"Lichtermeer"-Kundgebung in München:"Wir werden es jetzt und immer zeigen: Wir sind mehr"

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Ein "Lichtermeer" gegen Rechtsextremismus: So wie hier in Wien soll es nach dem Willen der Veranstalter auch am Sonntag in München aussehen. (Foto: Andreas Stroh/Imago)

Kabarettistin Luise Kinseher, Gastronom Michael Käfer, Stadtwerke-Chef Florian Bieberbach, Siemens-CEO Roland Busch: 17 Menschen quer aus der Münchner Gesellschaft erzählen, warum sie die "Lichtermeer"-Demo am Sonntag auf der Theresienwiese für wichtig halten.

Von Isabel Bernstein, Heiner Effern, Barbara Galaktionow, Catherine Hoffmann, Jana Jöbstl, Ekaterina Kel, Ana Maria März, Stefanie Witterauf und Ariane Witzig

Mit einer Neuauflage der Lichterkette von 1992 will München am Sonntagabend ein Zeichen setzen - gegen Rechtsextremismus, Hass und Ausgrenzung und für ein friedliches und tolerantes Miteinander. Beginn der "Lichtermeer"-Kundgebung auf der Theresienwiese ist um 18 Uhr. Zu der Demonstration ruft ein breites Bündnis auf, neben "Fridays for Future" unter anderem Arbeiterwohlfahrt, Deutscher Gewerkschaftsbund, das jüdische Museum, die Jusos, Linksjugend und Grüne Jugend, Kreisjugendring, Kammerspiele, Stadtmuseum, NS-Dokuzentrum, Refugio, Pax Christi, Diakonie sowie der Behindertenverband.

Liveticker zur "Lichtermeer"-Demo in München
:Etwa 100 000 Menschen protestieren gegen Rechtsextremismus

München setzt ein beeindruckendes Zeichen gegen Hass und Hetze. Die Teilnehmerzahlen schwanken je nach Quelle - die Veranstalter sprechen sogar von 300 000 Demonstranten. Die "Lichtermeer"-Kundgebung in der Nachlese.

17 Menschen quer aus der Münchner Stadtgesellschaft erzählen, warum sie das "Lichtermeer" für wichtig halten.

Schon als Helfer bei der Lichterkette dabeigewesen

(Foto: Stephan Rumpf)

Stadtwerke-Chef Florian Bieberbach war bereits 1992 bei der Lichterkette dabei. Als "kleines Helferlein" sei er auf Höhe des Deutschen Patentamts dafür zuständig gewesen, die Lichterkette "auf Linie zu halten". Nun sei es wieder an der Zeit, ein starkes Zeichen gegen Hass zu setzen. "Die Bedrohung von Demokratie und gesellschaftlicher Toleranz ist heute sogar noch stärker als damals. Freiheit, Rechtsstaat und Demokratie müssen weltweit verteidigt werden gegen die Ausbreitung totalitärer Systeme, die erschreckenderweise auch in Deutschland immer mehr Sympathisanten finden", sagt Bieberbach.

Dass Menschen abgelehnt würden, die als anders wahrgenommen werden, sei "eine sehr gefährliche Entwicklung auch in unserer Gesellschaft". Für die Stadtwerke München macht er klar: "Wir haben als Unternehmen bereits eine Diktatur erlebt - das möchten wir nie wieder durchmachen. Und: Gut 11 000 Beschäftigte bei den Stadtwerken München aus rund 90 Nationen halten München jeden Tag am Laufen. Ihre Ausgrenzung werden wir nicht tolerieren."

"Diese Demonstrationen sind der Anfang der Debatte"

(Foto: Stephan Rumpf)

"Diese Demonstrationen sind ein Zeichen, dass das Zusammenleben von unterschiedlichsten Menschen nicht konfliktfrei, nicht ohne Mühe - aber friedlich und in Achtung von Menschenwürde möglich ist", sagt Kabarettist Claus von Wagner, bekannt unter anderem aus der Sendung "Die Anstalt". "Diese Demonstrationen sind nicht naiv, sie sind der Anfang der Debatte, nicht das Ende. Sie sind der Anfang von Demokratie, nicht das Ende. Sie sind der Anfang, um politischen Unmut in gemeinsames Handeln zu verwandeln."

