Mitten in Nürnberg:Söder haut die Bremse rein

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Einen millionenschweren Kulturbau auf kontaminiertem NS-Gelände wieder abreißen? Markus Söder kann darüber nur lachen - und die zuständige Behörde schwenkt ein. Jetzt sollte sich auch die Stadt Nürnberg ehrlich machen.

Von Olaf Przybilla, Nürnberg

Die Stellungnahme des Landesamtes für Denkmalschutz ließ es an Deutlichkeit nicht fehlen. Die zuständige Oberkonservatorin hatte sich am 29. September 2021 für eine "Ortsbegehung" aufs ehemalige NS-Areal an der Kongresshalle begeben und kam zu einem eindeutigen Ergebnis: "Da es sich bei den vorliegenden Planungsüberlegungen" - eine Aufführungshalle - "nur um eine Interimslösung für einen begrenzten Zeitraum (Sanierung des Opernhauses) handelt und die Maßnahme nahezu vollständig reversibel ist, könnte die Denkmalpflege ihre fachlichen Bedenken zurückstellen, sofern der tatsächliche Rückbau nach der Interimszeit gewährleistet ist."

Da gab es keine weiteren Fragen, eigentlich. Die Stadt plante ostentativ einen temporären Bau - sie weiß ja um das denkmalpflegerisch hochbrisante Gelände. Und die Fachbehörde urteilt: Geht schon - aber nur, weil ihr eh wieder abreißt.

Jetzt hat Markus Söder das Areal am Freitag besucht, und seine Stellungnahme ist mindestens ebenso unzweideutig. Sinngemäß sagte er: Nur Weltfremde können annehmen, ein millionenschwerer Kulturbau werde hernach dem Boden gleichgemacht. Fein ziselierte akademische Bedenken? Waren Söders Sache nie.

Ob es Zufall ist, dass Generalkonservator Mathias Pfeil ebenfalls am Freitag die erst vor vier Monaten vorgelegte Stellungnahme seiner subalternen Mitarbeiterin - der Oberkonservatorin - wuchtig einkassiert hat? Die geäußerten Bedenken trage er "heute nicht mehr", sagt er der dpa. Als Fachbehörde ist das Landesamt direkt Kunstminister Bernd Sibler zugeordnet. Der wiederum ist Mitglied im Kabinett Söder. Womit alles gesagt wäre.

Die Aufführungshalle wird also nicht wieder abgerissen. Deshalb kann und sollte die Stadt nun mit dem Versteckspiel aufhören. Geplant werden muss ein Bau, der international hohe Beachtung finden wird. Da kann es kein Planen auf kleinem städtischen Dienstweg geben - da braucht es alsbald einen Architektenwettbewerb.

Sollte sich weltweit tatsächlich kein Architekturbüro finden, das in der Lage ist, eine Opernspielstätte zu entwerfen, die mit angemessenem Aufwand in eine - in Nürnberg ja dringend benötigte - Konzerthalle umzufunktionieren ist? Vielleicht sollte sich die Stadt gleich noch von einer anderen Erzählung verabschieden.

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