Politik in Bayern:Kretschmann grätscht bei Lanz in den grünen Wahlkampf

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"Muss man jetzt nicht hochjazzen": Baden-Württembergs Ministerpräsident lässt im Umgang mit Hubert Aiwanger Nachsicht walten. (Foto: Thomas Kienzle/AFP)

Bayerns Grüne sorgen sich um die Demokratie und fordern im Landtag die Entlassung von Hubert Aiwanger. Minuten später äußert sich ausgerechnet der einzige grüne Ministerpräsident im ZDF überraschend milde.

Von Johann Osel

Ein Lärmteppich aus Zwischenrufen von allen Seiten, sodass die Reden kaum noch zu verstehen sind. So hitzig und laut ging es schon lange nicht mehr zu im Landtag wie in der Debatte über den Erdinger Demo-Auftritt von Hubert Aiwanger. Die Grünen forderten, dass Ministerpräsident Markus Söder (CSU) seinen Stellvertreter von den Freien Wählern entlassen müsse - ihr Antrag fand am Mittwoch spät in der Nacht keine Mehrheit. Es geht ihnen vor allem um Aiwangers Satz in Erding, es sei der Punkt erreicht, "wo endlich die schweigende Mehrheit im Land sich die Demokratie wieder zurückholen muss". Als wäre die im Jahr 2023 abgeschafft, und das aus dem Munde eines gewählten Vize-Ministerpräsidenten.

Tatsächlich scheinen die Grünen schon länger auf der Suche nach einem Wahlkampfschlager zu sein. All die Fleißarbeit ihrer Abgeordneten zu Fachthemen, Bayerns magere Bilanz in der Energiepolitik, die vielen Untersuchungsausschüsse, nichts verfing bisher. Nun wollen sie die Landtagswahl im Oktober offenbar zur Abstimmung über "eine Regierung mit Anstand, Respekt und der Würde der Demokratie" stilisieren.

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So sagte es Spitzenkandidatin Katharina Schulze. Aiwangers Aussagen seien eine "Lehrbuchbeschreibung eines astreinen Rechtspopulisten und geistigen Brandstifters", er wiegele die Leute "gegen unsere parlamentarische Demokratie" auf, das erinnere an Donald Trump und die AfD. Söder dürfe nicht zulassen, dass Mitglieder der Staatsregierung "rote Linien überschreiten". Thomas Gehring (Grüne) meinte, Aiwanger habe sich nicht entschuldigt trotz Kritik und Nachfragen, ihm "ist dieser Satz nicht irgendwie herausgerutscht". Die Argumentationslinie steht also.

Und dann kommt Winfried Kretschmann, grätscht saftig rein ins bayerische Wahlkampfthema. Der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Deutschlands erfolgreichster Grüner, ist bei "Markus Lanz" im ZDF zu Gast. In der Ausstrahlung nur Minuten nach dem nächtlichen Trubel im bayerischen Landtag sagt er da, der Satz in Erding sei ohne Zweifel "Unsinn", aber er sei ein "anderes Kaliber, der Herr Aiwanger, wie jetzt irgendwelche gefährlichen Populisten". Und ohnehin gelte da ein gewisser "Bayern-Abzug, Bayern-Folklore und so weiter", Milde also. "Muss man jetzt nicht hochjazzen."

Die Journalistin Eva Quadbeck sprach dagegen von Aiwanger als "Westentaschen-Trump", vorsorglich hatte die Redaktion Videos aus Erding hinter den Themenblock zum Ex-US-Präsidenten gesetzt. Auch Aufnahmen von Söders Rede bei der Demo, der dort wähnte, dass das Land "den ganzen Tag von einigen wenigen Grünen-Funktionären umerzogen wird". Nichts, wovon sich Kretschmann erschüttern lassen würde. Bei Söder sei es "Wahlkampf-Sprech, so was kann man sagen, ist einfach erlaubt". Die Gefahr einer Stimmung, man sei gar nicht in einer Demokratie, nehme er "schon ernst": Er ziehe da jetzt aber "keine Linie von Trump zum Aiwanger".

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Von Andreas Glas

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