Literatur aus Bayern:Zurück im Bunker

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Peter Grandl war schon Marketingmanager, Gründer einer Werbeagentur und Dozent für Dramaturgie. Derzeit fokussiert er sich aufs Schreiben. (Foto: Lorenz Grandl)

Mit "Turmgold" setzt Peter Grandl seine Trilogie über die rechte Szene fort. Darin geht es unter anderem um einen Putschversuch gegen die Bundesregierung. Der erste Teil "Turmschatten" wird bald in einer US-Produktion verfilmt.

Von Jürgen Moises

Ein Prinz, eine AfD-Politikerin und ein früherer Fallschirmjäger­kommandeur, die gemeinsam einen Putsch, eine gewaltsame Beseitigung der Bundesregierung planen, unterstützt von Reichsbürgern, internationalen Geldgebern und weiteren ehemaligen Offizieren. Es klingt wie ein Krimiplot, eine Räuberpistole, was da im vergangenen Jahr am 7. Dezember durch eine großangelegte Razzia vereitelt wurde. Und man ist sich immer noch nicht sicher, ob das alles nur ein böser Traum war. Völlig verrückt findet auch der Münchner Autor Peter Grandl die Geschichte. Dabei hatte er sie fast genauso in seinem Roman "Turmgold" vorhergesehen. Der erschien am 1. Dezember, sechs Tage vor der Razzia. Aber genau das ist für Grandl das Verrückte: Dass das alles jetzt so schnell kam.

Okay, in "Turmgold", aus dem Peter Grandl am 19. Januar in der Münchner Pfennigparade liest, ist es der Bayerische Landtag, den die Terroristen überfallen wollen. Und angeführt wird der Putsch nicht von einer AfD-Politikerin und einem Prinzen (es gibt nur einen Hund, der "Prinz" heißt). Aber Reichsbürger und Offiziere sind dabei. Sie haben Waffen, Munition und finanzielle Unterstützer. Und tatsächlich ist es ihr eigentlicher Plan, am 27. Februar 2021 in der deutschen Hauptstadt zuzuschlagen. Aber dann überstürzen sich die Ereignisse. Und so machen sich bereits am 19. Oktober 2020 schwerbewaffnete Ex-Militärs und Neonazis auf den Weg nach München, "um der Geschichte dieses Staates eine neue Wendung zu geben".

Im Roman ist da schon viel passiert, und der geplante Putsch ist nur ein kleiner Teil der Handlung. Aber er zeigt, wie nahe auch der zweite Band von Grandls auf drei Teile angelegter "Turm"-Reihe an der Realität ist. "Turmschatten" hieß der zuerst 2020 und dann 2022 in einer erweiterten Taschenbuch-Version erschienene erste Band der Reihe, deren "Hauptakteur" ein ehemaliger Nazi-Hochbunker am Rande von München ist. Die zentrale Handlung spielt darin 2010. Drei Neonazis brechen in den Bunker ein, um dessen jüdischen Besitzer Ephraim Zamir zu ermorden. Aber die Situation kehrt sich bald um. Zamir, ein ehemaliger Mossad-Agent, nimmt die Eindringlinge gefangen. Er überträgt die Geiselnahme live im Netz und lässt die Zuschauer abstimmen: freilassen oder hinrichten?

Seit diesem Event, bei dem Zamirs Haushälterin und ein Polizeikommissar ums Leben kamen, sind in Teil zwei zehn Jahre vergangen. Einige der damaligen Protagonisten treffen nun abermals in München zusammen, weil es eine Gedenkfeier zu Ehren der Opfer gibt. Dass mit Gottfried Wegener alias Steiner ein weiterer Beteiligter in München ist, wissen sie nicht. Steiner war einer der Neonazis, der nach drei Jahren Haft wieder frei ist. Zusammen mit seinem jungen Cousin Lutz will er den Antisemitismus-Beauftragten Ludwig Spaenle beim Festakt ermorden. Als das nicht klappt, tritt Steiners nächster Plan in Kraft: Von neuem in den Bunker einzudringen, in dem sich inzwischen ein jüdischer Kindergarten befindet, und die Kinder dort zu töten.

