Landwirtschaft:Staatsregierung begrüßt neue Grundwasser-Urteile

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Ein Landwirt bei Düngearbeiten nahe dem oberbayerischen Bad Aibling. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Der VGH weist die Klagen von Bauern gegen rote Gebiete zurück - Umweltminister Glauber und Agrarministerin Kaniber nehmen das als Bestätigung ihrer Politik. Der Bauernverband nennt die Entscheidung einen "Rückschlag".

Von Christian Sebald

Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) hat die Stärkung des Grundwasserschutzes vor Belastungen aus der Landwirtschaft durch den bayerischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) begrüßt. "Die Urteile sind ein klares Signal für den Grund- und den Trinkwasserschutz in Bayern", sagte Glauber. "Das bestärkt uns in unserer Haltung und verpflichtet uns: Der Schutz des Grundwassers hat oberste Priorität." Auch Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU) äußerte sich positiv. "Die Urteile bestätigen unser Vorgehen bei der Ausweisung der roten Gebiete", sagte sie. "Unsere Verordnung ist grundsätzlich rechtmäßig." Wie Glauber bekannte sich Kaniber dazu, dass das Messnetz für die Belastung des Grundwassers durch den Schadstoff Nitrat, der von übermäßigem Düngen durch die Landwirte herrührt, von bisher etwa tausend Messstellen bis Jahresende auf 1500 Messstellen ausgebaut wird. Damit sollen die Belastungen noch präziser als bisher erfasst werden können.

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Der Bauernverband (BBV) hingegen reagierte enttäuscht auf die Urteile. BBV-Vizepräsident Stephan Köhler sprach von einem "Rückschlag für die betroffenen Landwirte". Was den Fortgang des Rechtsstreits anbelangt, gab er sich sehr zurückhaltend. Die neuen Urteile sind die ersten in insgesamt 66 Verfahren von mehr als 1000 Bauern überall in Bayern. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Rechtsstreits hat der VGH eine Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht zugelassen. Ob die Kläger diese Möglichkeit wahrnehmen, ist noch nicht entschieden. "Zugleich bleibt abzuwarten, wie mit den anderen 62 anhängigen Verfahren fortgefahren wird", sagte Köhler. Der VGH verbindet mit den Urteilen in den Musterprozessen die Erwartung, dass die anderen Kläger seine Rechtsprechung akzeptieren und auf die Fortsetzung ihrer Verfahren verzichten.

In dem Streit geht es um die Ausweisung sogenannter roter Gebiete durch die Staatsregierung. Viele Bauern sind deshalb tief verärgert über die Staatsregierung, aber auch den Bund und die EU, auf deren Vorgaben sie letztlich zurückgehen. Denn die roten Gebiete sind verbunden mit deutlichen Einschränkungen für die Landwirtschaft. Aus Expertensicht sind sie freilich ein gewaltiger Fortschritt für den Schutz des Grundwassers und damit des Trinkwassers in Bayern. Das Trinkwasser im Freistaat stammt zu 85 Prozent aus Grundwasser. In vielen Regionen Bayerns ist das Grundwasser aber mit Nitrat aus der Gülle und dem vielen Kunstdünger belastet, die in der Landwirtschaft verwendet werden. In hohen Konzentrationen ist Nitrat eine Gefahr für Flora und Fauna. Außerdem taugt das Grundwasser dann nicht mehr als Trinkwasser. Denn Nitrat ist gefährlich für den Menschen. Es steht im Verdacht, Krebs auszulösen.

Umweltminister Thorsten Glauber begrüßt die Urteile des VGH. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Bayernweit umfassen die roten Gebiete aktuell 550 000 Hektar Fläche. Das sind 17 Prozent des Agrarlands im Freistaat. Die Bauern, die in den roten Gebieten Äcker und Weiden bewirtschaften, müssen eine ganze Reihe Auflagen einhalten, um das Grundwasser vor einer weiteren Nitratbelastung zu bewahren. Sie dürfen nur 80 Prozent des Düngers ausbringen, den sie als Bedarf der Nutzpflanzen auf ihren Äckern errechnet haben. Außerdem gelten längere Sperrfristen in der kalten Jahreszeit, eine Dokumentationspflicht und anderes mehr. Aus Sicht der Bauern sind die Vorgaben ein Angriff auf ihr Eigentum an Grund und Boden und ihre Berufsfreiheit. Obendrein befürchten sie finanzielle Einbußen, wenn ihre Äcker nicht mehr so hohe Erträge bringen wie bisher. Und sie zweifeln die Tauglichkeit der Messstellen an und halten das Messstellennetz generell für zu löchrig.

Der VGH lässt all die Kritik nicht gelten. "Der Gewässerschutz ist nach Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine höchstrangige Gemeinwohlaufgabe", sagte die Vorsitzende Richterin Renate Köhler-Rott in ihrer kurzen mündlichen Urteilsbegründung. "Die damit verbundenen belastenden Auswirkungen, wie der reduzierte Düngemitteleinsatz, sind zulässige und von den Landwirten hinzunehmende Einschränkungen." Die Bauern hätten deshalb auch keinen Anspruch auf Befreiungs-, Ausnahme- und Entschädigungsregelungen. Auch die Kritik an den Messstellen und dem Messstellennetz lässt der VGH nicht gelten, zumal die Staatsregierung dabei sei, das Netz auszubauen.

Nur was eine Messstelle anbelangt, gab der VGH den Klägern dort recht. Sie betrifft die sogenannte Vitusbachquelle bei Thalmassing im Landkreis Regensburg. Dabei handelt es sich ausgerechnet um eine sogenannte grüne Messstelle. Das heißt, die Nitratbelastung dort liegt deutlich unter den Grenzwerten, ab denen ein rotes Gebiet ausgewiesen wird. Nach Überzeugung des VGH liegt die Messstelle aber im siedlungsnahen Bereich. Deshalb könne sie nicht für die Entscheidung herangezogen werden, ob dort ein rotes Gebiet eingerichtet werden muss oder nicht. Die Konsequenz daraus: Das rote Gebiet in der Region ist ungültig. Es muss eine neue Messstelle eingerichtet werden, damit eine korrekte Entscheidung getroffen werden kann, ob dort ein rotes Gebiet nötig ist und welchen Zuschnitt es haben wird.

Nach einer ersten Einschätzung von Experten dürfte die Konsequenz aus dieser Entscheidung des VGH den klagenden Landwirten wenig gefallen. "Das neue rote Gebiet in dem Bereich wird sicher nicht kleiner ausfallen als das bisherige", sagt ein Fachmann, der den Fall sehr gut kennt, wegen der Brisanz des Streits aber nicht genannt werden will. "Es dürfte im Gegenteil sogar größer werden."

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