Energiekosten:Weshalb Bayerns Härtefallfonds auf sich warten lässt

Lesezeit: 3 min

Sie sei überhaupt nicht gegen Abtreibung, sagt Sozialministerin Ulrike Scharf. Den Paragrafen 218 will sie dennoch nicht abschaffen. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Bis zu 1,5 Milliarden Euro stehen bereit, um besonders Betroffene durch die Energiekrise zu bringen. Während Wirtschaftsminister Aiwanger zur Eile mahnt, schimpft die CSU mal wieder auf Berlin.

Von Johann Osel

Der Freistaat Bayern ist nach Worten von Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) "jederzeit bereit", die landeseigenen Entlastungspakete in der Energiekrise "scharf zu stellen und auszuzahlen". Derzeit sei aber der Bund "das Auszahlungshindernis", sagte er am Dienstag nach einer Sitzung des Kabinetts, da zunächst alle Details der Hilfen aus Berlin geklärt sein müssten. Bayern werde dann ergänzend Lücken füllen, Herrmann nannte das "subsidiär eingreifen" - mit einem Gesamtpaket über 1,5 Milliarden Euro, das Ministerpräsident Markus Söder (CSU) bereits kürzlich nach der Haushaltsklausur des Ministerrats in Aussicht gestellt hatte.

Dieser Energie-Härtefall-Fonds ist dreigeteilt, er soll neben kleinen und mittelständischen Unternehmen auch Vereinen, Kliniken, Pflege-, Sozial- und Bildungseinrichtungen sowie Bürgerinnen und Bürgern helfen, deren Existenzen wegen der Energiekrise gefährdet sind. Hinzu kommen ebenfalls schon vor Längerem beschlossene Bürgschaften der Förderbank LfA für Unternehmen in Geldnot, nochmals bis zu 500 Millionen Euro. "Wir hängen in der Luft, was die genaue Ausgestaltung betrifft", sagte am Dienstag auch Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU). Der bayerische Fonds müsse eingreifen, weil der Bund "mit seinen großen Versprechungen" nicht vorankomme.

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Noch also wartet die Staatsregierung darauf, welche Härtefälle vom Bund genau abgedeckt werden sollen. Es bleiben daher weiterhin viele Fragenzeichen, was nun wann und auf welchem Wege kommt. Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) hatte vor der Sitzung schon mal zur Eile bei der Entlastung durch den Freistaat gemahnt. "Wenn wir bis zur finalen Abstimmung über den Haushalt 2023 im März oder April warten, ist es zu spät. Das muss deutlich früher kommen." Er wollte dieses Thema im Ministerrat ansprechen. Nach dem groben Haushaltsentwurf vor zehn Tagen wird sich der endgültige Beschluss des Ein-Jahres-Etats fürs kommende Jahr (Volumen: 71 Milliarden Euro) wohl tatsächlich bis ins Frühjahr ziehen.

SPD und Grüne bringen einen Nachtragshaushalt ins Spiel

Die SPD bot CSU und Freien Wählern ihre Hilfe an, Haushaltsexperte Harald Güller schlug vor, noch vor Weihnachten im Parlament einen Nachtragshaushalt für 2022 zu beschließen. "Wir haben das auch während Corona gemacht. Das hat sich bewährt. Genau das sollten wir jetzt wieder tun." Die grüne Haushaltspolitikerin Claudia Köhler teilte mit: "Die Winterhilfe muss zum Winter kommen. Jetzt braucht es dringend einen Nachtragshaushalt 2022, um den Hilfsfonds umzusetzen."

Finanzminister Albert Füracker (CSU) erweckte in einem Statement derweil den Eindruck, dass die Freigabe dieser Mittel nicht unbedingt an den offiziellen Beschluss des Gesamthaushalts im Frühjahr gebunden sein müsste. "Wir werden in Bayern unter Einbindung des Landtags alle an einem Strang ziehen und die notwendigen Hilfen schnellstmöglich auf den Weg bringen", sagte Füracker der Deutschen Presse-Agentur. Jedoch erschwere "das Chaos" der Ampel-Regierung in Berlin die Haushaltsplanungen enorm.

Voraussichtlich wird der Freistaat sowohl die Verteilung der Bundesmittel aus dessen Entlastungspaketen organisatorisch übernehmen als auch logischerweise die seiner eigenen Töpfe. Eine Beantragung und Abwicklung zum Beispiel über die Kammern, wie schon in der Corona-Krise, wäre gut denkbar, Aiwanger sprach von einem "prüfenden Dritten". Ein Beispiel: Laut dem Wirtschaftsminister könnten vom Geld des Bundes nur Betriebe wie Bäcker oder Metzger profitieren, die auf Gas setzen; bei Öl werde dann wiederum der Freistaat einspringen. Dieser Umstand sei "geradezu grotesk", wenn das Unternehmen für seinen "Energie-Switch im Sinne des Gesamtsystems" bestraft statt honoriert werde.

Des Weiteren schwebt dem Wirtschaftsminister für die Umsetzung schon manche Idee vor: So müssten notleidende Betriebe in einem ersten Schritt nachweisen, dass die Energiekosten einen gewissen Anteil am Umsatz erfüllen, in einem zweiten Schritt wiederum, dass durch die Preissteigerungen ihr Gewinn "aufgefressen" werde, so Aiwanger. Jeder Betrieb werde sehr schnell Klarheit haben, "ob er rein darf ins System". Die Tafeln in Bayern, zur Lebensmittelversorgung Bedürftiger, sollen außerdem eine Million Euro aus dem Fonds erhalten.

Das Kabinett hat sich auch mit der Reform des Bürgergelds beschäftigt. Am Montag hatte die Union dessen Einführung im Bundesrat vorläufig gestoppt. Der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat soll nun einen Kompromiss finden. Mit dem Bürgergeld soll zum 1. Januar kommenden Jahres das derzeitige Hartz-IV-System abgelöst werden. Bayern lässt hierbei wenig Kompromissbereitschaft erkennen.

Sozialministerin Scharf wird nach eigenen Angaben diese Woche an einer Arbeitsgruppe in Berlin teilnehmen, die bereits Vorverhandlungen zum Vermittlungsausschuss führt. Sie rügte am Dienstag erneut zentrale Punkte der geplanten Reform. Dass es damit zum Beispiel "so gut wie keine Sanktionen mehr gibt, ist nicht akzeptabel". Auch das angedachte Schonvermögen von 60 000 Euro für Leistungsempfänger sei "viel zu hoch", 10 000 Euro sei ein passender Wert; womöglich mit Ausnahme von Personen mit "Lebensleistung", die etwa erst mit 60 Jahren in die Arbeitslosigkeit rutschten. Generell gelte: Wer arbeite, müsse mehr in der Tasche haben. Aiwanger nannte die Reformpläne eine "Ohrfeige" für die arbeitende Bevölkerung.

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