Psychologie:Klischees bei der Berufswahl

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Und? Steckt unter diesem Schutzanzug ein Mann oder eine Frau? (Foto: Roland Weihrauch/dpa)

Warum sich Männer und Frauen in modernen Gesellschaften manchmal erst recht unterscheiden.

Von Sebastian Herrmann

Sind Frauen in Berufen unterrepräsentiert, gilt dies häufig als Beleg für Diskriminierung und Bevorzugung von Männern. So einfach scheint es jedoch nicht zu sein. Gerade haben Psychologen um Gijsbert Stoet von der University of Essex in Colchester eine große Studie publiziert, die zeigt: In Ländern, in denen es im Verhältnis besonders gut um die Geschlechtergerechtigkeit steht, driften die Berufswünsche von Jugendlichen weiter auseinander als in Staaten, in denen traditionelle Rollenmuster stärker verhaftet sind. Die Ergebnisse ihrer Arbeit passten zum sogenannten "Gender-Equality Paradox", das bereits in anderen, natürlich nicht unumstrittenen Studien beschrieben worden ist, so der an der Publikation beteiligte Psychologe David Geary von der University of Missouri-Columbia.

Für die im Fachjournal Plos One publizierte Arbeit werteten die beiden Wissenschaftler Daten von 473 260 Jugendlichen im Alter von 16 Jahren aus, die 2018 im Rahmen der Pisa-Studie befragt worden waren. Die Teilnehmer stammten aus 80 Ländern und gaben in der Erhebung auch Auskunft über ihre künftigen Berufswünsche. Die Karrierevorstellungen sortierten die Forscher in drei Kategorien: Berufe, in denen man vorrangig mit Dingen zu tun hat (Handwerk); solche, in denen der Kontakt mit anderen Menschen eine tragende Rolle spielt (Medizin, Lehrer); oder Berufe aus dem sogenannten MINT-Bereich, was für Mathematik, Ingenieurswesen, Naturwissenschaft, Technik steht.

Von finanziellen Nöten befreit, ist es leichter, sich seinen intrinsischen Interessen zu widmen

In allen Ländern passten die durchschnittlichen Idealvorstellungen der befragten Jugendlichen zum klischeehaften Rollenverständnis: Die jungen Frauen interessierten sich vorrangig für Berufe, in denen sie viel Kontakt mit Menschen haben. Jedem Jungen, der diese Präferenz angegeben hatte, standen drei Mädchen mit diesen Wünschen gegenüber. Am größten war der Unterschied in Litauen (42,1 Prozent unter den Mädchen, 7,1 Prozent unter den Jungen). Die geringste Differenz in diesem Bereich fand sich in Libanon (54,3 Prozent der Mädchen, 32 Prozent der Jungen).

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Ähnliche Zahlen beobachteten Stoet und Geary für Berufe, in denen man sich vor allem mit Dingen beschäftigt. Jedem Mädchen mit dieser Präferenz standen 4,3 Jungen gegenüber. Am größten fiel der Unterschied in Tschechien aus (56,2 Prozent Jungen, 6,3 Prozent Mädchen), am kleinsten in den Vereinigten Arabischen Emiraten (38,6 Prozent Jungen, 22,3 Prozent Mädchen), gefolgt von Staaten wie etwa Marokko, Libanon, Katar, in denen Geschlechtergerechtigkeit nicht besonders hoch im Kurs steht. Ein ähnlicher Zusammenhang zeigte sich auch für Berufe aus dem MINT-Bereich. Hier war der Geschlechterunterschied in Marokko am geringsten (17,2 Prozent der Jungen, 11,5 Prozent der Mädchen).

In allen drei Bereichen fand sich eine Korrelation mit einem Index für Geschlechtergerechtigkeit. Je besser ein Land abschnitt, desto eher entsprach der Vergleich der Berufswünsche den Stereotypen. Die Wissenschaftler erklären dies damit, dass die Menschen in diesen Ländern im Verhältnis eher wohlhabend sind, was unter anderem auch an der Teilhabe von Frauen am Wirtschaftsleben liege. Von finanziellen Nöten befreit, sei es leichter, sich seinen intrinsischen Interessen zu widmen und einen Beruf vorrangig danach auszuwählen, ob er Spaß und Erfüllung bietet. So offenbare sich, dass Männer und Frauen Unterschiede in sich tragen, die sich gerade dann ausprägen, wenn sie von Zwängen befreit werden.

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