, dass es nicht mehr so angesagt ist wie früher. Er hofft, dort seine Ruhe zu haben. Doch zu seinem Ärger trifft er gleich beim Eintreten einen Bekannten, von dem er weiß, dass der sich an jedem Klatsch und Tratsch der Stadt beteiligt und sich seiner vielen Bekanntschaften brüstet. Er lässt sich von diesem Mann in Beschlag nehmen, weil er nicht unfreundlich sein will. Da tritt ein bekannter Kriegsheld ein, auf den der Bekannte sogleich seine gesamte Aufmerksamkeit lenkt. Doch der Kriegsheld ist ganz offensichtlich genervt davon und kehrt beiden den Rücken zu.
Das klingt nach einer guten Beschreibung des gängigen Umgangs von Prominenten mit ihren Verehrern oder mit Wichtigtuern, zum Beispiel im Filmgeschäft.
Ich habe dieselbe Situation exakt schon so erlebt und Figuren, wie sie Zweig hier beschreibt, sind mir auch bekannt. Wenn ich also eine Geschichte aus der Vergangenheit erzähle, distanziere ich mich nicht von meinen eigenen Erfahrungen und Beobachtungen, sondern habe dazu denselben Bezug wie bei einer Geschichte, die in der Gegenwart spielt.