Jonas Kaufmann und 22 Filmküsse
Der passende Text zum traurigen Anlass. "E più ti penso e più mi manchi", sang FC-Bayern-Mitglied Jonas Kaufmann unlängst in der Allianz Arena beim Abschied für Franz Beckenbauer, "je mehr ich an dich denke, desto mehr fehlst du mir." Das Lied stammt aus Sergio Leones Epos "Es war einmal in Amerika"( 1984), und niemand anderer als Ennio Morricone hat diesen grandiosen Soundtrack komponiert. Gleich dreimal ist der Maestro auf Kaufmanns aktuellem Filmmusik-Album "The Sound of Movies" vertreten. Ob's daran liegt, dass Italienisch die Sprache der Oper ist? Denn der Startenor ist immer dann vortrefflich, wenn er Morricones Werke singt.
Beispielsweise "Se" aus Giuseppe Tornatores "Cinema Paradiso". Sofort hat man es vor sich, dieses schönste Filmende aller Zeiten, wenn die Filmrolle eingelegt wird, auf der Kinovorführer Alfredo (Philippe Noiret) 22 Filmküsse kompiliert hat, die er auf Geheiß des sizilianischen Dorfpfarrers über all die Jahre hatte rausschneiden müssen. Also träumerisch die Augen schließen, wenn Kaufmann am 4. Februar in der Isarphilharmonie diesen Song anstimmt. Denn es droht dort auch ein böses Erwachen im Kitsch, etwa mit "Dreams are my Reality" aus "La Boum, die Fete" oder mit Richard Rodgers Herz-Schmerz-Bouquet "Edelweiß" aus dem Film "The Sound of Music".
Jonas Kaufmann, The Sound auf Movies, Münchner Symphoniker, 4. Februar, 20 Uhr, Isarphilharmonie; The Sound of Ennio Morricone, Pilsen Philharmonic Orchestra & Choir, 17. /18. Februar, 19.30 Uhr, Isarphilharmonie, muenchenticket.de
Groß, größer, John Williams
Dieser Mann ist ein einziger Rekord: Wer über John Williams schreibt, kommt ohne Superlative kaum aus. Er ist der wohl bekannteste (und meistgespielte) Filmkomponist der Welt, bei ihm ist alles etwas größer, orchestraler und opulenter. Erst vor ein paar Tagen erhielt der mittlerweile 91-Jährige seine 54. Oscar-Nominierung (für "Indiana Jones 5"), fünfmal hat er den Preis schon gewonnen - unter anderem für seine unkaputtbare "Star Wars"-Fanfaren, für "E.T.", "Der weiße Hai" oder "Schindlers Liste".
Er ist der Haus- und Hofkomponist von Steven Spielberg, er schuf aber auch die Musik für die ersten "Harry Potter"-Filme. Der sechste Teil der Reihe, "Harry Potter und der Halbblutprinz", wird Anfang März in München mit Live-Orchester aufgeführt, zu hören ist da auch das Original-Potter-Thema von Williams. Ende März begleiten die Münchner Symphoniker die Vorführung des ersten "Star Wars"-Films aus dem Jahr 1977. John Williams hat aber nicht nur Musiken für Filme geschrieben: Im Juni wird sein "Konzert für Violine und Orchester Nr. 2" (und eine Symphonie von Tschaikowsky) aufgeführt, die Violine spielt an diesem Abend niemand Geringeres als Anne-Sophie Mutter. Der Maestro verehrt die Musikerin seit Jahren (und sie ihn), bereits vor Jahren spielte sie am Königsplatz ein reines Williams-Konzert.
Harry Potter und der Halbblutprinz: In Concert, 1. und 2. März
Star Wars: In Concert, 27., 28. und 30. März
Dallas Symphony Orchestra: Williams & Tschaikowsky, 9. Juni, alle Konzerte jeweils in der Isarphilharmonie
Hans Zimmers Welten
Im Kampf gegen die Germanen-Horden ist der römische Feldherr Maximus Decimus Meridius (Russell Crowe) ein harter Knochen. Und auch später im Kolosseum macht der Tribun in Ridley Scotts "Gladiator" eine mehr als überzeugende Figur. Dabei ist er eigentlich eine zarte Seele, das erkennt man daran, wie sanft seine Pranke über das heimische Korn streift, eine Art Traumsequenz, die in der Anfangs- und der Schlussszene mit elegischer Musik unterlegt ist. Der Gesang einer Frau begleitet den tödlich Verletzten ins Elysium. Die schöne Stimme, die in einer Fantasiesprache singt, gehört Lisa Gerrard, die zusammen mit Klaus Badelt und Mastermind Hans Zimmer am Gladiator-Soundtrack gearbeitet hat. Mehr als 150 Filmmusiken hat der gebürtige Frankfurter, der in München aufgewachsen ist und in Hollywood lebt, geschrieben.