Der Roman ist gespickt mit Historie und Fakten

Der junge Lutz sieht das Ganze als "geile" Aktion und politisches Zeichen, während Steiner nur an Rache denkt. Rache am Staat, der Polizei und am ehemaligen Mittäter Karl Rieger. Der wurde wie Steiner verhaftet, gab den Behörden aber sein Wissen über die rechte Szene preis. Er kam ins Zeugenschutzprogramm und fing eine neue Existenz an. Als der Plan schiefgeht und am Turm bald Polizei und Medien auftauchen, lautet Steiners Forderung deshalb: Bringt mir Karl Rieger! Dann sind da auch noch ein AfD-Politiker und ein Architekt, die glauben, dass unter dem Turm Tonnen von Gold liegen. Sowie teure Teppiche und wertvolle Gemälde aus der NS-Zeit, aus der verschwundenen Sammlung des ungarischen Barons Ferenc von Hatvany.

Diese Sammlung gab es wirklich. Auch sonst ist der Roman gespickt mit Historie und Fakten. Und man merkt, dass der seit vergangenem Jahr in der Nähe von Garmisch lebende Grandl hier genauso wie bei "Turmschatten" nicht nur auf Spannung setzt. Sondern auch auf eine große Wirklichkeitsnähe und politische Aufklärung. Es geht um die AfD, die Neonazi-Szene, es gibt einen Bezug zu Trump sowie zur Wehrsportgruppe Hoffmann, die man als Vorläufer der gescheiterten Putschisten ansehen kann. Die Ermordung von Walter Lübcke sowie das Massaker auf der norwegischen Insel Utøya sind Thema, und man hat manchmal den Eindruck, dass Grandl zu viel will. Die vielen Infos bremsen zuweilen den Lesefluss. Und genauso wie die Momente, wo der Autor einen Gesinnungswandel von Figuren andeutet, wirken sie manchmal doch etwas zu pädagogisch.

Die Stärke, sie liegt wie im ersten Teil im Plot, in den überraschenden Wendungen, an denen man den geübten Drehbuchautor und ehemaligen Dozenten für Dramaturgie erkennt. Das heißt: Zunächst hatte der 59-Jährige eine Produktionsfirma für Filme und Musik mitgegründet. Dann wurde er Marketingmanager beim Film, gründete 2000 eine Werbeagentur, die er im letzten Jahr nun aber abgegeben hat. Und jetzt? Ist Grandl nur noch Buch- und Drehbuchautor. Er hat nach "Turmschatten" auch das Drehbuch zur gleichnamigen Serie mitverfasst, die nach mehrfacher Verschiebung in diesem Jahr in München und Umgebung gedreht werden soll. Produzieren will sie ein großes US-Filmstudio. Regie führen wird Andreas Herzog, und die Hauptrolle des Ephraim Zamir spielt Heiner Lauterbach.

Auch eine Theaterfassung von "Turmschatten" wird derzeit für den Münchner Drei Masken Verlag erarbeitet, verrät Grandl am Telefon. Von April an geht er mit dem Musiker Martin Kälberer auf eine Kleinkunst-Bühnen-Lese-Tour. Und der dritte Teil der Trilogie? Der soll unter dem Titel "Turmerbe" frühestens 2025 erscheinen. "Ich brauche noch mehr Stoff aus der echten Welt", erklärt Grandl. Dafür hat er mit "Im Höllenfeuer" einen anderen Roman fertig, der noch dieses Jahr oder 2024 erscheinen soll. Darin geht es um einen islamistischen Anschlag in München, der vom Giftgasanschlag in der Tokioter U-Bahn inspiriert ist. Es kommt zu vielen Toten, Panik, einem Wellenbrecher-Lockdown. Und man kann nur hoffen, dass diesmal davon nichts Realität wird.

Peter Grandl: Turmgold, Piper-Verlag, 18 Euro; Lesung am 19. Jan., um 19 Uhr in der Stiftung Pfennigparade , Belgradstraße 106

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