Jahresrückblick:Für die CSU waren Triumph und Desaster ganz nah beisammen

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Da ist die Luft raus: Für die CSU und Markus Söder hat das Jahr 2021 vielversprechend begonnen und lange Zeit erfolgversprechend ausgesehen. Davon geblieben ist nach der Bundestagswahl nichts. (Foto: Tobias Hase/dpa)

Für Markus Söder sind 2021 Kanzlerträume zum Greifen nahe, der September bringt seiner Partei dann eine historische Klatsche. Und nun? Läuft der Countdown für die Landtagswahl in knapp zwei Jahren.

Von Andreas Glas und Johann Osel, München

Die ganze Republik schaut auf München, wieder mal. Markus Söder möchte Kanzlerkandidat der Union werden, vielleicht deshalb zitiert er gleich zwei Kanzler an diesem Apriltag in der CSU-Parteizentrale. "In der Ruhe liegt die Kraft", sagt er mit Verweis auf Angela Merkel. Und: "Entscheidend ist, was hinten rauskommt", ohne Urheber Helmut Kohl zu nennen. Es sind diese K-Kampfwochen, in denen sich Söder oft vielleicht schon wie der Kanzlerkandidat fühlt, womöglich wie ein halber Bundeskanzler.

Was in der CSU noch keiner geschafft hat, nicht mal Franz Josef Strauß und Edmund Stoiber, ist zum Greifen nahe. Söder ist Umfragekönig, sieht sich als Speerspitze der Jungen, Modernen, Zukunftsgewandten. Vom riesigen Exekutiv-Bonus, den der Corona-Krisenmanager Söder im ersten Pandemiejahr ansammelt, ist noch viel da. Wäre jetzt Landtagswahl, bekäme die CSU 40 Prozent und mehr, melden in den ersten Monaten 2021 die Institute. Die CSU als denkbare Kanzlerpartei, als bundesweiter Taktgeber. Es kommt dann nur, Referenz Helmut Kohl, etwas anderes hinten raus - bei der Kandidatenkür wie bei der Bundestagswahl im September.

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Schlechtestes Ergebnis seit 72 Jahren

Am Wahlabend steht in der Parteizentrale, wo im Frühjahr der kraftstrotzende Söder posierte, ein zerknirschter Generalsekretär Markus Blume und spricht von einem Ergebnis, das "nicht vollumfänglich zufriedenstellen" könne. Eine gewaltige Schönfärberei, gemessen an den Zahlen: 31,7 Prozent in Bayern. Das schlechteste CSU-Ergebnis seit 72 Jahren. Triumph und Desaster, beides lag für die CSU nah beisammen in diesem Jahr. An dessen Ende fragt sich die Partei, wie das alles passieren konnte, und ob noch Schlimmeres blüht. In nicht mal zwei Jahren ist ja Landtagswahl. Aussichten? Ungewiss. Die jüngste, noch von der Wahl gefärbte Umfrage sagte der CSU 32 Prozent voraus. Für die stolze Partei wäre das eine Katastrophe, für Parteichef Söder wohl das politische Ende.

Die innerparteiliche Wahlanalyse ist im Dezember 2021 noch nicht abgeschlossen, aber in einigen Punkten herrscht breiter Konsens. Dass ein Kandidat Söder für die Union mehr Stimmen gezogen hätte als CDU-Kandidat Armin Laschet, darin sind sich praktisch alle einig in der CSU. Allerdings auch darin, dass Laschet besser abgeschnitten hätte, hätte ihn Söder nicht ständig schikaniert, Stichwort "Schlafwagen". Zwar hatte Blume seine Wahlkämpfer aufgerufen, fleißig Laschet-Plakate zu tapezieren, "da lassen wir uns nichts nachsagen". Tatsächlich aber gab es Regionen, in denen der Kandidat kaum zu sehen war oder die Basis "den Armin" am liebsten wieder abhängen wollte. Erst im September, beim Parteitag in Nürnberg, war in der CSU so etwas wie Euphorie zu beobachten. Wobei der popstarhafte Empfang für Laschet dann doch etwas zu dick aufgetragen war, um restlos glaubhaft zu sein.

Bei der Wahlanalyse stößt man auf noch mehr hausgemachte Probleme. Die Maskenaffäre natürlich, die viel Vertrauen gekostet hat. Dazu hatte sich Söder früh auf die Grünen als Gegner fokussiert, seine CSU thematisch ergrünen lassen - und so die SPD aus dem Blick verloren, die am Ende in Bayern auf Platz zwei landete (18 Prozent), klar vor den Grünen. Das konnte auch die deftige "Rote-Socken-Kampagne" nicht verhindern, die Söder im Schlussspurt zündete. Er warnte vor einem "Linksrutsch" durch ein rot-grün-rotes Bündnis, vor der Ampel als "verdünnter Linkssuppe". Ein mehrseitiger Wahlaufruf des CSU-Vorstands skizzierte, dass ein "Linksrutsch" das Land quasi ins Verderben stürze. Ein Tonfall, der plötzlich gar nicht mehr modern und zukunftsgewandt klang. Die CSU verlegte sich fast komplett darauf, ihre Gegner anzugreifen. Weil sie inhaltlich selbst nur wenig anzubieten hatte, sagen Söders Kritiker.

Kritiker sehen die CSU-Stammklientel überfordert

In der CSU sind viele der Meinung, dass ihr Chef mit seinem Vorsatz, die Partei jünger, grüner, moderner zu machen, die Stammklientel überfordert und anderen in die Arme getrieben hat. In Ostbayern, aber nicht nur dort, schnitten die Freien Wähler gut ab, regionale Erfolge verbuchte auch die AfD, generell ferner die FDP. Klassisch tiefschwarze, ländliche Regionen haben ihre CSU-Direktkandidaten bestätigt, ihnen aber teils deutliche Dämpfer verpasst. Braucht die Partei mit Blick auf die Landtagswahl 2023 eine deutliche Kurskorrektur? Söder bestreitet das, doch inzwischen kann jeder hören, dass die CSU ihre konservativen Themen wieder stärker betont. In der Drogenpolitik, bei der Zuwanderung, beim Abtreibungsrecht. Bundespolitisch ist München derweil zum Nebenschauplatz verkommen, alle Blicke richten sich auf die Ampel.

Die bloße Fortsetzung der Linksrutsch-Kampagne wird jedoch nicht reichen, das wissen die CSU-Strategen. Und suchen für die Wahl 2023 nach einer neuen Erzählung, um das Profil der Partei wieder greifbarer zu machen - so wie es unter CSU-Chef Stoiber mit "Laptop und Lederhose" gelang. Die Bundestagswahl war ein Denkzettel, die Landtagswahl, laut Horst Seehofer die "Mutter aller Schlachten", wird nicht weniger als ein Schicksalstag für die CSU. Der Countdown hat begonnen.

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