Opern-Festspiele in Bayern und Österreich:Die wichtigsten Festivals der Saison

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Diesmal mit Triumphmarsch: Bei "Oper für alle" auf dem Münchner Max-Joseph-Platz steht am Sonntag, 23. Juli, Verdis "Aida" auf dem Programm. (Foto: Wilfried Hösl)

Ein breakdancender Counter, ein Erl-König aus dem Tenorfach, eine Geisha im Wasser und virtuelle Wagner-Welten: Was die großen Klassik-Festivals in München, Bregenz, Tirol, Salzburg und Bayreuth in diesem Sommer zu bieten haben.

Von Jutta Czeguhn und Evelyn Vogel, Bayern

Wenn der Sommer mit den großen Opernfestivals ansteht, ist das beinahe so wie im Sport bei den Olympischen Spielen, nur dass sich hier niemand ein vierjähriges Päuschen gönnt. Musiker wie Publikum wappnen sich alljährlich für lange Wochen mit hoffentlich genialen (Regie-)Würfen, Spitzentönen und Wagner-Marathons. Auch in diesem Metier scheint schließlich zunehmend das Motto "citius, altius, fortius" zu gelten. Aber mal ehrlich, am Ende zählt doch nur: Dabei sein ist alles.

München - To be or not ...

Singing Sofas waren gestern: Opernkünstler von heute begeben sich schon mal in den Einhandstand, wenn's gewünscht wird. Zumindest für den polnischen Countertenor Jakub Jósef Orliński, hier beim Opus Klassik 2019, ist das kein Problem, ist er doch begeisterter Breakdancer. Bei den Opernfestspielen in München feiert er sein Hausdebüt an der Staatsoper in Händels "Semele". (Foto: Malte Ossowski/imago/Sven Simon)

Ginge es nur um die großen Namen, dann stünden die Münchner Opernfestspiele in diesem Sommer wieder mal unerreichbar vor so ziemlich allen anderen Festivals. Allein die Tenor-Riege ist kaum zu toppen mit Jonas Kaufmann, Klaus Florian Vogt, Benjamin Bernheim oder Charles Castronovo, im tieferen Stimmbereich haben wir Ludovic Tézier, Wolfgang Koch und Rene Pape, bei den weiblichen Stars lässt sich das Name-Dropping beinahe ebenso beeindruckend fortsetzen mit Ausrine Stundyte, Camilla Nylund, Ailyn Pérez, Anja Kampe oder Sophie Koch. Ok, auch ein paar Stars von angekratztem Ruf sind dabei wie Plácido Domingo oder der russische Edel-Bass Ildar Abdrazakov, der seine Zusammenarbeit mit der New Yorker Met "pausieren" lässt, aus Solidarität mit Anna Netrebko. Wobei auch sein ein Nähe-Distanz-Verhältnis zum Putin-Regime Fragen offen lässt, soll er doch im Russischen TV bei einer Silvester-Gala zugegen gewesen sein, bei der auch Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu und reichlich Militär in der ersten Reihe saßen. Ach ja, und in der Sparte Ballett gibt's bei den Münchner Festspielen ein Wiedersehen mit Hundekot-Werfer Marco Goecke.

Was das Programm angeht, setzt das Haus deutlich auf ein Best-Off der vergangenen Jahre, da kann man noch einmal schön eintauchen oder Verpasstes nachhören mit "Don Carlo", "Otello", "Salome", "Tristan und Isolde", " Krieg und Frieden", "Aida" ("Oper für alle" am 23. Juli) oder "Boris Godunow". Für nahezu alles gibt es noch Karten.

Doch stehen auch zwei Premieren an bei diesen Münchner Festspielen, die man schon allein wegen zweier Sänger keinesfalls verpassen sollte: Ein Ereignis ist der britische Tenor Allan Clayton, der im "Hamlet" die Titelrolle singt, Komponist Brett Dean hatte diesen Ausnahmesänger im Kopf, als er die Oper schrieb (Premiere: 26. Juni). Eine einzigartige Erscheinung im Opernbetrieb ist auch der junge polnische Countertenor Jakub Jósef Orliński, der in Händels Oper "Semele" (15. Juni) sein Hausdebüt gibt - und womöglich auch eine Breakdance-Darbietung.

Opernfestspiele München, 18. Juni bis 31. Juli, Infos und Karten unter www.staatsoper.de

Erl - Der Wagner-Doppel-Whopper und demnächst Jonas Kaufmann als Intendant

Wenn Wotan wütend wird, wissen Walküren... Besser wir lassen das Stabgereime, da ist Richard Wagner eh unerreicht. Bei den Festspielen in Erl schmiedet Regisseurin Brigitte Fassbaender heuer ihren "Ring" zu Ende. Nach "Rheingold" 2021 und "Walküre" 2022 (Foto) folgen nun "Siegfried" und die "Götterdämmerung". (Foto: Xiomara Bender)

