Als er sechs Jahre alt war, meldeten die Eltern Carsten Rosenberg bei der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft an, dort lernte er schwimmen - das war 1992. Heute leitet er unter anderem ehrenamtlich eine Wasserrettungsstation auf dem Darß an der Ostseeküste Mecklenburg-Vorpommerns und bringt deutschlandweit anderen Ausbildern bei, wie sie am besten Rettungsschwimmer unterrichten. Mehr als 500 Menschen ertranken im vergangenen Jahr allein in Deutschland, die meisten von ihnen in Flüssen und Seen. Rosenberg weiß, weshalb Badende manchmal gar nicht mitbekommen, wenn jemand ganz in ihrer Nähe untergeht. Ein Gespräch über retten und gerettet werden.
In Filmen schreit und winkt ein Ertrinkender dramatisch, bis der Baywatch-Retter zu ihm gejoggt und geschwommen ist. Wie sieht es denn in Wirklichkeit aus, wenn jemand in Not ist?
Wer sich mit letzter Kraft über Wasser hält, kann gar nicht mehr winken oder um Hilfe schreien, sondern kämpft ums Überleben. Das bekommen selbst Leute direkt daneben nicht unbedingt mit, weil sie die Anzeichen nicht kennen: Zum Beispiel wenn jemand schnelle, hektische Schwimmbewegungen macht, aber gar nicht von der Stelle kommt. Oder den Kopf im Nacken und den Mund auf Höhe der Wasseroberfläche hat, wenn die Augen panisch aufgerissen sind und Haare vor dem Gesicht hängen.
Nun ertrinken ja nicht nur kleine Kinder, sondern auch Jugendliche und Erwachsene - also kräftige Menschen, die panisch um ihr Leben kämpfen. Wie kann ich sie retten, ohne selbst in die Tiefe gezogen zu werden?
Ganz, ganz wichtig ist: Der Eigenschutz geht immer vor, egal ob ich ausgebildeter Rettungsschwimmer bin oder Laienhelfer. Ertrinkende handeln nicht rational und versuchen voller Angst, sich an allem festzuhalten, was sie zu greifen kriegen. Wenn ich dorthin schwimme und nichts als Rettungsmittel dabei habe, klammern sie sich im schlimmsten Fall an mir fest, und dann wird es für beide sehr, sehr gefährlich. Deswegen erst den 112-Notruf absetzen und sich dann möglichst etwas suchen, das Auftrieb hat. Das muss nicht die Baywatch-Boje sein, die hat ja nicht jeder. Aber man kann eine Luftmatratze von jemandem mitnehmen, ein Schwimmbrett oder einen Beachvolleyball. Mit den Sachen schwimmt man zwar nicht ganz so schnell hin, aber ich kann sie zuwerfen, so dass sich der Ertrinkende daran festklammern kann. Man selbst hält auf jeden Fall erst mal Abstand und spricht ihn an. Sollte er dann auf einen zuschwimmen, ist das eigentlich ein ganz guter Moment: Dann schwimme ich langsam Richtung Ufer, so dass mich die Person nicht zu fassen bekommt, wir aber näher ans flache Wasser kommen.
Bei Bewusstlosen darf ich aber gleich zu Hilfe eilen?
Da muss ich erst einschätzen, ob vom Gewässer eine Gefahr für mich ausgeht - zum Beispiel im Rhein würde niemals jemand hinterherschwimmen, sondern Profis alarmieren. Treibt aber eine Person in einem Becken oder See nur wenige Meter entfernt, muss sie schnellstmöglich raus: Ich drehe den Bewusstlosen auf den Rücken und überstrecke im besten Fall beim Schleppen den Kopf. Man muss nur darauf achten, dass der dann nicht unter Wasser gerät, weil sonst Wasser in die Lunge laufen würde. Aber das Überstrecken hilft, dass vielleicht sogar wieder eine Spontanatmung einsetzt oder der Bewusstlose gar nicht erst aufhört, zu atmen.
Wie bekommt man den Bewusstlosen dann am besten nach draußen?
Da gibt es den Kopf- oder den Achselschleppgriff: Die Person liegt auf dem Rücken, ich schwimme auch auf dem Rücken und schleppe sie hinter mir her. Wenn derjenige aber bei Bewusstsein ist und sich an dem Auftriebsmittel festhält, muss er sich erst so weit beruhigen, dass ich klar mit ihm kommunizieren kann - nur dann ist an das Transportschwimmen zu denken: Das Opfer hält sich an meinen Schultern fest und ich schwimme mit ihr Richtung Ufer. Wenn die Person aber weiter panisch ist, bleibe ich da weg und warte auf Hilfe. Oder nehme etwa die Luftmatratze und schleppe sie mitsamt dem Verunglückten ab. Es bringt niemanden etwas, wenn die Retter auch in Gefahr kommen.
Und wenn ich selbst am Untergehen bin, wie kann ich mich retten?
Kräfte sparen! Im Sommer ist das Wasser verhältnismäßig warm, da kommt es nicht darauf an, möglichst schnell rauszukommen. Wenn ich also merke, dass meine Kräfte nachlassen, sollte ich mich auf den Rücken legen und mit Armen und Beine leicht den Auftrieb unterstützen. So kann ich durchatmen, mich dann wieder umdrehen, ein Stückchen schwimmen und das Ganze wiederholen. Wichtig ist auch hier: Nicht in Panik geraten. Und in Ruhe schauen, wo der beste Weg zum Ufer oder an den Beckenrand ist. Wenn jemand in der Nähe ist, versuche ich natürlich, auf mich aufmerksam zu machen.