Verkehr:Wie Bayern, Tirol und Südtirol den Brenner-Streit beilegen wollen

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Streben ein gemeinsames Verkehrsmanagement für den Brenner an (v.li.): Markus Söder, Anton Mattle und Arno Kompatscher. In ihren Händen halten sie die entsprechende Absichtserklärung, die sie bei einem Treffen auf der Festung Kufstein am Mittwoch unterzeichnet haben. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Bei einem Treffen in Kufstein sprechen sich Ministerpräsident Söder und seine Amtskollegen Kompatscher und Mattle für mehr Kooperation aus - und wollen die umstrittene Blockabfertigung überwinden.

Von Matthias Köpf, Kufstein

Wenn Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), der Tiroler Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP) und der Südtiroler Regierungschef Arno Kompatscher (SVP) zusammenkommen, dann reicht es in Söders Formulierung auf jeden Fall für einen "Alpengipfel". Was das Thema ihres Treffens am Mittwoch in Kufstein betrifft, nämlich den Dauerstreit wegen des Güterverkehrs über den Brenner, so ist eine Lösung zwar noch ähnlich weit entfernt wie der Alpenhauptkamm von der Kufsteiner Festung. Mit ihrer dort unterzeichneten gemeinsamen Erklärung wollen die Regierungschefs der drei Bundesländer aber die jahrelange politische Blockade beenden - und auf längere Sicht auch die umstrittene Tiroler Blockabfertigung. Als Mittel dazu gilt ihnen ein digitales System von Durchfahrtsrechten für Lastwagen, das allerdings nur auf Ebene der jeweiligen Bundesregierungen eingeführt werden könnte.

"Wir brauchen natürlich Deutschland, wir brauchen Österreich und wir brauchen Italien", sagt Gastgeber Mattle in Kufstein. Nur seine eigene Landesregierung könnte das anvisierte Slot-System für den Schwerverkehr ganz auf eigene Faust einführen, so wie sie 2017 mit den Blockabfertigungen auf der Inntalautobahn begonnen hat, nachdem der Verkehr zur Hauptreisezeit an Pfingsten auf ganzer Länge des Landes zum Stillstand gekommen war. Seither bremst Tirol an besonders verkehrsreichen Tagen nach seinen Wochenend-, Feiertags- und Nachtfahrverboten morgens den Lkw-Verkehr aus und lässt die Laster nur nach und nach ins Land. Bayern und Südtirol, wo sich die Lastwagen jeweils weit zurück stauen, halten diese "Dosierungen" für unvereinbar mit dem EU-Recht, doch auch die oft angedrohten Klagen könnten nur die Bundesregierungen einreichen.

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Nun wollen es die drei alpinen Bundesländer stattdessen mit Zusammenarbeit versuchen. "Wir hatten ja einige Jahre Funkstille. Jetzt senden wir wieder gemeinsam", sagt Söder mit Blick auf die Empfänger in Berlin, Wien und Rom. Söders seit 2021 regierender Tiroler Kollege Mattle hat bisher mehr Kooperationsbereitschaft signalisiert als Vorgänger Günther Platter. "Vom Überfahrenwerden ins Gestalten kommen", formuliert der Südtiroler Regierungschef Kompatscher die Hoffnung beiderseits des Brenners.

Bayern, Tirol und Südtirol lassen dazu ein "intelligentes Verkehrsmanagementsystem" entwickeln, über das Unternehmen im Voraus und digital Durchfahrten für den gesamten Brennerkorridor bis Italien buchen können. Die Idee hatten Mattle und Kompatscher schon zu Beginn dieses Jahres mit einer Machbarkeitsstudie der Südtiroler vorgestellt. Inzwischen beschäftigt sich eine Arbeitsgruppe der drei Länder mit den Grundzügen, die nach Angaben von Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) im Spätherbst vorliegen könnten.

Das System soll die vielen Lkw-Fahrten vor allem besser über die Tage und Wochen verteilen. Das Tiroler Nachtfahrverbot bliebe davon unberührt, obwohl man sich auf bayerischer Seite auch da eine Lockerung erhofft. Eine feste Obergrenze für die Zahl der Fahrten wurde bisher nicht vereinbart, ergäbe sich aber über die Zahl der Slots. Tirol dringt seit Langem auf eine solche Obergrenze, während Deutschland, Italien und auch Bayern bisher stets den freien Warenverkehr innerhalb der EU betont haben. Wo der Südtiroler Kompatscher bekräftigt, "dass es mit einer freien Fahrt für alle mittel- und langfristig nicht mehr funktionieren kann", hat Italiens Verkehrsminister Matteo Salvini von der rechtsgerichteten Lega zuletzt wieder von einer Klage gegen die Blockabfertigung gesprochen. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) wiederum hatte auf Vermittlungsbemühungen der EU-Kommission verwiesen, auf die auch die drei Bundesländer hoffen.

Der Brenner sei "im Moment die Lkw-Rennstrecke", sagt Söder

Vor einer Einigung etwa auf ein Slot-System rechnet jedoch auch in der bayerischen Staatsregierung niemand mit einem Ende der Blockabfertigung. Denn der Lastwagenverkehr nimmt stetig zu und wird das nach Erwartung der beteiligten Regierungen auch weiter tun. Waren es im Jahr 2000 noch 1,1 Millionen, so wälzten sich laut Mattle 2022 - zusätzlich zu etwa elf Millionen anderen Fahrzeugen - schon rund 2,5 Millionen Lkw über den Brenner, ein Anteil von 40 Prozent am gesamten alpenquerenden Lastwagenverkehr. Zugleich sei die Zahl der Lkw-Fahrten durch die Schweiz zuletzt von 1,4 Millionen auf etwa eine Million gesunken.

Der Brenner sei "im Moment die Lkw-Rennstrecke", sagt Söder. "Wir spüren, dass der Brenner Entlastung braucht", vorerst am besten durch "eine Art buchbare Autobahn mit Slots, wie man's vom Fliegen her kennt". Im Gegensatz zu den Landerechten auf Flughäfen sollen die Brenner-Slots aber keine unterschiedlichen Preise haben, sondern gar keinen. Auch gehandelt werden sollen sie dementsprechend nicht, wie es etwa auf einer von verschiedenen Umweltverbänden geforderten Alpentransitbörse geschehen könnte.

Aus Tiroler und Südtiroler Sicht könnte das Slot-System für die Lastwagen auch irgendwann helfen, den Güterverkehr auf die Schiene umzuleiten. Italien und Österreich bauen schon seit langer Zeit einen neuen Brenner-Basistunnel, der 2032 fertig sein soll. In Deutschland gibt es dagegen noch keine detaillierte Planung für zwei zusätzliche Gleise Richtung Tunnel, sondern nur eine grobe Trasse, die die Anwohner im Raum Rosenheim mindestens genauso umtreibt wie die regelmäßigen Lkw-Rückstaus auf der A93.

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