Für Wagner-Enthusiasten gibt es in diesem Sommer wieder zwei Pflichttermine. Bevor sie für Bayreuth die Koffer packen und es nach Oberfranken geht, steuern sie erst mal nach Süden, Richtung Tirol. Bei den Festspielen im schönen Erl wird die große Brigitte Fassbaender ihren "Ring" zu Ende bringen. Nach dem "Rheingold" 2021 und der "Walküre" 2022 serviert sie in diesem Jahr quasi einen Wagner-Doppel-Whopper mit "Siegfried" und der "Götterdämmerung". Es kracht also ordentlich in der Götterwelt, und auch hinter den Kulissen hat es in Erl zuletzt gerumpelt und gegrollt: Intendant Bernd Loebe wird seinen Abschied zum Saison-Ende 2024 nehmen. Die Verantwortlichen sollen ihm bedeutet haben, er könne sich ja noch einmal auf seinen Job bewerben. Das hat sich Loebe erspart, womöglich weil er schon wusste, dass da ein Mitbewerber namens Jonas Kaufmann den Hut in den Ring geworfen hatte und am Ende die Findungskommission überzeugen würde. Der Tenor wird die Intendanz in Erl zum 1. September 2024 antreten und hat schon angekündigt, dass Wagner fixer Programmpunkt bleiben wird, aber auch Belcanto und Zeitgenössisches soll's geben. Heuer nun gibt's neben dem Ring-Schluss zudem Humperdincks "Königskinder" oder die Wiener Sängerknaben. Und da ist auch noch Konstantin Krimmel, der wunderbare Bariton, seit Herbst 2021 Ensemble-Mitglied der Bayerischen Staatsoper. Bei den Festspielen in München ist sein Liederabend (21. Juli) beinahe ausverkauft. In Tirol jedoch sind für Krimmels "Schwanengesang" (26. Juli) noch reichlich Karten zu haben.

Tiroler Festspiele Erl, 6. bis 30. Juli, Infos und Karten unter www.tiroler-festspiele.at

Bregenz - Lieben und Sterben auf der Seebühne

Das Highlight der Bregenzer Festspiele ist das Spiel auf der großen Seebühne, wo "Madame Butterfly" von Giacomo Puccini am 20. Juli seine diesjährige Premiere hat. (Foto: Anja Köhler/Bregenzer Festspiele)

Der Frühjahrsputz auf der Seebühne ist abgeschlossen, das Bühnenbild nach der Winterpause aufgepimpt, die fast 6700 Sitzplätze sind runderneuert und auch sonst laufen die Vorbereitungen bei den Bregenzer Festspielen auf Hochtouren. Mit der Oper "Ernani" von Giuseppe Verdi, die manchem "Fitzcarraldo"-Filmfan noch in den Ohren klingen dürfte, werden in diesem Jahr die Festspiele am 19. Juli im Festspielhaus eröffnet. Bei "Ernani" dreht sich alles um die Ehre, ebenso wie bei bei Giacomo Puccinis "Madame Butterfly", das als Spiel auf dem See das Herz der Bregenzer Festspiel ist. Die Neuinszenierung aus dem vergangenen Jahr um die Liebe der japanischen Geisha Cio-Cio-San und ihres amerikanischen Marineleutnants geht am 20. Juli in die zweite Runde - hoffentlich mit mehr Glück beim Wetter als im vergangenen Jahr, als Sturm, Blitz und Donner die Premiere ins Festspielhaus vertrieb.

Wo es um Liebe und Ehre geht, ist die Rache nicht weit: Nach einem Bühnenstück von Bert Brecht hat der argentinische Komponist Fabián Panisello die Oper "Die Judith von Shimoda" geschrieben. Die Uraufführung ist am 17. August auf der Werkstattbühne zu erleben. Am 21. Juli gibt's im Theater am Kornmarkt Kleists "Zerbrochenen Krug", ein Gastspiel des Deutschen Theaters Berlin. Und am 27. Juli hat das Musiktheater "The Faggots And Their Friends Between Revolutions" von Ted Huffman und Philip Venables nach dem Buch von Larry Mitchell um Queerness und Diversity auf der Werkstattbühne Premiere. Und was gibt es sonst? Beispielsweise die Reihe Musik und Poesie, die Jungen Festspiele, Orchesterkonzerte der Wiener Symphoniker und vieles mehr. Aktuell gibt es bis auf die Premiere von "Ernani" für alle Vorstellungen noch Karten.