"Mehr als glücklich darüber, dass es jetzt endlich ein Erwachen gibt"

(Foto: Florian Peljak)

"Ich erschrecke mich nicht erst seit heute zu Tode, wenn ich sehe, welche Auswüchse es in der rechten Szene annimmt", sagt Peter Fleming, Gastronom und früher Clubbetreiber des Harry Klein. Die Auswirkungen auf die Gesellschaft seien gravierend. Er sei deshalb "mehr als glücklich darüber, dass es jetzt endlich ein Erwachen gibt und sich eine beachtliche Zahl an Menschen und Organisationen sichtbar macht. Ich bin zwar kein Freund vom 'Gegen' und wünschte mir lieber Aufrufe, die mit einem 'Für' versehen werden. Jedoch ist es inzwischen zu brenzlig, um darüber zu philosophieren." Sein Motto laute eher: für Diversität, Menschenrechte, Gleichberechtigung, Gendergerechtigkeit, Förderung von Kunst und Kultur ohne Ressentiments. "Jegliche Formen von Gewalt, Antisemitismus und Rassismus haben keinen Platz in einer modernen Gesellschaft."

Wichtig, gemeinsame Wege gegen Rechtsextremismus finden

(Foto: Claus Schunk)

"Es ist gut, wenn am Sonntag wieder hoffentlich viele Menschen ein Zeichen setzen", sagt Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD). Er selbst könne noch nicht sagen, ob er teilnehmen kann. Neben Demonstrationen sei es auch sehr wichtig, dass Politik und Zivilgesellschaft gemeinsam Wege finden, sich nachhaltig gegen Rechtsextremismus zu positionieren. Das sei auch das Thema des Dialogs, zu dem er am 19. Februar ins Rathaus eingeladen hat.

"Solange die Erde nicht in ein Schwarzes Loch gefallen ist, gewinnt Licht immer gegen Dunkelheit"

(Foto: Tobias Hase/dpa)

"Meine Taschenlampe ist geladen. Die Batterien voll. Ich freu' mich auf Sonntag und habe jetzt schon Gänsehaut", sagt die Münchner Kabarettistin Luise Kinseher. Was könne mehr bewirken als so ein Zeichen? "Die Menschen machen die Welt heller. Sie versichern sich eines friedlichen Miteinanders, sie bekennen sich zu Demokratie, Freiheit und Menschenrechten. Das ist ein gutes, ein bestärkendes Gefühl." Angst vor der Zukunft sei menschlich, so Kinseher. Im rechtsextremen Machtstreben werde diese Angst aber seit jeher benutzt, um andere Menschen zu lenken, zu manipulieren und gegen andere aufzuhetzen.

"Doch was wirklich gegen die Angst hilft, ist das tiefe Bekenntnis zu Frieden, Menschlichkeit und Vielfalt. Ich hoffe aus ganzem Herzen, dass das Licht am Sonntag auf der Theresienwiese so hell und stark ist, dass es auch die Wohnzimmer jener Mitmenschen erhellt, die nicht gekommen sind, weil sie lieber daheim im AfD-Parteiprogramm blättern. Solange die Erde noch nicht in ein Schwarzes Loch gefallen ist, gewinnt Licht immer gegen die Dunkelheit. Diese Chance müssen wir nutzen!"

Beeindruckt von der Mischung bei Siegestor-Demo

(Foto: München Klinik)

Mehr als 80 Nationen vereint die München Klinik (Mük) unter einem Dach. Der neue Geschäftsführer des kommunalen Klinikverbunds Götz Brodermann schätzt diese Vielfalt und ist überzeugt, dass es ohne einen starken Zusammenhalt in der Belegschaft keine gute Medizin geben würde. "Wie die Münchnerinnen und Münchner sind auch unsere Mitarbeiter*innen in der MüK bunt und vielfältig", schreibt er.

Um dies zu unterstützen, geht Brodermann zum "Lichtermeer" am Sonntag. Bereits bei der Großdemonstration am Siegestor war er dabei. Die Münchner Stadtgesellschaft habe ihn dort persönlich sehr beeindruckt, sagt er. Nicht nur "die schiere Menge an Teilnehmer*innen", sondern auch die "Mischung Jung und Alt, konservativ und progressiv, laut und leise" habe einen großen Eindruck bei ihm hinterlassen.