Ohne diesen spezifischen Zimmer-Sound würden die Wellen der Sieben Meere, durch die in "Fluch der Karibik" die Black Pearl pflügt, nur halb so dramatisch aufschäumen, wäre Gotham City in Christopher Nolans "The Dark Knight"-Trilogie weniger düster, ohne die mächtige, monotone Orgel in "Interstellar" hätte das kalte All nicht diesen absoluten nihilistischen Sog. Am 22. März kann man in der Olympiahalle in die fantastische Welt von Hans Zimmer eintauchen. Ein Symphonieorchester unter der Leitung von Dirigent Gavin Greenaway und bildgewaltige Projektionen garantieren eine "neue Dimension" an Erfahrung.
The World of Hans Zimmer, A New Dimension, 22. März, 20 Uhr, Olympiahalle
Der Sound von Mittelerde
Exakt zwei Stunden und 58 Minuten dauert der erste Teil der "Herr der Ringe"-Trilogie "Die Gefährten", nahezu die gesamte Zeit ist Musik zu hören. Für Howard Shore, den oscarprämierten Komponisten, bedeutete es noch einmal jede Menge Arbeit, seinen Soundtrack für die Konzertsäle aufzubereiten. Denn Studioaufnahmen sind das eine, Live-Konzerte mit einem Riesenorchester samt Chören das andere. Auf ihrer Reise nach Mordor akustisch begleitet werden Frodo, Gandalf, Aragorn und Co. am 19. April in der Olympiahalle von den Münchner Symphonikern unter Ludwig Wicki, es singen der TUM-Chor und der Wolfratshauser Kinderchor, der beim Track "The Breaking of the Fellowship" seinen großen Auftritt samt wunderschönem Solo haben wird.
Der Herr der Ringe: Die Gefährten, Konzert live zum Film, Münchner Symphoniker, TUM-Chor und Wolfratshauser Kinderchor, 19. April, 19 Uhr, Olympiahalle
Lieder von Eis und Feuer
Wenn sich langhaarige Männer auf Pferden blutige Fehden um die Thronfolge liefern, klatscht das Publikum. Wenn die Frauen dieser Männer intrigieren und sich anschließend dem Liebesspiel hingeben, jubelt es. Wenn Drachen, Zwerge und Hexenmeister aufeinandertreffen, wenn vermeintliche Hauptfiguren überraschend sterben, und dann auch noch der Winter kommt, gibt es kein Halten mehr. "Game of Thrones" basiert auf George R.R. Martins Romanreihe "Das Lied von Eis und Feuer", als Fernsehserie begeisterte sie ab 2011 ein Publikum weltweit, 73 Folgen und acht Staffeln lang.
Einen Teil dieses Erfolgs machte auch die Filmmusik des Deutsch-Iraners Ramin Djawadi aus, seit einigen Jahren wird sie auch in Konzerthäusern aufgeführt. Im April kommt das Czech Symphony Orchestra unter der Leitung von Franz Bader nach München: Es bringt nicht nur die Musik aus "Game of Thrones" auf die Bühne, sondern auch die ebenfalls von Djawadi komponierte Musik aus der Spin-Off-Serie "House of the Dragon". Dazu singt ein Chor, eine Lichtshow soll dem Publikum das Gefühl geben, in die fantastische Welt von Westeros und Essos einzutauchen.
