Politik in Bayern:Unverdrossen auf die Zielgerade

Lesezeit: 4 min

Haben sich im Wahlkampf weder entmutigen noch die Laune verderben lassen: Katharina Schulze (Mitte) und Ludwig Hartmann (rechts) bringen ihre Parteifreunde in Stimmung. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Die bayerischen Grünen geben sich bei ihrem kleinen Parteitag maximal zuversichtlich für den 8. Oktober: Sie setzen alles darauf, die Landtagswahl zur Abstimmung über Anstand in der Politik und den Erhalt der Demokratie zu machen.

Von Johann Osel

An einem mangelt es nicht an diesem Sonntag: an Zuversicht. Die Grünen treffen sich zum kleinen Parteitag, in einem Theater im Münchner Werksviertel. Modernes Inventar, alles perfekt ausgeleuchtet, die Einzugsmusik für das Spitzenduo Katharina Schulze und Ludwig Hartmann, für die bayerische Parteispitze und den angereisten Bundeschef Omid Nouripour ist der Pop-Song "Unstoppable", nicht zu stoppen. Nun gut, über den Porsche, der im Text vorkommt, mutmaßlich ein Benziner, mag man mal hinwegsehen. Aber ansonsten wimmelt es vor Kampfeslust in den Zeilen: stark, mächtig, unbesiegbar. Die Delegierten johlen geradezu, dann erhält noch Außenministerin Annalena Baerbock ihren eigenen Auftritt, schreitet eine Treppe hinab. Sie sei erst in den USA gewesen, sagt sie, "ich dachte, da wäre Wahlkampf Inszenierung. Wahnsinn bei euch!" Und: Bei dieser Landtagswahl sei für die Grünen "echt was möglich". Ein unverdrossen optimistisches Zeichen eine Woche vor dem Wahltag. War was?

Es ist auch das Ende eines Wahlkampfes, der so maximal unfreundlich war für die Grünen, wie sie sich nun maximal optimistisch geben. In Berlin all der Ampel-Frust, das Heizgesetz, die Graichen-Affäre, alles kein Rückenwind. Im Freistaat hat ihnen Ministerpräsident Markus Söder (CSU) das "Bayern-Gen" abgesprochen, sie zum Hauptgegner erkoren, und nicht die AfD. Sein Vize Hubert Aiwanger (FW) tönte gar: "Die AfD bekämpft man am besten, indem man die Grünen bremst." Alle gegen die Grünen, so war oft der Eindruck in den vergangenen Monaten. Die allerdings, so war auch der Eindruck, bei Pfeilern des breiten Lebensgefühls in Bayern - Eigenheim, Auto, Schweinsbraten - zielsicher an der Stimmung im Land vorbeisegelten.

Zum Jahresanfang standen die Grünen in Umfragen bei 18 Prozent, eindeutig zweitstärkste Kraft; die Umfragewerte waren seit 2018 in etwa konstant, so dass man durchaus von einer erarbeiteten Kernanhängerschaft im Freistaat ausgehen durfte. "20 Prozent plus ein sehr, sehr dickes X" hatte Hartmann als Marke ausgegeben, die man erreichen müsse, damit Söder bei der Koalitionsbildung nicht an den Grünen vorbeikomme. In jüngsten Umfragen zeichnete sich dagegen ein Dreikampf um die zweitstärkste Kraft ab, zwischen Freien Wählern, Grüne und AfD. Das Umfragebild variiert, mal liegen die FW deutlicher vorne, jüngst im ZDF-Politbarometer waren es wieder mal die Grünen (16 Prozent) um einen Punkt.

Newsletter abonnieren
:Mei Bayern-Newsletter

Alles Wichtige zur Landespolitik und Geschichten aus dem Freistaat - direkt in Ihrem Postfach. Kostenlos anmelden.

Ihr Kernthema Energiewende wollte dagegen nicht so recht fruchten. Die Grünen hatten eigentlich geplant, dass der 8. Oktober eine Art "Volksabstimmung über die Energiepolitik in Bayern" werden kann. Doch nun haben sie auf den letzten Metern etwas Ähnliches im Sinn: die Wahl zur Abstimmung über Anstand in der Politik zu machen. Das hatten sie bereits nach Aiwangers aufwieglerischer Erdinger Demo-Rede ("Demokratie zurückholen") versucht. An diesem Sonntag kommen "Anstand" und "Demokratie" in praktisch jedem Redebeitrag vor, selbst bei den kürzesten Wortmeldungen. An den Info-Ständen drehe sich der Wind im Schlussspurt, hört man: Es kämen immer mehr Leute, die ihre Angst um die Demokratie zum Ausdruck brächten.

