Industrie in der Oberpfalz:Rohrwerk Maxhütte ist gerettet

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"Es geht weiter": Betriebsratsvorsitzender Karl-Heinz König verkündete am Mittwoch sichtlich erleichtert, dass die Produktion im Rohrwerk in Sulzbach-Rosenberg weitergeht. (Foto: Deniz Aykanat)

Die 450 Jobs im Rohrwerk Maxhütte in Sulzbach-Rosenberg bleiben erhalten. Wer das Unternehmen kauft, steht aber erst in einer Woche fest. Doch wie sieht es mit den Plänen für ein "grünes Rohrwerk" aus?

Von Deniz Aykanat, Sulzbach-Rosenberg

Die turbulente Geschichte der Maxhütte in der Oberpfalz ist um ein Kapitel reicher. Als am Mittwoch um kurz vor 11 Uhr Mechaniker, Maschinenführer, Elektroniker in die große Produktionshalle marschieren, ist noch nicht klar, ob sie hier künftig noch Rohre herstellen werden - oder sich nach einer anderen Arbeit umsehen müssen. Ob die Geschichte des einst größten Stahlwerks in Süddeutschland bei dieser Betriebsversammlung endgültig ein Ende findet.

Neben einer kleinen Rednerbühne, die zwischen Schaltpulten und Stahlrohren aufgebaut ist, stehen die Männer mit den Anzügen und Krawatten: Insolvenzverwalter, Geschäftsführer, Berater. Und gegenüber die im Blaumann, in Sicherheitswesten oder Kitteln, mit Schutzhelmen und um den Hals baumelndem Gehörschutz. Anzugträger hier, Arbeiter dort. Es ist ein Bild, das selten geworden ist in Deutschland. Aber da gibt es ja noch das Bindeglied Karl-Heinz König, Vorsitzender des Betriebsrats. Seit bald 40 Jahren arbeitet er hier. Ursprünglich als Dreher, seit 2004 ist er als Betriebsratsvorsitzender freigestellt.

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"Die Schließung ist vom Tisch. Es geht weiter", verkündet König um kurz nach 11 Uhr, sichtlich erleichtert. Die Arbeiter klatschen, nicht euphorisch, eher verhalten. Die Belegschaft habe lange um ihre 450 Jobs bangen müssen, "die letzten Wochen waren schlimm", sagt König. Es gebe zwei Investoren, die fest zugesagt hätten. Nun müsste noch geklärt werden, welcher der beiden Kaufinteressenten das bessere Konzept für ein zukunftsträchtiges Rohrwerk hat. In einer Woche soll der neue Eigentümer feststehen. "Es müsste schon mit dem Teufel zugehen, wenn das nicht klappt", sagt einer der Insolvenzverwalter. Mit den teuflischen Eigenschaften der Wirtschaft hatten sie es hier allerdings schon zur Genüge zu tun.

Und für viele hängt nicht nur die Existenz an der Maxhütte, sondern auch das Herz. "Das Rohrwerk ist immer noch einer der größten Arbeitgeber bei uns", sagt der Bürgermeister von Sulzbach-Rosenberg, Michael Göth (SPD). Viele neue Unternehmen hätten sich inzwischen niedergelassen, das Rohrwerk aber sei "das letzte Stück Montangeschichte", dem die Menschen in der Stadt sehr verbunden seien. Er selbst machte in dem Werk vor vierzig Jahren seine Techniker-Ausbildung. Vater und Großvater arbeiteten schon hier. Als er nach der guten Nachricht die Halle verlässt, grüßt er noch schnell seinen Neffen, der gerade das Treppchen hoch zum Schaltpult steigt und wieder an die Arbeit geht.

Erst im Sommer 2021 hatte ein privater Finanzinvestor aus München das Werk übernommen. Im Dezember meldete das Unternehmen trotzdem Insolvenz in Eigenverwaltung an. Die Corona-Pandemie und die steigenden Stahl- und Energiekosten setzten dem Werk zu. Dazu kommen Lieferengpässe bei Materialien und Logistik-Probleme. Der Krieg in der Ukraine hat die Situation branchenweit inzwischen verschärft.

