Landtagswahl in Bayern:Kanzler, hilf!

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Bundeskanzler Olaf Scholz bei seinem Auftritt am Nockherberg, wo er auf Einladung der bayerischen SPD zusammen mit dem Spitzenkandidaten bei der Landtagswahl, Florian von Brunn, an einer Townhall-Diskussion teilnahm. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

SPD-Landeschef Florian von Brunn gibt sich zuversichtlich, die Wählerstimmung doch noch zu seinen Gunsten drehen zu können. So wie Olaf Scholz 2021. Also tritt er immer wieder mit seinem Vorbild auf - und grätscht bei einem Thema sogar dazwischen.

Von Johann Osel

Beide tragen weiße Hemden mit hochgekrempelten Ärmeln, was wohl aussagen soll: zwei, die anpacken. So betreten Olaf Scholz und Florian von Brunn, auch in der Auswahl der Hose synchron, den Wirtshaussaal am Münchner Nockherberg. Nun gut, als Zwillinge gehen die beiden nicht durch, gut zehn Jahre Altersunterschied, volle Haarpracht versus Hang zur Kahlheit. Und unterschiedliches Format: Der eine ist Bundeskanzler und Wahlsieger von 2021, der andere Chef einer Bayern-SPD, die in Umfragen bei dürftigen zehn Prozent festgeklebt wirkt.

Und doch herrscht in diesem Landtagswahlkampf ein enger Bezug zwischen Kanzler und SPD-Spitzenkandidat. Brunn will den Scholz-Move der Bundestagswahl wiederholen, wie er immer wieder bekundet: lang unterschätzt werden, dann immer mehr Vertrauen gewinnen bei den Wählerinnen und Wählern und auf der Zielgeraden durchstarten. So ungefähr zumindest, eine Ablösung der CSU und von Markus Söder im Amt des Ministerpräsidenten wirkt doch allzu utopisch. Passenderweise hat man dieselbe Agentur für die Kampagne beauftragt wie das Willy-Brandt-Haus vor zwei Jahren. Scholz war zuletzt mehrmals zu Gast bei der SPD im Freistaat - und soll auch nochmal auftreten. Motto: Kanzler, hilf!

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Es ist ein "Townhall"-Format am frühen Donnerstagabend auf dem Nockherberg, eine Bürgersprechstunde. Einige hundert Gäste, dem Eindruck nach der SPD eher gewogen, konnten sich anmelden, dazu sind Vertreter von Sozialverbänden da, von Gewerkschaften, Industrie- und Handelskammer, auch etwa vom Bauernverband oder aus der ukrainischen Community. Sie dürfen sich für Fragen melden oder diese auf Karten schreiben. Ein wahrer Glücksfall sind die Karten - an jedem Tisch nutzen sie die Leute in unbeschriebener Variante als Fächer. Der Saal gleicht an diesem Sommertag einer Sauna, es wird gewedelt und gewedelt. Aber natürlich wird auch geredet. Mit ordentlich Applaus für Scholz und Brunn. Keineswegs ekstatisch, aber höflich und deutlich.

Kurz ein Exkurs, gleicher Ort, September 2021: ausgelassen jubelnde Sozis sah man da auf dem Nockherberg, bei der Wahlparty am Abend des Scholz-Sieges. Zur Freude trug der stattliche Beitrag der Bayern-SPD bei, 18 Prozent, mehr als die Grünen. Nun wäre es unfair, Szenen einer Wahlparty mit denen eines Bürgerdialogs zu vergleichen. Aber 2021 lag schon über Wochen Aufbruch in der Wahlkampfluft: "Diesmal geht was, ganz sicher", das war bei SPD-Terminen überall im Freistaat zu hören, jede Menge Euphorie. Wer sich jetzt in diesen Wochen umhört in der Bayern-SPD oder auch direkt auf dem Nockherberg, der findet spontan niemanden, der größere Geldbeträge auf einen SPD-Triumph wetten würde.

Scholz und Brunn stehen am Donnerstag an einem Tresen, daneben kupferne Braukessel. Der Kanzler bekommt die meisten Fragen gestellt, eindeutig. Ohnehin die zur Ukraine, bei denen er betont, man werde das Land unterstützten, "solange es nötig ist", aber "sorgfältig diskutiert" mit den Partnern. Hat man in exakt der Formulierung schon mal gehört. Bei Bauen und Wohnen zum Beispiel kann dann Brunn schon besser referieren, es ist ein Kernthema seines Wahlprogramms. Maßnahmen gegen Spekulation mit Grundstücken kündigt er an, ein Seitenhieb auf die magere Bilanz der von Söder gegründeten Baugesellschaft Bayernheim darf nie fehlen.

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Gehörlosengeld, Ideen gegen Überstundenberge bei der Polizei, Förderung für Geothermie in Kommunen - Brunn verspricht, er werde sich kümmern in einer Regierung. Mehr Geld stellt er vielfach in Aussicht. Dabei verweist, zumindest für den Bund, der Kanzler ausdrücklich auf die Kassenlage. In den Krisen von Corona bis Energieversorgung habe die Republik Hunderte Milliarden Euro ausgegeben, man müsse wieder mit der "Normalregelung des Grundgesetzes klar kommen". Schuldenbremse. Das gilt auch für die Frage, ob die Gastronomie die reduzierte Mehrwertsteuer beibehalten darf. Der Hotel- und Gaststättenverband sieht sonst viele Betriebe in Existenznot, vorsorglich hat man offenbar für den Scholz-Besuch den halben Nockherberg mit warnenden Plakaten ausgestattet. Scholz verweist für eine Entscheidung auf Ende des Jahres, "das ist ja eine teure Veranstaltung". Brunn grätscht noch rein, um keine Enttäuschung zu hinterlassen im Saal. Er ist für die Verlängerung: "Wir gehen einfach gerne in die Wirtschaft und auch zu bezahlbaren Preisen."

Die SPD präsentiert sich also programmatisch auf dem Nockherberg, die pure Sachlichkeit. Man hört kaum wahlkämpferische Töne, keine flammenden Plädoyers für die SPD. Zumindest Dieter Reiter, Münchner Oberbürgermeister, sagt in seinem Grußwort: Man werde bald "hoffentlich wieder eine sozialdemokratische Beteiligung an der Staatsregierung haben". Es gelte die "Alleinregierung" der CSU zu beenden, der zweite Partner, gemeint sind die Freien Wähler, seien "nicht ernst zu nehmen". Doch mit Reiters "Wieder" ist das so eine Sache. Die SPD regierte letztmals von 1954 bis 1957 - da waren er, Brunn und Scholz noch nicht geboren.

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