Neue Umfrage:Zuwanderung wird plötzlich wieder zum Wahlkampfthema

Lesezeit: 3 min

Die gegenseitige Abneigung begann spätestens während der Impfdebatte: Söder und Aiwanger, hier im Herbst 2020 zu sehen. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Zum Jahresbeginn können Markus Söder und Hubert Aiwanger auf eine stabile Mehrheit setzen. Doch das heikle Thema Migration beschäftigt die Bevölkerung zunehmend. Bei der AfD reiben sie sich schon die Hände.

Von Andreas Glas und Johann Osel

Wäre schon jetzt Landtagswahl, könnten CSU und Freie Wähler weiterregieren. Im BR24-Bayerntrend, der repräsentativen Studie im Auftrag des Bayerischen Rundfunks, kommt die CSU auf 38 Prozent (plus ein Prozentpunkt zur BR-Umfrage vom Herbst), die FW auf zehn. 51 Prozent aller Befragten sind mit der Staatsregierung zufrieden. Für die Grünen würden sich gleichbleibend 18 Prozent entscheiden, für die SPD neun. Die AfD verbucht zum zweiten Mal in Folge einen Zuwachs, auf 13 Prozent. Die FDP würde mit vier Prozent den Einzug ins Maximilianeum verpassen.

Das bedeutet zum Auftakt ins Wahljahr 2023: Weitgehend stabile Werte, keine erkennbare Wechselstimmung. Durcheinandergewirbelt wurden allerdings die "Probleme", die bei den Befragten als dringlich gelten: Auf Platz eins steht die Energiepolitik, gleich dahinter folgt die Zuwanderung - zuvor war das Thema kaum noch im Fokus der Bürger.

Newsletter abonnieren
:Mei Bayern-Newsletter

Alles Wichtige zur Landespolitik und Geschichten aus dem Freistaat - direkt in Ihrem Postfach. Kostenlos anmelden.

Für die CSU von Ministerpräsident Markus Söder bedeutet die Umfrage zwar eine stabile Lage. Gleichwohl stand in Umfragen anderer Institute zuletzt öfters eine Vier vornedran - so dass in der Partei schon Rechenspiele losgingen: Falls die FDP rausflöge, welcher Wert reicht dann zur absoluten Mehrheit? Die neue Umfrage dürfte derlei Träume bremsen - wenngleich Söder über dem historisch schlechten Ergebnis von 2018 (nur 37,2 Prozent) rangiert. Ein offizielles Wahlziel in Zahlen wurde nie ausgegeben, nur: Man wolle eben mit den FW weiterregieren.

Zuwanderung könnte dieses Jahr also doch wieder Wahlkampfthema werden, 20 Prozent der Befragten werten sie laut Fragestellung als wichtigstes oder zweitwichtigstes Problem, "das vordringlich gelöst werden muss". Ein Plus von elf Prozentpunkten, mehr als das Doppelte des vorherigen Werts, noch vor dem Klimaschutz. Ganz anders war die Lage im Bayerntrend vor der Wahl 2018 - sogar jeden zweiten Wahlberechtigten trieb die Migration damals außerordentlich um. Söder hatte sie selbst als Thema gesetzt, das Wort "Asyltourismus" eingeführt und in der Flüchtlingskrise versucht, durch einen Rechtsruck die damals aufstrebende AfD klein zu halten. Später folgte Reue, der frühere Generalsekretär Markus Blume sagte mit Blick auf die AfD: Man könne "ein Stinktier nicht überstinken".

SZ PlusAsylpolitik
:Bayerns Flüchtlingshilfe leidet unter kollektivem Burn-out

Frustriert, müde, überfordert: Die Zahl der Ehrenamtlichen nimmt vielerorts ab, obwohl die Herausforderungen kaum weniger werden. Was ist da los? Zu Besuch bei denen, die weitermachen - noch.