"In meinem Bayern haben rassistische Äußerungen keinen Platz"

(Foto: Daniel Vogl/dpa)

Der evangelische Landesbischof Christian Kopp geht am Sonntag gemeinsam mit seiner Frau zur "Lichtermeer"-Demo, "weil wir es jetzt und immer zeigen werden: Wir sind mehr. Wir sind mehr, die diese Demokratie mit weitem Herzen und Achtung vor jedem Menschen wollen."

Er wolle in einer Gesellschaft leben, "in der höflich und rücksichtsvoll miteinander umgegangen wird. In meiner christlichen Sprache heißt das Liebe zum Nachbarn, zur nächsten Person. In meinem Bayern haben rassistische Äußerungen und nationalistische Parolen keinen Platz. Darum zeige ich am Sonntag mitten in München mein Licht, mein Gesicht, meine Stimme".

Mit den Zwillingssöhnen zum Demonstrieren

(Foto: Robert Haas)

Der Münchner Gastronom Michael Käfer will am Sonntag mit seinen beiden Kindern auf die Theresienwiese gehen. Seine Zwillingssöhne sind zwölf Jahre alt, bald 13, "genau das Alter, in dem man sich für die Gesellschaft anfängt zu interessieren".

Schon 1992 stand er mit einer Kerze in der Hand am Prinzregentenplatz und nahm an der ersten Lichterkette teil. "Die Themen waren damals ziemlich genau die gleichen", meint Käfer. "Es ist wichtig, dass regelmäßig Zeichen gesetzt werden. Hier sind so viele Menschen, die diese rechte Gesinnung furchtbar und gefährlich finden."

Er will sich selbst den Optimismus erhalten, dass durch solche Aktionen und dem Zusammenkommen mit Kerzen und Lampen auch andere aufwachen. "Wenn man die Lichter sieht, dann bekommt man sicher wieder Hoffnung."

"Wichtig, genau jetzt zu protestieren"

(Foto: Daniel Schvarcz)

"Ich gehe zur Demo, weil ich seit mehr als zwanzig Jahren in einer Kulturinstitution arbeite und miterlebt habe, wie in vielen Nationen meist (rechts-) populistische politische Kräfte versuchten, die Geschichte ihrer Gesellschaft umzuschreiben", sagt Bernhard Purin, Direktor des jüdischen Museums in München. Die terroristischen Anschläge auf die Zivilbevölkerung in Israel vom 7. Oktober 2023 habe auch in Deutschland Antisemitismus ansteigen lassen, "deshalb ist es wichtig, genau jetzt zu protestieren".

Vorsicht vor der Macht der rechten Worte

(Foto: dpa)

"Wir erfahren mehr und mehr einen Rechtsruck in der Gesellschaft", sagt die Dragqueen Vicky Voyage. Sie warnt davor, dass rechte Kräfte versuchen, hetzende und provozierende Worte in den normalen Sprachgebrauch einzuführen. So etwas sei auch während des Nationalsozialismus passiert, und "das wollen wir nie wieder, deswegen müssen wir auf die Straße."

Vergangenen Sommer habe sie auch bei einem Streit um eine Lesung in der Münchner Stadtbibliothek beobachtet, dass Personen gezielt NS-Begriffe verwendet hätten. Voyage hatte zusammen mit einem befreundeten Dragking die Veranstaltung für Familien und Kinder ab vier Jahren geplant und schon früher aus Kinderbüchern vorgelesen. Doch AfD-Mitglieder protestierten gegen die Lesung und benutzen Wörter wie "Frühsexualisierung". Auch Hubert Aiwanger von den Freien Wählern bezeichnete die geplante Lesung als "Kindeswohlgefährdung" und forderte, sie abzusagen.

"Spätestens jetzt begreifen große Teile der Gesellschaft, wie große Parteien oder auch Einzelpersonen mit rechten Ideologien versuchen, die Demokratie zu unterwandern", sagt die 35-Jährige. Sie bezieht sich auf die AfD-Recherche von Correctiv . Vermutlich würden die meisten eine Person kennen, die von dieser Ideologie angegriffen wird oder selbst betroffen sei: "Sie richtet sich gegen queere Menschen, gegen emanzipierte Frauen, gegen Menschen mit Behinderung."