Bregenzer Festspiele, 19. Juli bis 20. August, Infos und Karten unter bregenzerfestspiele.com

Salzburg - Stars und Spirituelles

Seit ihrer sensationellen Salome ist sie der Star von Salzburg: Asmik Grigorian, hier nach der "Elektra"-Premiere 2020, gibt heuer die Lady Macbeth und einen Liederabend. Nur für letzteren sind noch Karten zu haben. (Foto: Manfred Siebinger/imago)

Schön doch, dass jedes Festival seinen eigenen mehr oder weniger unergründlichen Gesetzmäßigkeiten folgt. Während in München für Igor Lewits Konzert (18. Juli) noch jede Menge auch bezahlbare Karten zu haben sind, ist sein Auftritt bei den Salzburger Festspielen (31. Juli) längst ausverkauft. Karten gibt es dort hingegen noch für Kirill Petrenko mit den Berliner Philharmonikern (27./28. August), nicht aber für Christian Thielemann mit den Wienern (28./30. Juli). Grundsätzlich weht das "Ausverkauft"-Fähnchen in der Tat schon hinter recht vielem bei diesen Festspielen, die heuer unter dem Motto "Die Zeit aus den Fugen" stehen: Natürlich gibt's nichts mehr zu buchen für "Jedermann" am Domplatz (letzte Hoffnung: Stehplätze Abendkasse), für Martin Kušej Neuinszenierung von Mozarts "Figaro", für Asmik Grigorian als Lady Macbeth, die Bartoli als Glucks Orfeo, Barenboim mit dem West Eastern-Divan Orchestra oder die Auftritte des umstrittenen Dauergasts Teodor Currentzis. Lohnt dann die Fahrt an die Salzach überhaupt? Unbedingt, denn erstens hilft da die berühmte täglich aktualisierte Liste der verfügbaren Karten, und zweitens ist da Spannendes zu entdecken für alle, die nicht an alten Hörgewohnheiten kleben: Da ist vor allem die Reihe "Ouverture Spirituelle - Lux Aeterna", die wieder besondere, feinstoffliche Atmosphären in die Kollegienkirche sprüht: Sonnengesänge von Heinrich Schütz und Sofia Gubaidulina etwa mit dem Los Angeles Master Chorale. Oder, interpretiert vom Klangforum Wien, John Cages' "One11" , diese rätselhafte Komposition "für Solo-Kameramann". Bitte mal alle ganz ehrlich den Finger heben, die das noch nie gehört haben!

Salzburger Festspiele, 20. Juli bis 31. August, Infos und Karten unter www.salzburgerfestspiele.at

Bayreuth - "Kinder, macht Neues!" mit Brille

Ganz analog seit bald 150 Jahren: Im Bayreuther Festspielhaus wagt man sich in diesem Jahr auch mal in die virtuelle Welt, im neuen "Parsifal". (Foto: Nicolas Armer/dpa)

Neue Hörerfahrungen sind nicht das primäre Streben all jener, die im Sommer nach Bayreuth pilgern, obwohl es doch gerade ihr Meister Richard Wagner war, der einst in einem Brief an Franz Liszt zum revolutionären Sturm auf die Oper rief: "Kinder, macht Neues! Neues! und abermals Neues!"

Was also gibt's heuer Innovatives in Bayreuth? Nun, beispielsweise ein 90-Euro-Ticket für junge Menschen bis 25 Jahren: das Sonderkontingent "Wagner for starters" (per Mail an wagnerforstarters@bayreuther-festspiele.de). Ob diese Nachwuchs-Wagnerianer aber noch an Karten kommen werden für Jay Scheibs Neuinszenierung des "Parsifal"? Denn der wird wirklich Neues bringen: Zum ersten Mal in der Geschichte der Festspiele "Augmented Reality". Das bedeutet, während man Parsifal, Kundry (Rollendebüt für Joseph Calleja, und auch neu in Bayreuth: Elīna Garanča am 25. und 30.7. sowie 12.8.) und den anderen beim Weihespiel auf der Bühne folgt, wird gleichzeitig der gesamte Raum vor und neben der Bühne digital erweitert und bespielt. Vorausgesetzt allerdings man hat eine spezielle Brille auf der Nase und ist nicht zu stark kurzsichtig für dieses visuelle Erlebnis (schwierig bei mehr als minus 8 Dioptrien). Allerdings gibt's das Eintauchen in die virtuellen Wagner-Welten nicht auf allen Plätzen. Wie man hört, war dem Verwaltungsrat die Anschaffung für alle Plätze im Haus zu kostspielig. Auch in diesem Wagner-Tempel liegen ja bekanntlich die Götter im Clinch.

Was lohnt sonst in Bayreuth, wenn man womöglich wieder mal ohne Ticket und noch wahrscheinlicher ohne die Wunderbrille dasteht? "Wagner für Kinder" mit einer eigens für den Nachwuchs kreierten "Parsifal"-Fassung (Anmeldeportal kinderoper.bf-medien.de, Zuteilung wird circa am 15. Juni bekannt gegeben). Dann ist da das Abschlusskonzert der Meisterkurs-Teilnehmer am 6. August, 11 Uhr, im Saal der Villa Wahnfried (Kostenlose Eintrittskarten sind am Veranstaltungstag am Einlass), die Audiowalks durch Bayreuth und natürlich das wunderbare Kost-Nix-Open-Air im Park am Grünen Hügel (24. Juli, 2. August, 20 Uhr). Früh kommen lohnt.

Bayreuther Festspiele, 24. Juli bis 28. August, Infos und (vielleicht noch) Karten unter www.bayreuther-festspiele.de

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