Flughafen München:Zwei Startbahnen reichen

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Das Bündnis "Aufgemuckt" demonstriert seit Jahren gegen den Flughafenausbau und fordert nun eine Aufhebung der Baugenehmigung. (Foto: Andreas Gebert/dpa)

Ministerpräsident Markus Söder stoppt die Pläne für den Bau einer dritten Start- und Landebahn am Münchner Flughafen. Deren Gegner freuen sich allerdings nur verhalten: Denn das "Milliardengrab" sei noch nicht komplett verhindert.

Von Andreas Glas und Andreas Schubert

Wegen der immensen Einbrüche im Luftverkehr hat die Münchner Flughafengesellschaft FMG vergangene Woche angekündigt, Stellen abzubauen. Jetzt hat sich auch das Thema dritte Startbahn offenbar für längere Zeit erledigt. Am Mittwoch kündigte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder bei der CSU-Fraktionsklausur an, in seiner Amtszeit werde die vermutlich bis zu zwei Milliarden Euro teure Piste nicht gebaut. Da Söder nicht mehr als zehn Jahre Regierungschef sein will, gilt das wohl bis 2028 - außer er gibt das Amt schon früher ab.

In ihrem Koalitionsvertrag nach der Landtagswahl 2018 hatten sich CSU und Freie Wähler (FW) darauf verständigt, die Planungen während der laufenden Legislaturperiode bis 2023 ruhen zu lassen. Die FW lehnen die Startbahn ab, Söder selbst hatte sich vor der Wahl noch für die Piste ausgesprochen.

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Durch die Corona-Krise haben sich die Vorzeichen nun umgekehrt. Der Flugverkehr ändere sich grundlegend, erklärte Söder auf Nachfrage. "Es ist heute schon eine Herausforderung, eine Startbahn aufrecht zu erhalten, geschweige denn eine zweite oder gar eine dritte." Man werde auf "ganz lange Zeit" nicht annähernd an die früheren Fluggastzahlen herankommen, geschweige denn Steigerungen haben. "Fliegen und Klimaschutz werden eine andere Balance in der Zukunft haben, als das jetzt der Fall ist, auch was Inlandsstrecken in Deutschland betrifft", sagte Söder. Es werde ganz klar mehr mit der Bahn gereist. Der Bau der Piste dauere zudem mehrere Jahre. "Da ist es aus meiner Sicht natürlich illusorisch zu glauben, dass jetzt eine dritte Startbahn benötigt würde, noch dass das in den nächsten acht bis zehn Jahren stattfinden kann."

Überdies sei es auch finanziell schwierig. Ziel müsse jetzt sein, die Struktur am Flughafen zu stärken, etwa den Terminal 1 auszubauen, und so viele Mitarbeiter wie möglich weiter am Flughafen zu beschäftigen. "Was dann nächste Generationen entscheiden, obliegt der politischen Klugheit und der Mehrheitsfindung."

Tatsächlich ist die Startbahn noch nicht gänzlich vom Tisch. Zwar liegt sie seit dem Münchner Bürgerentscheid 2012 bereits auf Eis. Die Baugenehmigung gilt aber noch bis 2025, danach kann sie noch einmal bis 2030 verlängert werden. Sollte der Flugverkehr sich bis dahin erholen, bleibt die Piste also theoretisch noch immer eine Option. Doch selbst die FMG ist skeptisch, dass sie so schnell wieder an frühere Erfolge anknüpfen kann.

Zehn Jahre lang war das jährliche Passagieraufkommen auf zuletzt 48 Millionen gestiegen, die Zahl der Flugbewegungen lag vergangenes Jahr bei 417 000. Nur in den Jahren 2007 und 2008 starteten und landeten mehr Flugzeuge im Erdinger Moos. Nach dem Rekordjahr 2019 mit einem Konzernumsatz von 1,6 Milliarden Euro rechnet die FMG heuer mit einem Minus von 60 Prozent. Nun teilte die FMG mit, nach Einschätzung aller Experten werde das Verkehrsaufkommen wohl auch in den nächsten Jahren unter dem Vorkrisen-Niveau bleiben. "Die jetzt von der Bayerischen Staatsregierung angekündigte Verlängerung des Moratoriums ist vor dem Hintergrund der massiven pandemiebedingten Verkehrseinbrüche nachvollziehbar", heißt es in einer Stellungnahme.

Auch die Lufthansa, die den Terminal 2 zusammen mit der FMG betreibt, bezweifelt, nach der Corona-Krise jemals wieder zu alter Größe zurückzufinden. Am Mittwoch kündigte sie Einschnitte bei Personal und Flotte an. Die Fluggesellschaft hatte in den vergangenen zwei Jahrzehnten den Münchner Flughafen zu ihrer nach Frankfurt zweitgrößten Drehscheibe ausgebaut. Für diesen wiederum ist sie die mit Abstand wichtigste Fluglinie.

Die Reaktionen der Startbahngegner sind erfreut, aber nicht euphorisch. Dem Ziel "dieses Milliardengrab zu verhindern", sei man nähergekommen, teilte Benno Zierer mit, umweltpolitischer Sprecher der FW. Jetzt gelte es, die dritte Startbahn aus dem Landesentwicklungsplan zu streichen. Die Fraktionschefin der Grünen im Landtag, Katharina Schulze, schrieb am Mittwoch auf Twitter: "Jetzt braucht es Planungssicherheit, kein verlängertes Moratorium sondern endgültiges Beerdigen."

Das Bündnis "Aufgemuckt", das sich seit Jahren gegen die dritte Startbahn einsetzt, will wachsam bleiben. Christian Magerl, früherer Landtagsabgeordnete der Grünen und Sprecher des Bündnisses, sieht die Ankündigung Söders als "ersten Schritt" fordert deshalb, die Aufhebung der Baugenehmigung in die Wege zu leiten. Erst dann wäre das "Damoklesschwert", das seit 2005 über der Region hänge, beseitigt. Noch bleibe ein Hintertürchen offen. Jetzt sei die richtige Zeit, "endlich und endgültig" auf die dritte Startbahn rechtsverbindlich zu verzichten", teilt Martin Geilhufe, vom Bund Natur-schutz in Bayern mit. Dazu müssten die FMG, deren Gesellschafter der Freistaat, die Stadt München und der Bund sind, bei der Regierung von Oberbayern die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses beantragen.

Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) sieht die Sache pragmatisch. Er sei aufgrund der Auswirkungen der Pandemie auf die Passagierzahlen über die Aussage Söders nicht überrascht. Wie sich die Entwicklung des Flugverkehrs gerade auch vor dem Hintergrund der Klimakrise darstellt, werde sich in den nächsten Jahren zeigen. "Für mich gilt aber unverändert, dass eine neue Entscheidung über die dritte Startbahn nur nach einem erneuten Bürgerentscheid erfolgen kann." Bevor man aber die Münchnerinnen und Münchner wieder damit befasse, müssten die Flugbewegungen das auch rechtfertigen.

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