Von Thomas Balbierer

Die CSU hatte Migration in jüngster Zeit zwar im Kontrast zur Ampel aufs Tapet gebracht, etwa wenn es um die in Berlin geplante Reform des Einbürgerungsrechts ging. Söder selbst besetzt das Thema aber kaum noch. Bezeichnend waren die Rollen nach den Silvesterkrawallen in Berlin. Bei der Klausur der CSU-Landesgruppe in Seeon kam zwar deren Chef Alexander Dobrindt am Rande auf Tätergruppen zu sprechen, ansonsten bemühte man sich aber nur, das Bundesland Berlin als gescheiterten Staat darzustellen - und keine Integrationsdebatte anzuheizen. Da mag man sich denken: Was hätte die CSU von 2018 aus den Geschehnissen gemacht?

Die CSU will "nicht wiederholen, was 2018 passiert ist"

Man werde das Thema 2023 natürlich besetzen, wo immer erforderlich, sich "nicht wegducken", heißt es in einflussreichen CSU-Kreisen. Aber "nicht wiederholen, was 2018 passiert ist", das sei alles eine Frage von "Tonalität und Wortwahl". Indes kommt durchaus Druck aus der Partei: CSU-Landräte klagen über Probleme bei der Unterbringung von Asylbewerbern, die durch Geflüchtete aus der Ukraine noch schwieriger wird. In Twitter-Beiträgen aus der Jungen Union in Bayern liest man, dass eine Debatte über die Migrationspolitik als Gesamtes "längst überfällig" sei oder dass es "ein Problem mit unintegrierbaren Migranten aus gewissen Kulturkreisen" gebe. Und an der CSU-Basis spricht man sowieso nicht überall so differenziert über Zuwanderung wie in Staatskanzlei und Landesleitung.

Der Zuwachs der AfD auf 13 Prozent - der beste Wert in der Umfrage jemals - könnte die Debatten in der CSU antreiben. Und noch etwas dürfte Söders Leuten auffallen: Bei Asylpolitik und Kriminalitätsbekämpfung werden unter allen Befragten der AfD erstmals überhaupt erwähnenswerte Kompetenzwerte zugesprochen. "Damit bewegt sich die AfD langsam aber sicher aus der Nische einer reinen Protestpartei", sagt BR-Wahlexperte Andreas Bachmann. Das Problem: Ein gewisser Prozentsatz für die AfD, möglichst einstellig, kann in der CSU wohl einfach als verloren quasi abgeschrieben werden; bei so klar zweistelligem Wert und steigender Tendenz wird das schon heikler.

Wer sich in der AfD umhört, spürt: Seit Silvester keimt die Hoffnung auf einen Wahlkampfschlager Migration. Hinzu kommt, dass der Partei gerade das populistische Großthema fehlt. Die Pandemie ist vorbei, der von der AfD ersehnte "heiße Herbst" mit Protesten wegen der Inflation hat so nie stattgefunden. "Wir müssen klarmachen, dass die CSU bei der Migration als Tiger abspringt und als Bettvorleger landet", hört man in AfD-Kreisen. Zugleich bestehe "die Kunst" darin, das Thema nicht so plump zu spielen, dass es bürgerliche Wähler "gruselig" finden und man sich für diese "unwählbar macht". Der konkrete Kurs könnte noch zum Streitfall zwischen den verfeindeten Lagern in der AfD führen.

Der Bayerntrend dürfte auch für Gesprächsstoff bei den Grünen sorgen. Sie wollen im Herbst regieren und so stark werden, dass niemand an ihnen vorbeikomme - verharren aber bei 18 Prozent. Auffälliger noch: Sie verlieren bei ihrem Kernthema. In der Umweltpolitik schreiben die Befragten den Grünen zwar die größte Kompetenz zu; jedoch tun das nur noch 39 Prozent, 2019 waren es 61. Als Ursache sieht BR-Experte Bachmann die "schmerzhaften Kompromisse" im Bund, bei AKW-Laufzeiten und Kohleausstieg.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusBayerns Innenminister Herrmann
:"Wo das Strafrecht beginnt, muss die Grenze sein"

Der CSU-Politiker gilt als "Schwarzer Sheriff". Dennoch hat er sich mit Klimaaktivisten getroffen - Gefahr für die Demokratie sieht er aber woanders: Ein Gespräch über Präventivhaft, Radikale in unserer Mitte und "One Love".

Interview von Sebastian Beck, Andreas Glas und Johann Osel

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: