Staatsbürgerschaft:Woher die neuen Bayern kommen

Staatsbürgerschaft: Wer die deutsche Staatsbürgerschaft erwerben will, muss unter anderem einen Einbürgerungstest ablegen, Sprachkenntnisse und ein eigenes Einkommen haben.

Wer die deutsche Staatsbürgerschaft erwerben will, muss unter anderem einen Einbürgerungstest ablegen, Sprachkenntnisse und ein eigenes Einkommen haben.

(Foto: Peer Grimm/dpa)

Um Einbürgerungen wird zurzeit viel gestritten, sogar vor der Staatsbürgerschaft als "Ramschware" gewarnt. Doch ein Blick in die Statistik zeigt, dass die Zahlen überschaubar sind - und sich neue Trends abzeichnen.

Von Johann Osel

Ein Italiener aus dem Landkreis Kelheim, der in Bayern Fahrzeugtechnik studiert hat und als Versuchsingenieur tätig ist; ein Syrer, der in München erst den Realschulabschluss und jetzt eine kaufmännische Ausbildung macht; eine Rumänin, die als Architektin in Erlangen arbeitet - das sind drei Beispiele aus der jüngsten Einbürgerungsstatistik, die das Innenministerium mitgeteilt hat.

23 158 Personen wurde in Bayern vergangenes Jahr die deutsche Staatsbürgerschaft verliehen. Ein Drittel davon stammt aus der Europäischen Union, die ersten fünf Plätze der Herkunftsländer insgesamt belegten Rumänien, Syrien, Türkei, Irak und Italien. Zwei Trends zeigen sich: Zum einen hat bei Nicht-EU-Herkunftsstaaten inzwischen Syrien (2033 Einbürgerungen) die Türkei (1901) überholt. Zum anderen sieht man, dass die enormen Anteile von Menschen aus Großbritannien in den Vorjahren wohl nur ein vorübergehender Brexit-Effekt waren. Einbürgerungen seien "ein starkes Zeichen erfolgreicher Integration", sagte Innenminister Joachim Herrmann (CSU) kürzlich beim Neubürgerempfang in der Residenz in München. Er ermutigte die dort Geladenen: "Tragen Sie dazu bei, unser Land weiterzuentwickeln."

Doch mittlerweile sind Einbürgerungen ein politisches Streitthema. Hintergrund sind die Reformpläne der Bundesregierung. Neben novelliertem Fach-Kräfte-Zuzug und dem "Chancen-Aufenthaltsrecht", das die Kettenduldungen von Asylbewerbern beenden soll, will die Ampel die Hürden für Einbürgerungen senken. Diese kann bisher nach in der Regel acht Jahren Aufenthalt beantragt werden. Nachzuweisen sind dabei ein Einbürgerungstest (ebenso zählt ein hiesiger Schulabschluss), Deutschkenntnisse, die Sicherung des Lebensunterhalts, geklärte Identität sowie keine Verurteilung wegen einer Straftat. Nach den Plänen des Bundes soll das künftig nach fünf Jahren möglich sein, bei "besonderen Integrationsleistungen" in Schule und Beruf oder ehrenamtlichem Einsatz schon nach drei Jahren. Zudem sollen bestimmte Hürden gelockert werden, etwa beim Sprachtest für Ältere. Wie die CSU im Bundestag warnte auch Minister Herrmann prompt vor dem Staatsangehörigkeitsrecht als "Ramschware".

Daten zur bisherigen Praxis bietet nun eine soeben veröffentlichte Antwort der Staatsregierung auf eine Anfrage im Landtag; gestellt hatte sie Uli Henkel (AfD). Die Antwort zeigt unter anderem eine Zunahme von Einbürgerungen seit 2014, damals registrierte man 13 159 Fälle, zuletzt, 2021, waren es eben etwa 23 000 - angesichts von mehr als 13 Millionen Einwohnern im Freistaat ist das dennoch kein Massenphänomen. Bei den Herkunftsländer machen sich die großen Migrationsbewegungen des vergangenen Jahrzehnts indes bemerkbar: Syrien, heute Platz drei, stand in den Jahren 2014 bis 2019 überhaupt nicht unter den Top-Zehn. Voraussichtlich dürfte der Anteil ehemaliger Asylbewerber in den kommenden Jahren weiter steigen.