Kritik an "Fridays for Future" als Organisator

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

Bayerns Justizminister Georg Eisenreich hatte vor der Siegestor-Demo Kritik an den Veranstaltern geübt, weil er durch den Aufruf auch konservative Positionen als "rechts" diffamiert sah. Dass es nun gegen Rassismus, Antisemitismus und Hetze gehe, begrüßt er. Er bleibe allerdings dabei: "Für mich ist 'Fridays for Future' als Organisator derart wichtiger Demonstrationen fehl am Platz." 'Fridays for Future' versuche, CSU und CDU in eine rechte Ecke zu schieben, und spalte so die Solidarität der Demokraten im Kampf gegen den Rechtsextremismus.

Das habe auch nach der Siegestor-Demo nicht aufgehört. Erst vor wenigen Tagen habe Luisa Neubauer in einem BR-Interview versucht, die Union in die Nähe der AfD zu rücken. "Das ist für mich inakzeptabel. Auch das Verhältnis von Vertretern von 'Fridays for Future' zur antisemitischen Gedankenwelt von Greta Thunberg ist ungeklärt. Um beim Kampf gegen Antisemitismus glaubwürdig zu sein, fehlt eine Brandmauer zu Greta Thunberg." Er selbst sei am Sonntag verhindert, "ansonsten wäre ich dabei gewesen, weil ich die Ziele der Demonstration teile".

Extremismus gefährdet Wohlstand

(Foto: Enno Kapitza)

Extremismus jeder Art schade dem Land, sagt Siemens-Vorstandsvorsitzender Roland Busch: "Wohlstand gründet sich auf Fortschritt und Innovation, auf Austausch und Offenheit, Vielfalt und Verlässlichkeit - und vor allem auf kreative und engagierte Menschen. Und dazu gehören natürlich auch Menschen, die nach Deutschland kommen und sich und ihre Fähigkeiten einbringen wollen."

Demokraten, vereinigt euch!

(Foto: Angelika Jakob)

Bei allen Unterschieden, die es zwischen den Demonstranten gebe, sei jetzt nicht die Zeit, sich auseinanderdividieren zu lassen, sagt Eva Mair-Holmes, Chefin von Trikont, des ältesten Indie-Labels in München. "Ich stelle alles hintenan. Ich muss jetzt nicht über Ampel, über Merz sprechen", sagt sie.

Ein besseres Zeichen, als dass viele Menschen zu einer Demonstration gegen Rechtsextremismus gehen, gebe es nicht. Sie sei bei der ersten Demo am Siegestor gerührt gewesen, als sie gesehen habe: "Es hört nicht mehr auf. Menschen kommen, Menschen kommen, Menschen kommen. Von der schicksten, aufgespritztesten Schwabinger Dame bis zum Hippie, alle waren da."

Es sei richtig, dass es nur bei den Demos nicht bleiben dürfe, sagt Mair-Holmes. Doch die Proteste selbst seien trotzdem wichtig - zur Vergewisserung, dass man mit seiner Haltung gegen die extreme Rechte immer noch zur großen Mehrheit gehöre, aber auch als Zeichen an die Menschen, die von rechter Hetze und Verfolgung besonders bedroht seien: "Wir sind viele und wir wollen euch schützen."

Misstrauischer den Mitmenschen gegenüber geworden

(Foto: Fabian Frinzel)

Mehr als dreißig Jahre war Ayzit Bostan auf keiner Demonstration mehr gewesen. Mit Mitte zwanzig hat sie bei der Lichterkette 1992 teilgenommen, und an der jüngsten Siegestor-Demo auch.

Der Tag ist der Künstlerin und Professorin für Design in Kassel in besonderer Erinnerung geblieben. "Als wir dann von der U-Bahn hochgegangen sind, waren überall Menschen. Das hat mich total berührt", sagt Bostan.

Sie sei zunächst enttäuscht gewesen, dass es so schnell vorbei gewesen sei. "Doch ergriffen war ich auch noch später. Als ich die ganzen Fotos und Videos bei Instagram gesehen habe, auf denen man sehen konnte, dass in allen Seitenstraßen noch mal mehr Menschen standen."

Seitdem die AfD an Wählerschaft gewonnen habe, sei sie misstrauischer geworden. Nicht gegenüber ihrem Freundeskreis, sondern gegen Menschen im Alltag, die sie nicht kennt. "Ich bin Deutsche", sagt Bostan. Aber für viele, die rechts wählen, sei sie eine Ausländerin, die man hier nicht wolle. "Es ist schön, dass Menschen dagegen protestieren."

