Bayern:Mehr Einfluss für Freie Wähler in Bayern

Lesezeit: 3 min

CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek, Ministerpräsident Markus Söder, Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger und FW-Fraktionschef Florian Streibl sind stolz auf den Koalitionsvertrag. (Foto: CHRISTOF STACHE/AFP)

Hubert Aiwanger bekommt bei Koalitionsverhandlungen viertes Ministerium. Nach den Machtkämpfen bezeichnet CSU-Chef Markus Söder das Regierungsbündnis als "belastbar".

Von Roman Deininger, Andreas Glas und Johann Osel, München

Zweieinhalb Wochen nach der bayerischen Landtagswahl haben CSU und Freie Wähler die Fortsetzung ihrer seit 2018 bestehenden Regierung besiegelt. CSU-Vorsitzender Markus Söder und FW-Chef Hubert Aiwanger unterzeichneten am Donnerstag den neuen Koalitionsvertrag. Auch Verteilung und Zuschnitte der Ministerien stehen fest. Damit ist ein Machtkampf um Posten und Einfluss ungewöhnlich rasch beigelegt. Nach einem vorausgegangenen Postenstreit erhalten die Freien Wähler jetzt ein zusätzliches Ministerium - vier statt bisher drei Ressorts. Zusätzlich zu den Ministerien Wirtschaft, Kultus und Umwelt fällt ihnen das Digitalministerium zu, das der bisherige FW-Parlamentsgeschäftsführer Fabian Mehring leiten soll. Kultusminister Michael Piazolo muss nach fünf Jahren für seine bisherige Staatssekretärin Anna Stolz weichen. Thorsten Glauber behält das Umweltministerium, Aiwanger bleibt Wirtschaftsminister und Vizeministerpräsident.

Das Landwirtschaftsministerium, das Aiwanger zuletzt mit Nachdruck für seine Partei reklamiert hatte, konnte die CSU verteidigen. Allerdings soll Aiwangers Ministerium zusätzliche Kompetenzen bekommen, etwa für Jagd und Staatsforsten. Im Gegenzug gehen die Bereiche Tourismus und Gastronomie ans Agrarressort. Anders als FW-Chef Aiwanger nimmt sich Söder mehr Zeit für seine Personalentscheidungen. Die Kabinettsliste der CSU will er erst am 8. November verkünden.

Alle Nachrichten im Überblick
:SZ am Morgen & Abend Newsletter

Alles, was Sie heute wissen müssen: Die wichtigsten Nachrichten des Tages, zusammengefasst und eingeordnet von der SZ-Redaktion. Hier kostenlos anmelden.

Die Freien Wähler hatten bei der Bayern-Wahl am 8. Oktober von 11,6 auf 15,8 Prozent zugelegt und ein viertes Ministerium gefordert. Die CSU hatte mit 37 Prozent leicht verloren, bestand aber auf der bisherigen Verteilung. Die Gespräche waren deshalb mit Verwerfungen gestartet: Aiwanger hatte Söder vorgeworfen, sich "mädchenhaft" anzustellen und den FW-Erfolg nicht zu respektieren. Söder wiederum hatte nach Aiwangers Affäre um ein antisemitisches Flugblatt und dessen populistischer Erdinger Demo-Rede die Partner aufgefordert, ihren Standort im Parteiensystem klarzumachen, also "ob man sich selbst rechts außen einschätzt".

Der Streit um die Ministerien wurde nun einerseits dadurch gelöst, dass die Freien Wähler ein viertes Haus bekommen - und andererseits, indem sie einen Staatssekretär mit Kabinettsrang an die CSU abtreten. So bleibt es bei insgesamt fünf Posten für den Juniorpartner. Laut bayerischer Verfassung ist die Regierung auf 17 Mitglieder neben dem Ministerpräsidenten gedeckelt. Eine Kompromisslösung ist das nun, mit der beide Parteien erklären können, ihre Ziele durchgesetzt zu haben.

Eine Koalition, "keine Liebesheirat", sagt Söder

Am Donnerstag gaben sich Söder und Aiwanger zuversichtlich, dass ihr Machtkampf damit befriedet ist. Man habe den Koalitionsvertrag "geräuschlos, effektiv und schnell zusammengezimmert", sagte Söder: "Die Bayern-Koalition steht." Das sei "keine Liebesheirat", so der Ministerpräsident, aber das Bündnis sei belastbar. Es sei "gelungen, neues Vertrauen aufzubauen". Aiwanger sagte, nach "all den Scharmützeln in den vergangenen Monaten" werde man nun "die gemeinsamen Ziele wieder ins Auge fassen".

Der künftige Koalitionsvertrag enthält eine Präambel, die Söder schon vor Wochen unter Verweis auf das Gebaren des Koalitionspartners im Wahlkampf für erforderlich hielt. Sie enthält ein ausdrückliches Bekenntnis zum Schutz der Demokratie und einen Passus, der als Reaktion auf Aiwangers hitzige Bierzelt-Reden im ländlichen Raum verstanden werden darf: "Wir lassen nicht zu, dass Stadt und Land gegeneinander ausgespielt werden." Den Koalitionsvertrag selbst nannte Söder ein "echt gutes Kursbuch", alles in allem würden mehr als 70 "neue Projekte" auf den Weg gebracht.

Bei der Zuwanderung gibt es in dem Vertrag viele Appelle an den Bund: Berlin solle für eine "Wende" in der Migrationspolitik eintreten. Auf bayerischer Ebene wolle man "alle bestehenden Handlungsspielräume nutzen, um Zuzugsanreize zu reduzieren". So soll, "soweit rechtlich möglich", für Asylbewerber auf Sachleistungen statt Geld umgestellt werden, über eine Bezahlkarte etwa für Supermärkte. Ein Fokus des Vertrags ist Bürokratieabbau, es soll außerdem ein bayerisches Programm für die Baukonjunktur geben, mehr Kita-Plätze und digitale Geräte an Schulen. Dort werde auch eine "Verfassungsviertelstunde" eingeführt, als wöchentliches Gesprächsformat über die bayerische Verfassung und das Grundgesetz. Laut Söder sei das eine Reaktion auf das Erstarken der AfD auch in einer symbolischen Landtagswahl unter Minderjährigen im September.

"Wenn sich die Regierungsparteien erst mal gegenseitig versichern müssen, dass sie mit beiden Beinen fest auf demokratischem Boden stehen, mache ich mir Sorgen um unser schönes Bayern", teilte Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze mit. Den Koalitionsvertrag findet sie "ambitionslos". Bayerns SPD-Chef Florian von Brunn mahnte, die zahlreichen Versprechungen im Vertrag "werden nicht durch Fingerzeige nach Berlin gelöst, sondern nur in Bayern".

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusMeinungBayern
:Aiwanger kriegt jetzt Wildschweine

Der Chef der Freien Wähler trotzt Ministerpräsident Söder und der CSU bei der Bildung der neuen Koalition die seltsamsten Zugeständnisse ab. So müde ist noch keine Staatsregierung gestartet.

Kommentar von Sebastian Beck

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: