"Es sieht schlecht aus", sagt Karl-Heinz König, der Betriebsratsvorsitzende des Rohrwerks Maxhütte. Das traditionsreiche Stahlunternehmen in Sulzbach-Rosenberg soll kurz vor dem Aus stehen, wieder einmal. "Wenn die Eigentümer bis zum Wochenende keine Bank finden, die uns einen Kredit gibt, müssen wir nächste Woche Insolvenz anmelden." Dem Rohrwerk fehle eine Anschubfinanzierung im zweistelligen Millionenbereich.
Dabei hatte es zunächst gut ausgesehen für das Rohrwerk, als es vor fast genau einem Jahr in letzter Minute vom britischen Unternehmen Mertex gekauft wurde. Damals konnte König vor versammelter Mannschaft die Rettung des Betriebs verkünden. "Da hatten wir Tränen in den Augen. Aber alle waren happy." Jetzt geht das Bangen um 350 Arbeitsplätze wieder von vorne los. Das sind ohnehin schon 100 weniger als noch vor einem Jahr. Einige sind laut König in Rente gegangen, aber die meisten haben gekündigt. Denn schon bald nach der freudigen Nachricht der Rettung machte sich Ernüchterung breit.
"Im September 2022 lehnte die Bayern LB einen Kredit für das Rohrwerk ab", sagt König. "Mit der Begründung, dass man in so Energie-intensive Betriebe wie unseren nicht mehr investieren könne." Danach begann das Klinkenputzen bei weiteren Banken. Ernüchternd sei das gewesen, sagt König. Und maßlos enttäuscht sei er vor allem von "den drei Herren." König meint Ministerpräsident Markus Söder (CSU), Finanzminister Albert Füracker (CSU) und allen voran Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler).
Der hatte sich noch vor einem Jahr höchstpersönlich im Rohrwerk umgeschaut und das von den hauseigenen Technikern entwickelte Konzept eines "grünen Rohrwerks" erklären lassen. Künftig sollte das Unternehmen komplett mit Strom von einem Solar-Feld in der Nähe betrieben werden. Dazu braucht es natürlich erstmal Investitionen. "Der neue Eigentümer hat schon Millionen ins Rohrwerk reingesteckt", sagt König. Das reiche aber nicht.
Auch die Staatsregierung habe Geld versprochen. "Aber das war wohl nur eine Schaufenster-Veranstaltung", sagt König. Er meint Aiwangers Besuch damals. Er werde die "weitere Entwicklung des Werks vehement und aktiv unterstützen", sagte der Wirtschaftsminister nach der Verkündung des Weiterbetriebs vor einem Jahr. Aus Sicht des Betriebsrats hat diese Unterstützung nicht stattgefunden. Aiwanger sieht das anders. Er habe sich über Monate intensiv um eine Lösung für das Rohrwerk bemüht, sagte er. Und dass die Bayern LB Kreditgeschäfte eigenverantwortlich treffe, das könne die Politik nicht anordnen. Der Wirtschaftsminister brachte jedoch die Möglichkeit einer Staatsbürgschaft ins Spiel, falls eine private Geschäftsbank einen Kredit gewähre.
Schon viele Zitterpartien stand man in der Maxhütte durch. In den Achtziger- und Neunzigerjahren musste sie Insolvenz anmelden, konnte sich aber immer wieder berappeln. 2002 war dann endgültig Schluss für das Stahlwerk. 850 Arbeiter verloren ihre Jobs. Das Rohrwerk ist der letzte verbliebene Teil der Maxhütte, dem einst größten Stahlwerk in Süddeutschland. Der Betrieb stemmt sich hartnäckig gegen den Niedergang, auch weil sich Mitarbeiter und viele Menschen in der Stadt seit Generationen emotional damit verbunden fühlen. Auch wegen dieser Vergangenheit will Udo Fechtner, Chef der IG Metall-Geschäftsstelle in Amberg, noch nicht aufgeben. "Die Hoffnung stirbt zuletzt."
Spricht man mit Rohrwerk-Geschäftsführer Michael Stötzel, hört man weder die Verzweiflung von König, noch die Hoffnung Fechtners heraus, sondern eher Verwunderung bis Verärgerung: "Man sollte sich nur äußern, wenn es Sinn macht und nicht während laufenden Verhandlungen. Das bringt dem Rohrwerk keinen Nutzen." Es sei zudem sehr wahrscheinlich, dass der Eigentümer Mertex das Rohrwerk aus eigenen Stücken weiterführen werde. Wie genau, dazu gebe es derzeit Gespräche. Jedenfalls: "Die Produktion im Rohrwerk läuft nächste Woche ganz normal weiter." Normal - das bedeutet aber auch Kurzarbeit seit September.
Zu Hochzeiten arbeiteten in der Maxhütte einmal 5000 Menschen. Die verbliebenen 350 hängen an ihren Arbeitsplätzen - nicht nur mit dem Herzen. "Die Hälfte von ihnen ist über 50 Jahre alt", sagt Gewerkschafter Fechtner. "Die haben eine sehr spezielle Qualifikation. Vergleichbare Stellen wie die beim Rohrwerk gibt es in Bayern nicht." Für die Mitarbeiter entscheiden die nächsten Wochen über die Frage: Geht es in ihrem Rohrwerk in Sulzbach-Rosenberg wieder an die Arbeit oder verschwindet das letzte Stück Montangeschichte aus der Stadt?