Veitshöchheim:Fastnacht fast wie früher

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Endlich was zum Lachen: Markus Söder und Teile seines Kabinetts haben sich in lustige Schalen geworfen. (Foto: dpa)

Nach einer Corona-Pause rücken Bayerns Politiker wieder nach Veitshöchheim an, wenn auch unter strengen Auflagen. Heiter geht es dennoch zu - und Ministerpräsident Markus Söder macht schon mal eine Ankündigung für das nächste Jahr.

Von Uwe Ritzer, Veitshöchheim

Es ist Viertel vor sechs am Mittwochabend, als sich die bayerischen Kabinettsmitglieder zum Gruppenfoto versammeln, alle mit Masken. Der Universalgelehrte Bernd Sibler. Melanie Huml in opulenter Europa-Abendrobe. Kerstin Schreyer, die sich (k)leidlich von der Ampelkoalition distanziert. Carolina Trautner alias Michel aus Lönneberga. Der schwarze Sheriff Joachim Herrmann. Und dahinter, mit etwas Abstand, Michael "Aladin" Piazolo. Landtagspräsidentin Ilse Aigner schmuggelt sich mit aufs Bild, als Dienstfrau Aloisia in bemerkenswerten Pumps mit Krickerl dran. Und mitten drin im Smoking: Markus Söder.

Er ist also wieder da. Wochenlang ging es den Machern der Fastnacht in Franken wie verliebten Romantikern, die Blumen-Blüten einzeln herausrupfen, um ihr Schicksal zu befragen: Er/sie liebt mich... liebt mich nicht... liebt mich doch... Nur dass es im Fall von Markus Söder nicht um Gefühle ging, sondern um Präsenz, Aufmerksamkeit und Einschaltquoten. Kommt der Ministerpräsident und CSU-Chef zur Prunksitzung des Fastnachtsverbands Franken nach Veitshöchheim? Oder kommt er nicht, weil Corona, die Ukraine oder sonst eine Krise derart ausufert, dass es schlecht ankäme beim Volk, wenn er sich im Fernsehen über Karnevalistenwitze amüsiert? Den Fastnachtern und ihren Kombattanten vom BR war freilich klar: Nur wenn der Chef sich traut, folgen ihm auch ministerielle Untergebene nach Veitshöchheim. Und nur wenn sie anrücken, kommt auch die Opposition, um den Blödsinn nicht allein der Regierung zu überlassen.

Fastnacht in Veitshöchheim
:Bevor der Markus zum Horst wird

Der Ministerpräsident kommt ungewohnt unauffällig zur Fastnacht in Veitshöchheim, verspricht aber Besserung. Andere geben sich gleich mehr Mühe.

Am Mittwoch reiste Söder sogar schon am Vormittag an; zur Ministerpräsidenten-Konferenz in Sachen Corona ließ er sich von der Veitshöchheimer Landesanstalt für Wein- und Gartenbau zuschalten. "Den Unionskollegen habe ich gesagt, sie sollen nicht so lange reden, weil ich zur Fastnacht muss." Am Ende saß er mit etwa 170 anderen Menschen im Saal, alle geboostert und vor dem Eingang in die Mainfrankensäle eigens noch einmal getestet. Das entsprach etwa einem Viertel der Besucherzahl in nicht-pandemischen Jahren. Anders als sonst wurde die Fastnacht in Franken, die an diesem Freitag ausgestrahlt wird, am Mittwoch aufgezeichnet. "Sicherheitshalber", sagt der fränkische BR-Statthalter Tassilo Forchheimer, damit nicht im letzten Moment ein Infizierter unter Künstlern oder Produktionsmitarbeitern die Livesendung sprengt. Nachdem man sich 2021 mit einer TV-Show ohne Publikum beholfen hatte, sollte 2022 auf jeden Fall wieder eine Prunksitzung stattfinden. "Wir wollen Fastnachtern, Komikern und Kabarettisten nach den vielen auftrittslosen Monaten wieder eine große Bühne bieten", sagt Marko Anderlik, Chef des fränkischen Fastnachtsverbands. "Und gleichzeitig die Zuschauer animieren, wieder in Theater, Kleinkunstbühnen und Kinos zu gehen."

