Gaskrise:Bayern will Atomland bleiben

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Schön weiter laufen lassen: Die Staatsregierung will das Atomkraftwerk Isar 2 nun doch nicht abschalten. (Foto: Armin Weigel/dpa)

Die Staatsregierung will die Kernkraftwerke am Netz lassen und gar wieder hochfahren. Die Kritik an Berlin fällt dabei sehr laut aus, über die Rolle der CSU bei erneuerbaren Energien spricht nur die Opposition.

Von Johann Osel, München

Nach dem Abrücken der Bundesregierung vom bisher rigorosen Nein zur Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken sieht sich die bayerische Staatsregierung in ihren Forderungen bestätigt. Er erkenne einen "Umdenkprozess" und gehe nun davon aus, dass das letzte Wort in der Sache noch nicht gesprochen sei, sagte Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) am Dienstag nach einer Sitzung des Kabinetts. Am Tag zuvor hatte der Bund theoretisch einen Türspalt für den Weiterbetrieb von Kernkraftwerken über das Jahresende hinaus offen gelassen.

Hintergrund ist ein neuer sogenannter Stresstest zur Sicherheit der Stromversorgung in Deutschland, der laut einer Sprecherin der Bundesregierung Grundlage weiterer Entscheidungen sein solle. Nicht ideologisch, sondern rein fachlich, hieß es. Deutschland müsse "alle Register ziehen, die der Versorgungssicherheit dienen", forderte Aiwanger.

Gundremmingen soll wieder ans Netz, meint Aiwanger

Die Staatsregierung wolle nicht nur Isar 2 im niederbayerischen Landkreis Landshut voll am Netz lassen, zunächst mit den vorhandenen Brennstäben über einige Monate ins Jahr 2023 hinein, wie Aiwanger ausführte - sondern der Freistaat will auch das Kernkraftwerk Gundremmingen im schwäbischen Kreis Günzburg wieder ans Netz nehmen; dazu müssten jetzt die juristischen Grundlagen gelegt werden.

Beides unterbinde vor allem die Notwendigkeit für Stromproduktion aus Gas und brächte massive Einsparpotenziale, um die Gasspeicher für den Winter vollzumachen. CSU und Freie Wähler sehen nach wie vor durch ein ein Gutachten des TÜV Süd belegt, dass der Weiterbetrieb der Meiler rechtlich und technisch problemlos möglich sei.

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Die Bundesregierung hinke den realen energiepolitischen Entwicklungen hinterher, sagte Aiwanger, bei der Kernkraft wie in anderen Fragen, etwa dem Switchen in der Industrie von Gas auf Öl. Es sei schon zu viel Zeit vergeudet worden. Der Atomausstieg sei nach Einschätzung der Bundesnetzagentur von 2019 nur als möglich erachtet worden, weil es die "sichere Brücke Gas" gegeben habe. Im Ministerrat war der Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, zugeschaltet.

Auch die FDP will längere Laufzeiten

Eine Sprecherin von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte am Montag mitgeteilt, es gebe eine zweite Stresstest-Berechnung mit verschärften Annahmen wie etwa einem noch gravierenderen Ausfall von Gaslieferungen. Mit Ergebnissen sei "in den nächsten Wochen" zu rechnen. Ein erster Stresstest vom März bis Mai kam noch zum Ergebnis, dass die Versorgungssicherheit im kommenden Winter gewährleistet sei. "Wir rechnen jetzt noch mal und entscheiden dann auf der Basis von klaren Fakten."

Die Grünen-Fraktionschefin im Bundestag, Britta Hasselmann, fügte dem aber prompt hinzu: Atomkraft sei eine "Hochrisikotechnologie", mit Atomstrom einen Gasmangel beheben zu wollen, "ist und bleibt eine Scheindebatte". Die FDP als Partner in der Ampel ist für längere Laufzeiten.

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Bereits am Montag hatte Staatskanzleiminister Florian Herrmann (CSU) mitgeteilt: "Es zählen einzig und allein die Fakten und die Vernunft." Die erneute Ablehnung durch Britta Hasselmann zeige aber, "wie ideologisch diese Debatte geführt wird". Aus Sicht der Staatsregierung "wäre es geradezu absurd, noch laufende Kernkraftwerke als zuverlässige und leistungsfähige Energiequellen mitten in der größten Energiekrise abzuschalten".

Ministerpräsident Markus Söder (CSU) warnte am Dienstag auf Facebook sowie am Vorabend bei einer Abendveranstaltung der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft: Eine Benachteiligung der Unternehmen und der Bevölkerung im Freistaat dürfe es nicht geben, der Süden sei "das wirtschaftliche Leistungsherz Deutschlands". Unter anderem müsse der Bund "endlich" Verträge mit Österreich zur Füllung des Gasspeichers Haidach schließen. Das sei "für unsere Energieversorgung entscheidend".

Notnagel im Nachbarland? Gasspeicher in Haidach in Österreich (Foto: Barbara Gindl/AFP)

Im Salzburger Land liegt dieses riesige Gasdepot, davon profitiert auch Bayern und glaubte im Krisenfall gewappnet zu sein. Doch rechtliche Unklarheiten schaffen Probleme beim Auffüllen der Vorräte.

Bayern spiele gern für Berlin den "Dolmetscher" in Sachen Haidach, sagte Aiwanger, jetzt müsse die zuständige Bundesregierung aber schnell ein Abkommen mit Österreich schließen, damit die Speicherfüllung wirklich beginnen könne.

Die Opposition rügt fehlende Initiative

Beim Großspeicher Bierwang im Landkreis Mühldorf werde momentan sogar aus- statt eingespeichert, weil der Betreiber "Kasse machen will", behauptete Aiwanger. Netzagentur-Chef Müller habe in der Sitzung klargemacht, dies behage ihm nicht. Doch das reiche nicht, so der Wirtschaftsminister: Der Staat müsse "gezielter steuernd eingreifen" und das "Gas-Management" an sich ziehen. Insgesamt wähnt Aiwanger, der Bund verfahre nur nach dem "Prinzip Hoffnung".

Auf Debatten zur Priorisierung, wer im Notfall im Herbst noch Gas erhalten solle und wer nicht, will sich der Wirtschaftsminister nicht einlassen. Noch sei die Krise zu meistern, man dürfe nicht "zehn Meter vor der Bananenschale stehen und sagen: verdammt nochmal, wieder ausrutschen".

Söder hatte kürzlich vor einer "Gas-Triage" gewarnt - ein Aussortieren, wie es in der Corona-Krise für die Intensivbehandlung befürchtet wurde.

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Kritik kam nach der Kabinettssitzung von den Landtagsgrünen. Deren energiepolitischer Sprecher, Martin Stümpfig, rügte fehlende eigene Initiativen des Freistaats, er höre nur Schuldzuweisungen. "Wenn Hubert Aiwanger und sein Koalitionspartner die Energiewende so wuchtig angegangen wären, wie sie heute lange Klagelieder singen, hätte Bayern halb so viele Sorgen in Sachen Energieversorgung." Eben die Staatsregierung habe zum Beispiel Stromleitungen und Windkraft über viele Jahre blockiert.

Aiwanger, meint Stümpfig, solle doch mal selbst ein Gutachten vorlegen, in dem er nachvollziehbar darlege, wie viel Gas durch den Weiterbetrieb von Isar 2 und Gundremmingen überhaupt eingespart werden könnte.

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