Nach Heizgesetz-Demo in Erding:CSU-Fraktionschef vergleicht Aiwangers Wortwahl mit Rechtsradikalen

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Thomas Kreuzer war seit 2013 Fraktionsvorsitzender der CSU im Landtag und gehörte seit 1994 dem Parlament an. Nun ist er nicht mehr angetreten. (Foto: Matthias Balk/dpa)

Thomas Kreuzer sieht aber keinen Grund für einen Rücktritt des Wirtschaftsministers - wie laut einer Umfrage auch eine Mehrheit der Menschen in Bayern. Wie steht es nun um die Harmonie in der Koalition? Am Montag trifft sich der CSU-Parteivorstand von Markus Söder.

Von Johann Osel

Bleibt von der umstrittenen Demo-Rede von Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) eine Belastung für die Koalition in Bayern, wie steht es tatsächlich um das Verhältnis von CSU und Freien Wählern? An diesem Montag dürfte sich, und sei es auf Nachfrage, erstmals Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder selbst dazu äußern. Er wird dann vor der Presse über die Sitzung seines Parteivorstands berichten. Bei den Beratungen geht es um das am Freitag vorgestellte Wahlprogramm der CSU, wohl auch um den weiteren Kurs gegenüber dem Regierungspartner. Im Laufe der Woche kritisierte Söder, der ebenfalls in Erding gesprochen hatte, laut Kabinettskreisen zwar intern den Vize-Ministerpräsidenten für dessen Äußerungen bei der Kundgebung gegen das Heizungsgesetz - ein öffentliches Statement blieb aber bislang aus.

Dafür taten mehrere prominente Köpfe der CSU ihr Missfallen kund. Zu denen sich jetzt auch der CSU-Fraktionsvorsitzende Thomas Kreuzer gesellte. Er verglich Aiwangers Wortwahl bei der Demo am Samstag vor einer Woche mit der von Rechtsradikalen. Kreuzer bezog sich im Bayerischen Rundfunk vor allem auf die Formulierung, es sei "der Punkt erreicht, wo endlich die schweigende große Mehrheit dieses Landes sich die Demokratie wieder zurückholen muss". Aiwanger sei kein Radikaler, ein "vollständiger Demokrat", betonte Kreuzer. "Trotzdem ist das eine Diktion, die sonst Rechte und Rechtsradikale haben". Der FW-Chef, so Kreuzer, habe aber schon mehrmals geäußert, nichts mit der AfD zu tun haben zu wollen. Bedenken gegen die Koalition, die CSU und FW nach der Wahl fortsetzen wollen, oder Anlass für einen Rücktritt Aiwangers gebe es daher nicht.

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Die Grünen hatten am Mittwoch Aiwangers Entlassung gefordert, worüber in einer lebhaften Landtagssitzung gestritten wurde. Dort hatte sich Kreuzer auffälligerweise nicht selbst zu Wort gemeldet; und Beobachter registrierten keinen oder nur spärlichen Applaus bei Aiwangers Rede. CSU und FW lehnten mit ihrer Mehrheit den Grünen-Antrag ab. Aiwanger selbst hatte im Plenum nichts konkret zur Debatte um seine Person gesagt, sich in einem Bericht der Deutschen Presseagentur aber verteidigt: "Nur weil irgendwann mal ein AfD-ler etwas ähnliches gesagt hat, ist das noch lange kein Tabu-Satz für jeden anderen." Eine Entlassung halten übrigens laut einer Civey-Umfrage im Auftrag der Augsburger Allgemeinen 59 Prozent der Befragten in Bayern für falsch; gut ein Drittel unterstützt den Ruf nach Konsequenzen für Aiwanger.

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Nach der Demo hatte schon Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) Aiwangers Wortwahl als "unangemessen" bezeichnet. "Rote Linie überschritten", befand Bauminister Christian Bernreiter (CSU). In der Landtagsdebatte sagte Tobias Reiß, parlamentarischer Geschäftsführer der CSU: "Wir müssen unsere Demokratie selbstredend nicht zurückholen, sie ist nicht weg." Söder habe sich in Erding klar von der AfD distanziert, "und natürlich erwarte ich diese Abgrenzung von allen Mitgliedern der Staatsregierung". Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) sagte der Süddeutschen Zeitung unmittelbar nach Erding, Entscheidungen der Ampel seien, auch wenn man sie für falsch halte, demokratisch gefällt. Das sollte auch ein stellvertretender Ministerpräsident "nicht in Frage stellen". Im BR ergänzte Aigner nun aber, Aiwanger sei "natürlich kein Antidemokrat". Forderungen nach einer Entlassung Aiwangers bezeichnete sie "Wahlkampfgetöse".

Die Bayern-SPD rief derweil mit Partnern zu einer "Demonstration der Vernünftigen" am 1. Juli in München auf - Erding sei "ein politischer Dammbruch", teilte SPD-Landeschef Florian von Brunn dazu mit. Die Kabarettistin Monika Gruber, Mitorganisatorin der Erdinger Kundgebung, revidierte wiederum ihre ursprünglichen Pläne für eine weitere Großdemo auf der Münchner Theresienwiese - aufgrund der Abänderung der Heizungsgesetzes im Bund, wie sie der Münchner Merkur zitierte. Neuerlicher Protest sei aber nicht ausgeschlossen, "falls ähnliche bürger- und wirtschaftsfeindliche Gesetze" seitens der Ampel geplant würden.

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