Und so sind viele etablierte Fastnachts-Größen wieder dabei, die aus der anfangs belächelten Prunksitzung die über Jahre erfolgreichste Fernsehsendung des BR gemacht haben. Corona hinterlässt allerdings auch Spuren. Die Altneihauser Feierwehrkapell'n fehlt in diesem Jahr; nach einem Todesfall in ihrem engen Umfeld und monatelanger Pandemiepause hatte sie kein vorzeigbares, aktuelles Programm. Darüber hinaus ging der Franken-Fastnacht nach 16 Jahren ihr Sitzungspräsident verloren; Bernd Händel aus Nürnberg erklärte kurzfristig und überraschend seinen Rückzug. Darüber nachgedacht, alles hinzuwerfen, haben viele Künstler und Fastnachter. René Skopura und Lena Meyer aus Marktredwitz zum Beispiel, eines der besten karnevalistischen Tanzpaare. Keine Turniere, keine Auftritte, kaum Training über zwei Jahre hinweg - "es hat sich fast schon angefühlt, als würde man aufhören", sagt Skopura.

Stattdessen debütieren sie in diesem Jahr in Veitshöchheim. Unter strengen Bedingungen eines von der Uni Würzburg ausgearbeiteten Hygienekonzeptes. Dem musste sich auch die politische Prominenz unterwerfen. Söder, Aigner, die Oppositionsführer - ein wenig einsam wirkte manch eine(r) angesichts von großen Sicherheitsabständen und ohne Partnerinnen oder Partner, die diesmal nicht geladen waren. Der bewährte Mechanismus der fränkischen Fastnachtsspötter, die anwesenden Politiker als unfreiwillige Sparringspartner zu nutzen, funktioniert jedoch auch in Zeiten von Sicherheitsabständen. Zum Beispiel als Wortakrobat Oliver Tissot Schulminister Piazolo mit Blick auf dessen Kostüm freundlich als Aladin begrüßte. Und umgehend einen verbalen Giftpfeil abschoss: "Es gibt in Bayern genug Eltern und Lehrer, denen gehen Sie schon lange auf den Geist."

Der Saal in Veitshöchheim war lichter besetzt, doch sonst war vieles wie gehabt bei der Fastnacht in Franken. (Foto: Ralf Wilschewski/BR)

Tissots Wortwitz, das Timing von Volker Heißmann und Martin Rassau für Pointen, Michl Müllers immenses Gefühl für Alltags-Comedy oder der geschliffene Satire-Reim von Peter Kuhn - nichts von alledem ging während der Pandemie verloren. Klaus Karl-Kraus und das Gesangsensemble Viva Voce löste mit einer gefühligen Satire auf Dorffußball und Profiwahnsinn gar Standing Ovations aus. Und Matthias Walz, der Spötter am Klavier, veräppelte den absenten Hubert Aiwanger derart als "Hubsi Gonzales", dass sich die grüne Cleopatra Katharina Schulze wegschmiss vor Lachen.

"Es war Konfetti für die Seele endlich wieder hier sein zu dürfen", sagte Landtagspräsidentin Ilse Aigner an alle Beteiligten gerichtet, als die Kameras ausgeschaltet waren. Als Dienstfrau Aloisia bot sie Söder an, ihm endlich die himmlischen Ratschläge an die Staatsregierung zu übermitteln. "Wenn das bei dir mit dem Engel stimmt, hockst du doch im Hofbräuhaus", konterte der schlagfertig. Im kommenden Jahr übrigens will Markus Söder nicht mehr in Smoking und Fliege kommen. "Sondern in einem richtigen Kostüm, so wie früher." Vorausgesetzt, das böse Virus und die anderen Krisen haben sich verzogen. Oder halten sich zumindest in Grenzen.

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