Der öffentliche Lebenslauf der Gegenwart nennt sich Social Media. Wie in beruflich motivierten Bewerbungsunterlagen hilft auch dort das Instrument der Übertreibung, um Ziele zu erreichen. Wer also sein Facebook-Instagram-Tinder-Profil besonders liebevoll frisiert, erntet mehr Likes, mehr Follower, mehr Matches und mehr Aufmerksamkeit. Übertreibung wird belohnt (so man sich nicht erwischen lässt), und deshalb werden in den sozialen Medien die Halbwahrheiten strapaziert, dass sich die digitalen Pressspanplatten biegen.
Die meisten Nutzer setzen dabei auf geschlechterspezifische Strategien der Selbstdarstellung. Frauen lassen sich etwas hübscher erscheinen, als sie in der fotofilterlosen analogen Welt tatsächlich sind. Männer schmücken sich mit persönlichen Erfolgen, die sie höchstens in ihren Tagträumen erzielen. Diese Unterschiede gelten offenbar weltweit, wie gerade Forscher um Dasha Kolesnyk von der Erasmus-Universität Rotterdam im Fachjournal Psychological Science berichten. Die Wissenschaftler werteten Daten von mehr als 12 000 Teilnehmern aus 25 Ländern aus, darunter auch Deutschland - und stießen auf das beschriebene, globale Muster übertriebener Selbstinszenierung in den sozialen Netzwerken.
Das Ergebnis, so das Team um Kolesnyk, sei plausibel: "Männer und Frauen übertreiben jeweils in Bereichen, die für sie bei der Partnersuche relevant sind." Es werden Signale an potenzielle Partner und auch an die Konkurrenz aus dem eigenen Geschlechterlager gesendet: Seht her, ich bin schön, ich bin erfolgreich! Allen gesellschaftlichen Entwicklungen zum Trotz bevorzugen Frauen weltweit noch immer eher erfolgreiche, wohlhabende Männer. Und Männer stehen noch immer eher auf junge, attraktive Frauen. Das hat jüngst mal wieder ein Team aus mehr als 100 Forschern um Kathryn Walter in einer Studie in 45 Ländern bestätigt. So einfach ist das - es wird nach altbekannten Strategien geprahlt: Mit ein paar geschönten Selfies oder ein paar Flunkereien über Erfolge lässt sich der eigene Marktwert eben weltweit steigern, egal wie heftig an anderer Stelle Geschlechterklischees geächtet werden.
Doch es folgt ein Aber. Wie die Forscher um Kolesnyk beobachtet haben, ergeben sich doch ein paar globale Unterschiede. In Ländern mit ausgeprägterer Geschlechter-Gerechtigkeit schönen die Nutzer sozialer Medien ihr Selbstbild ein kleines bisschen zurückhaltender. Dafür öffnet sich in diesen Ländern die Selbstdarstellungsschere zwischen den Geschlechtern etwas weiter. Die Unterschiede fielen deutlicher aus, was wesentlich an den Männern lag. Frauen hübschten ihre Profile in geschlechtergerechten Ländern im Vergleich etwas seltener auf und blieben eher bei der Wahrheit. Männer prahlten hingegen unvermindert weiter mit vermeintlichem Erfolg. Die Forscher um Kolesnyk bieten dafür eine Begründung: Erfolgreiche Frauen daten mit besonderer Vorliebe Männer, die noch etwas erfolgreicher sind, zeigten Studien. So oder so, Aufschneiderei lohnt sich für Männer wie Frauen. Nur wer zu plump vorgeht, gerät im Tanz auf dem rutschigen Parkett der Halbwahrheiten aus dem Takt.