Den Strom für die Produktion wollen sie zukünftig von einem Solar-Feld beziehen

Vor allem aber auch über die Energiesicherheit hat man sich in der Maxhütte Gedanken gemacht und versucht, aus der Not um die drohende Schließung eine Tugend zu machen. Von russischem Gas sind sie nämlich auch hier abhängig. Deshalb haben sich die hauseigenen Techniker das Konzept des "grünen Rohrwerks" ausgedacht. Künftig soll das Unternehmen komplett mit Strom von einem Solar-Feld in der Nähe betrieben werden. Dazu sind erstmal Investitionen nötig. Aber letztlich würden sich diese laut König rentieren, die Kosten für Energie ließen sich drastisch reduzieren.

Inwiefern das "grüne Rohrwerk" im neuen Kaufvertrag eine Rolle spielt, kann noch keiner der Verantwortlichen sagen. "Egal, wer nun das Werk kauft", sagt König, "wir werden das mit Sicherheit umsetzen." Als Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) im Mai das Werk besuchte, konnte die Belegschaft ihm zwar keine Staatshilfen in Millionenhöhe abringen, aber zumindest einigen Respekt für ihr grünes Konzept. Er werde die "weitere Entwicklung des Werks vehement und aktiv unterstützen", sagte Aiwanger nach der Verkündung des Weiterbetriebs.

Die Maxhütte war einst der größte Stahlbetrieb in Süddeutschland

Der Poker um den Betrieb weckt Erinnerungen an das Jahr 2002, als das Stahlwerk der Maxhütte geschlossen wurde, der große Bruder des Rohrwerks sozusagen. Die Maxhütte im heutigen Landkreis Amberg-Sulzbach war einmal der größte Stahlbetrieb in ganz Süddeutschland. Zu Hochzeiten arbeiteten hier 5000 Menschen. In Rosenberg siedelte sich die Maxhütte im Jahr 1863 an, das Rohrwerk gibt es seit 1952. Damit begann die Industrialisierung der bis dato landwirtschaftlich geprägten Oberpfalz. Aber auch für ganz Bayern war die Maxhütte wichtig: Zeitweise deckte die Produktion in der Oberpfalz die Hälfte des bayerischen Stahl- und Eisenbedarfs ab.

Das Rohrwerk ist der letzte verbliebene Teil der Maxhütte, dem einst größten Stahlwerk in Süddeutschland. (Foto: Deniz Aykanat)

In den Achtziger- und Neunzigerjahren musste die Maxhütte Insolvenz anmelden, konnte sich aber immer wieder berappeln. 2002 war dann endgültig Schluss für das Stahlwerk. 850 Arbeiter verloren ihre Jobs. Für die noch eher strukturschwache Region, deren wirtschaftliche Basis einst die Schwerindustrie war, eine Katastrophe. Inzwischen ist die Oberpfalz wirtschaftlich aufgeblüht. Die Arbeitslosenquote liegt bei 2,4 Prozent, die niedrigste aller bayerischen Regierungsbezirke.

Das Rohrwerk ist der letzte verbliebene Teil der Maxhütte. Das ein paar hundert Meter entfernte Stahlwerk rostet vor sich hin. Grün hier, rotbraun da. Zukunftsplan hier, kein Plan da. Mit seinem Hochofen und dem Schlackenberg ist es eigentlich das größte Industriedenkmal Bayerns. Mit dem Gedenken ist es aber so eine Sache. Der Schlackenberg immerhin ist inzwischen saniert. Aber für das restliche Gelände gibt es noch keine konkrete Marschroute. Teile der Anlage wurden schon vor Jahren abgerissen. Im September jährt sich die Stilllegung des Stahlwerks zum 20. Mal.

"Wer auf der Maxhütte arbeitet, ist es gewohnt, mit der Krise zu leben", sagt König zum Abschluss der Betriebsversammlung. Drei Konkurse hat er schon miterlebt. Ronja Endres, Vorsitzende der Bayern-SPD, kritisiert das Zittern um das Werk als "unnötig und grausam" gegenüber den Beschäftigten. "Die Abgänge von qualifiziertem Personal hätten vermieden werden können, wenn CSU und Freie Wähler sich früher für das Rohrwerk interessiert hätten." König, in Arbeitsjacke und mit Schutzhelm, appelliert noch einmal an seine Kollegen, dem Werk die Stange zu halten. "Wenn nächste Woche die Verträge unterschrieben sind, können wir vielleicht ausnahmsweise das Alkoholverbot im Rohrwerk aufheben." Brummelndes Gelächter. "Und jetzt geht's weiter an die Arbeit. Glück Auf!"

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