Ehemaliges Reichsparteitagsgelände:Zäsur in der Interims-Debatte

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Markus Söder besucht zum ersten Mal das Nazi-Halbrund von Nürnberg - und spricht womöglich eine bislang heimliche Wahrheit aus: Ein notwendiger Neubau für die Opernaufführungen werde dort "auf Dauer bleiben".

Von Olaf Przybilla, Nürnberg

Markus Söder ist 55 Jahre alt geworden kürzlich, Nürnbergs Nazi-Halbrund aber - die Kongresshalle - hat er am Freitag erstmals betreten. Zum ersten Mal, als Nürnberger? Ortsfremden wird man das erklären müssen: Für Besucher geöffnet ist nur ein Kopfbau des NS-Baus. Die oberen Stockwerke des Halbrunds dagegen, wo künftig das Nürnberger Operninterim unterkommen soll, sind gewöhnlich nicht betretbar, aus Brandschutzgründen. "Bewegend und beeindruckend" sei der Gang durch die schier endlosen Gänge, sagt Söder.

Söder macht keinen Hehl daraus, dass in ihm "zwei Gefühlswelten" aufeinanderprallen beim Gedanken, den NS-Bau künftig kulturell zu nutzen. "Zweifel" hätten ihn geplagt, "ob man sich das vorstellen kann" - nun überwiege der Glaube an "Chancen". Dann sagt Söder etwas, was die Debatte über die Zukunft des Areals prägen dürfte. Die notwendige Halle für Opernaufführungen, ein Neubau, werde "auf Dauer bleiben". Davon sei er überzeugt.

Ein dauerhafter Bau? Die Äußerung des Ministerpräsidenten darf als Zäsur gewertet werden. Bislang nämlich war die Haltung der CSU-geführten Stadt eindeutig - und vor allem in der CSU eindeutig: Man plane dezidiert ein "Interim". Gedeutet wurde das so, dass das neue Haus für wohl 50 Millionen Euro wieder zurückgebaut werde, sobald die Oper in ihr saniertes Haus im Stadtzentrum zurückkehrt.

Kritiker halten den angedeuteten Wiederabriss freilich bislang schon für eine vorgeschobene politische Finte, um Denkmalschützer zu besänftigen. Kommt doch das zuständige Landesamt zur Einschätzung, die erheblichen "Bedenken" gegen einen Neubau auf dem unter Denkmalschutz stehenden Areal könnten nur zurückgestellt werden, insofern ein "Rückbau" gewährleistet sei. Wenn es aber mit dem in Rede stehenden Abriss soweit ist (voraussichtlich erst 2035) - so fürchten Kritiker, die Stadt könnte sich an die ehemaligen Maßgaben nicht mehr gebunden fühlen. Und die Halle für die alternative Szene nutzen.

Kulturbürgermeisterin Julia Lehner (CSU) betont erneut: "Wir planen ein Interim." Sagt aber auch, der Stadtrat habe nicht festgelegt, was danach geschehen werde. Söder ergänzt, natürlich könne man sich für einen Abriss entscheiden. Er sei aber gespannt, was "der Rechnungshof" dazu sagen würde. Könnte sein, sagt einer aus dem Besuchertross, dass Söder der Wahrheit "da sehr nahe gekommen ist".

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