The Music of Game of Thrones & House of the Dragon, Live in Concert, 21. April, Isarphilharmonie
Der John Williams Japans
Für wen ist es wohl das größere Kompliment? Joe Hisaishi wird auch der "John Williams Japans" genannt und ist nicht nur in seiner Heimat Kult. Seine Kompositionen für Hayao Miyazakis Anime-Filme wie "Prinzessin Mononoke" oder "Das Schloss im Himmel" aus dem legendären Studio Ghibli sind weltweit gefeierte Meisterwerke üppiger Sinfonik, die auch jenseits der Bilder Bestand haben. Gerade hat der aus dem Ruhestand zurückgekehrte 83-jährige Miyazaki für "Der Junge und der Reiher" einen Golden Globe gewonnen, und Hisaishi war in der Kategorie beste Filmmusik nominiert. Anders als sonst, bekam er den Film erst in der Endphase der Produktion zu sehen, allerdings hatte ihm der Regisseur dann auch komplette künstlerische Freiheit zugesichert. Das Münchner Publikum hat jetzt Gelegenheit, Joe Hisaishi live zu erleben. Am 25. Mai kommt der 73 Jahre alte Maestro, der auch die Musik für die Eröffnung der Olympischen Winterspiele 1998 in seiner Geburtsstadt Nagano komponierte, in die Olympiahalle und wird höchstselbst die Münchner Symphoniker und den Münchner Motettenchor dirigieren.
Joe Hisaishi, Münchner Symphoniker & Münchner Motettenchor, 25. Mai, 20 Uhr, Olympiahalle , Warteliste
Sound der Stille
Stumm waren Filme nie, selbst zur Stummfilmzeit hatten sie einen ordentlichen Geräuschpegel. Die ersten Filmprojektoren waren sehr laut, also gab es fast immer begleitende Musik in den Kinos. Diese reichte von einfacher Klavierbegleitung bis hin zum Orchester. Das Publikum bekam bekannte Melodien aus den sogenannten Kinotheken zu hören, mitunter wurden aber schon eigene Musiken für die Filme komponiert. Auch heute gibt es solche Vorführungen mit Live-Musik, einige Musikgruppen haben sich auf die Vertonung von Stummfilmen spezialisiert. Das Babylon Orchester Berlin etwa, das Ende letzten Jahres erstmals in München auftrat. Das Interesse war groß, daher kehren die Musikerinnen und Musiker im April mit den Stummfilmklassikern "Metropolis" und "Das Cabinet des Dr. Caligari" zurück ins Filmtheater Sendlinger Tor.
Auch im Filmmuseum gibt es regelmäßig solche Filmkonzerte, im Juli etwa finden wieder die Internationalen Stummfilmtage statt. Auf dem Programm stehen unter anderem Ernst Lubitschs "Die Bergkatze", "Manolescu" mit Brigitte Helm und Heinrich George oder der französische Stummfilm "Prix de beauté" aus dem Jahr 1930. Musikalisch begleitet werden diese Filme unter anderem von Stephen Home, Günter A. Buchwald oder Sabrina Zimmermann & Mark Pogolski.
Das Cabinet des Dr. Caligari, 13. April & Metropolis, 14. April, Filmkonzerte mit dem Babylon Orchester Berlin, Filmtheater Sendlinger Tor
Internationale Stummfilmtage, im Juli im Filmmuseum , St.-Jakobs-Platz 1
Neue Musik für einen alten Hitchcock
Musik bei Alfred Hitchcock. Sofort fallen einem da Bernard Herrmanns schwindelerregender Score zu "Vertigo" ein, oder seine bedrohlich stampfenden, in der Duschszene schrill aufschreienden Geigen in "Psycho". Vom Einsatz des Trautoniums in "Die Vögel" gar nicht zu reden. Schon ganz früh, in seinem ersten Tonfilm "Erpressung" (Originaltitel: "Blackmail") im Jahr 1929, setzte der Meister mit Streicher-Glissandi auf die Wirkung der Musik, denn er wusste, ohne einen guten Sound verliert jeder noch so gute Thriller gehörig an Schrecken. In "Blackmail" tötet die Freundin eines Polizisten (gespielt von Max Schmelings Frau Anny Ondra) einen Mann in Notwehr und wird daraufhin erpresst. "#Metoo, Hitchcock" betitelt der Münchner Komponist Moritz Eggert nun seine neue Filmmusik für "Blackmail", Uraufführung mit der Basel Sinfonietta ist am 3. März live im Burghof Lörrach. Das Konzert wird aufgezeichnet und soll zu einem späteren Zeitpunkt bei Arte zu erleben sein. Laut Pressetext hat Eggert für diesen frühen Hitchcock eine bewusst humorvolle, vor allem auch emotionale Musik "aus dem Bauch" heraus geschrieben, die auch eine Hommage an den von ihm zutiefst bewunderten Bernhard Herrmann sein soll.
#Metoo, Hitchcock, Uraufführung von Moritz Eggerts Filmmusik, Basel Sinfonietta, 3. März, live im Burghof Lörrach, Aufzeichnung für Arte