"Wir sind bunt, wir sind gleich und wir besitzen Verstand, Erfahrung, Erkenntnis und Liebe"

Bespielt viele Konzertsäle: die Pianistin Sophie Pacini. (Foto: Claus Schunk)

Die weltweit gefragte Münchner Pianistin Sophie Pacini ist besorgt über das Wachstum der rechtsradikalen Szene. "Meine Generation der Dreißigjährigen hat vermutlich noch ein wenig mehr konkreten Bezug zu Urgroßeltern, die die Nazizeit hautnah miterlebt haben, die emotional aus erster Hand spürbar nachfühlbar erzählen konnten und noch immer können und somit das Bewusstsein seit Kindertagen der Enkelkinder prägen konnten. Umso wichtiger ist es, dass wir zusammenkommen, um gemeinsam gegen rassistisches und spaltendes Gedankengut einzutreten, und verhindern, dass Frustration und ungenügende Information für eine dramatische Schieflage unserer Zukunft sorgen."

Auch "ein ausnahmsloses Einstehen für die Akzeptanz und den Respekt gegenüber unseren jüdischen Mitmenschen muss uns immer wieder bewusst gemacht werden". Es sei erschreckend, "wie sehr diese Feindseligkeit und das Suchen eines Feindbildes überall schlummert - leider auf beiden Seiten. Rechts wie links, und auch dafür sind diese Demonstrationen da: sich bei der Hand zu nehmen und zu erkennen, wo Gefahren und verheerende Konsequenzen von falsch ausgelegter Demokratie lauern. Wir sind bunt, wir sind gleich und wir besitzen Verstand, Erfahrung, Erkenntnis und Liebe."

Die Zündschnur vieler Leute ist seit Corona kürzer geworden

Maximilian Heisler- (Foto: privat)

"Ich finde es wichtig, dass wir zu einer Streitkultur zurückfinden, davon lebt der demokratische Gedanke", sagt Maximilian Heisler, Mietaktivist und Betreiber mehrerer Lokale in der Stadt wie etwa er Geyerwally oder der Boazeria. "Im Grundgesetz steht, dass die Parteien bei der politischen Willensbildung mitwirken. Das heißt aber, dass da auch noch andere sind. Die Bürgerinnen und Bürger müssen sich beteiligen." Er wisse, dass das gerade in München schwierig sei, viele hätten Familie, mehrere Jobs, das Thema Wohnen sorge für viel Druck.

"Dennoch sollte man sich in diesen dynamischen Zeiten mit Dingen auseinandersetzen, die einem merkwürdig vorkommen. Durch die Corona-Pandemie ist die Zündschnur der Leute kürzer geworden. Ich weiß nicht, was man machen kann, um diese Aggression abzubauen. Ich habe ein paar Tresen in der Stadt, an denen sich die Leute treffen und ratschen können, aber das reicht offenbar nicht."

"Ich bin auch gemeint, ich muss auch weg"

Christos Davidopoulos, Optimal Plattenladen (Foto: Michael Zirnstein)

"Wir wollen hier vom Laden möglichst alle präsent sein", sagt Christos Davidopoulos, Geschäftsführer des Plattenladens "Optimal", mit Blick auf die "Lichtermeer"-Kundgebung. Bei der Demonstration am Siegestor sei er zuletzt an der Brienner Straße gestrandet, weil so viele Leute kamen. Nun hoffe er, dass es am Sonntag mit dem Zugang zur Theresienwiese besser funktioniert.

Auch wenn er eher skeptisch sei, dass die Demos gegen die extreme Rechte konkret etwas ändern, halte er es für wichtig, dass die Menschen auf die Straße gehen und zeigen: "Es gibt Leute - und das sind nicht wenige -, die nicht gutheißen, was die AfD, die Rechtsextremen da vorhaben."

Er sei ja auch einer von denen, die von den durch die Correctiv-Recherche bekannt gewordenen "Remigrations-Plänen" betroffen wären. Er sei in Griechenland geboren, habe aber etwa zwei Drittel seines Lebens in Deutschland verbracht und habe auch einen deutschen Pass, sagt der 65-Jährige. "Ich bin auch gemeint, ich muss auch weg." Die Demonstrationen gäben einem das Gefühl, dass man doch willkommen ist.

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