Gut zwei Drittel aller eingebürgerten Menschen hatten damit eine doppelte oder mehrfache Staatsbürgerschaft. Das ist eine weitere Kritik der CSU an der Ampel - dass der Bund künftig standardmäßig davon absehen will, dass die frühere Nationalität aufgegeben werden muss. In der Praxis ist dies schon jetzt meist der Fall, zeigen die Zahlen. Beispielhaft an der Landeshauptstadt München legt die Antwort zudem dar, dass auch zurzeit kaum - nur im niedrigen einstelligen Prozentbereich - Anträge abgelehnt wurden. Erfahrungsgemäß häufigste Gründe sind mangelnde Mitwirkung, fehlende wirtschaftliche Integration und ungenügende Sprachkenntnisse.

"Das sind Menschen, die sogar in der zweiten, dritten Generation hier leben"

Über die Einbürgerungspläne des Bundes hat der Landtag kürzlich in einer emotional aufgeladenen Sitzung debattiert. Es gehe um "Menschen, die Steuern zahlen. Das sind Menschen, die ihrer Arbeit nachgehen. Das sind Menschen, die sogar in der zweiten, dritten Generation hier leben", sagte Gülseren Demirel (Grüne). Für diese Menschen solle der Zeitraum von acht auf fünf Jahre reduziert werden. Die Kritiker vermischten das Demirels Ansicht nach mit allgemeinen Zuwanderungsdebatten, weil sie "anscheinend die Bürgerinnen und Bürger draußen für blöd halten". Auch über die Einbürgerung nach drei Jahren würden "Märchen" erzählt, besondere Integrationsleistungen seien anerkennenswert.

Arif Taşdelen (SPD) sagte, 5,7 Millionen Menschen lebten länger als zehn Jahre in Deutschland und könnten sich einbürgern lassen. "Warum tun sie das nicht? Das sehe ich auch in meinem privaten Umfeld - weil das viel zu lange dauert, weil es viel zu aufwendig ist, weil es viele bürokratische Hürden gibt. Deshalb ist die Modernisierung des Staatsbürgerschaftsrechts überfällig." Martin Hagen (FDP) plädierte zugleich für eine Rückführungsoffensive für Menschen ohne Aufenthaltsrecht - weil die Akzeptanz in der Bevölkerung für einen leichteren Erwerb der Staatsbürgerschaft davon abhänge, "dass wir Ordnung ins System bringen und dass wir die Leute ohne Bleibeperspektive abschieben".

AfD-Mann Henkel warnte, dass selbst "Hardcore-Kriminelle" nach der Einbürgerung nicht mehr abgeschoben werden könnten. Die geplante Erleichterung sei "hochgefährlich für die Aufnahmegesellschaft" und biete ihr keinen Vorteil. Seine Fraktion forderte die Rückkehr zum Abstammungsprinzip; Deutscher ist demnach, wer mindestens einen deutschen Elternteil hat. Das lehnen auch die Koalitionsfraktionen klar ab. Innenstaatssekretär Sandro Kirchner (CSU) warb für die Acht-Jahres-Regel, die Erfahrung zeige, dass in dieser Zeit Integrationsbemühungen sehr erfolgreich durchlaufen werden. "Am Ende dieses Prozesses kann dann die Einbürgerung stehen." Alexander Hold (FW) ergänzte: Die Identifikation mit der neuen Heimat müsse in diesem Prozess verlässlich festgestellt werden. "Der deutsche Pass ist kein Geschenk für fünf Jahre legalen Aufenthalt."

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