Nie sei es so wichtig gewesen, "einen inneren Wertekompass zu haben", sagt Katharina Schulze in ihrer Rede. "Wenn der Rechtsrutsch und die Klimakrise weiter so fortschreiten, werden Dinge, die uns lieb und teuer sind, in Gefahr sein." Sie wolle Bayern ein "Richtungs-Update geben", für ein Land, das um die besten Lösungen ringe, anstatt in populistische Hetze zu verfallen. "Wenn man die Landbevölkerung aufhetzt gegen die Städter, gewinnt man gar nichts", meint Schulze. Und auch nicht, wenn man große Probleme nicht löse, aber kleine Fragen wie Ernährung oder Winnetou "aufbauscht". Namen nennt Schulze da gar nicht, aber im Saal ist klar, dass sie Aiwanger meint. Söder habe sich an die Freien Wähler "gekettet", sich damit auch an "altes Denken verklammert". Die Grünen wollen nach wie vor mit Söders CSU koalieren. Er habe die "Erwartung an die größte Partei in Bayern", sagt Hartmann, dass sie die Kraft finde, nach der Wahl ihre Blase zu verlassen und Regierungsverhandlungen aufnehmen. "Erst das Land, dann die Partei, und das erwarten wir ganz deutlich."

SZ PlusExklusivSZ Plus-Podcast
:Söders Endspiel

Kanzlerchance oder Karriereende? Ein Jahr Wahlkampf mit Deutschlands ehrgeizigstem Ministerpräsidenten: Markus Söder.

Auch auf den Wahlkampf, der oft von Störungen grüner Wahlkampfveranstaltungen begleitet war, nehmen die Spitzenkandidaten Bezug: "Da können andere noch so viel Triller pfeifen, Steine werfen, uns mit Hass überschütten im Netz - wir weichen nicht", sagt Schulze. Hartmann erklärt, die Grünen hätten trotzdem Wahlkampf außerhalb ihrer Blase gemacht, das Gespräch gesucht: "Wenn andere Brücken einreißen, bauen wir Brücken." Das Land brauche dringend Brücken zwischen konservativ und progressiv, Stadt und Land, Jung und Alt. "Ich habe Bayern immer als ein Land begriffen, ein Land, das gewaltige Stärken hat. Was man liebt, das spaltet man nicht." Der Landtagsabgeordnete Johannes Becher ergänzt kämpferisch: "Wenn sie unsere Plakate runterreißen, kleben wir sie wieder auf."

Landtagswahl in Bayern
:Die Laute und der Ruhige

Mit Katharina Schulze und Ludwig Hartmann schicken die Grünen zwei unterschiedliche Spitzenkandidaten in die Landtagswahl. Am Ende kann nur einer Ministerpräsident werden. Theoretisch.

Von Andreas Glas

Auch Parteichef Nouripour und Außenministerin Baerbock sind als Mutmacher gekommen. Baerbock, die nach dem Parteitag noch für eine Bürgersprechstunde in München bleibt, warnt vor einem "Schlechtreden dieses großartigen Landes" und vor der fortschreitenden Spaltung. Bratwurst oder Grünkern-Bratling, Hafermilch und Alpenmilch, das werde von Konservativen forciert. Beim Blick in den Supermarkt frage sie sich: "Warum dieser Kulturkampf auf offener Bühne, wenn es doch im Alltag, im Leben der Menschen eigentlich ganz normal ist?"

Zur Migration sagt die Ministerin: "Alle, die versprechen, man muss nur das, das und das machen, und dann ist alles wieder gut - in welcher Welt leben die denn?" Es stimme aber, dass man es sich nicht so einfach machen dürfe, dass die Kommunen das irgendwie hinbekommen müssten. Es brauche "geordnete Strukturen für eine gemeinsame europäische Asylpolitik." Das sei schwierig, es gebe "nicht die perfekte Lösung", deshalb ringe man auch so um das Thema. Ihre Grünen dürften sich von Hass und Hetze "nicht kirre machen" lassen, findet Baerbock. Die eigene Partei müsse aber etwa auch "anerkennen, dass man in manchen Gegenden dieser Republik aufs Auto angewiesen ist".

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusDie Grünen in Bayern
:Hass und Hendl

Egal in welches Bierzelt die Grünen in Bayern gerade kommen: Die Verachtung ist schon da. Sie werden angebrüllt, ausgepfiffen, jetzt fliegen sogar Steine. Auf Wahlkampftour mit Katharina Schulze, die schon beschimpft wird, wenn sie ein Dirndl anzieht.

Von Andreas Glas, Johann Osel (Text) und Alessandra Schellnegger (Fotos)

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: