Bericht über rechtes Treffen:Parteiübergreifende Empörung über Vertreibungspläne

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"Wir lassen nicht zu, dass jemand das 'Wir' in unserem Land danach unterscheidet, ob jemand eine Einwanderungsgeschichte hat oder nicht", erklärt Kanzler Olaf Scholz. (Foto: Fabrizio Bensch/Reuters)

AfD-Politiker, Neonazis und Unternehmer sollen einen Plan ausgeheckt haben, der vorsieht, Millionen Menschen aus Deutschland zu vertreiben. Das hat das Investigativ-Portal "Correctiv" aufgedeckt. Bundeskanzler Scholz sieht darin einen "Fall für den Verfassungsschutz".

Nach Bekanntwerden eines Treffens von hochrangigen AfD-Politikern, Neonazis und Unternehmern, bei dem Pläne zur Vertreibung von Millionen Menschen aus Deutschland besprochen worden sein sollen, hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) den Schutz aller Menschen durch das Grundgesetz betont. "Wir lassen nicht zu, dass jemand das 'Wir' in unserem Land danach unterscheidet, ob jemand eine Einwanderungsgeschichte hat oder nicht", erklärte Scholz am Donnerstag auf der Internetplattform X, vormals Twitter.

"Wir schützen alle - unabhängig von Herkunft, Hautfarbe oder wie unbequem jemand für Fanatiker mit Assimilationsfantasien ist", ergänzte er. Wer sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richte, sei "ein Fall für unseren Verfassungsschutz und die Justiz", erklärte Scholz: "Dass wir aus der Geschichte lernen, das ist kein bloßes Lippenbekenntnis." Demokratinnen und Demokraten müssten zusammenstehen.

Geheimtreffen
:AfD-Politiker sollen mit Rechtsextremisten Vertreibungspläne gegen Einwanderer geschmiedet haben

Einem Bericht zufolge haben hochrangige AfD-Mitglieder mit prominenten Vertretern der rechtsextremen Szene vor wenigen Wochen über die "Remigration" von Millionen Menschen aus Deutschland gesprochen. Die Partei weist eine direkte Beteiligung zurück.

Von Roland Preuß

Das Recherchenetzwerk Correctiv hatte am Mittwoch Ergebnisse einer Recherche über ein Treffen von hochrangigen AfD-Politikern, Neonazis und spendenwilligen Unternehmern Ende November veröffentlicht. Dem Bericht zufolge wurde dort ein Plan zur Vertreibung von Millionen Menschen aus Deutschland vorgestellt und von den Teilnehmern unterstützt. Danach sollen nach dem Willen der Rechtsradikalen nicht nur Menschen ohne deutschen Pass das Land verlassen müssen, sondern auch deutsche Staatsbürger mit internationalen Wurzeln, die ihnen nicht passen.

Der AfD-Fraktionsvorsitzende im Magdeburger Landtag, Ulrich Siegmund, plädierte Correctiv zufolge auf dem Treffen dafür, ständigen Druck auszuüben auf Personen oder Unternehmen, die als ausländisch wahrgenommen werden. Dem Bericht zufolge waren bei dem Treffen neben Siegmund auch Roland Hartwig, persönlicher Referent von Parteichefin Alice Weidel, und die Bundestagsabgeordnete Gerrit Huy anwesend sowie aus dem Kreisverband Potsdam der AfD-Politiker Tim Krause.

"Erinnern an das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte"

Auch unter den anderen Parteien wächst die Besorgnis wegen des zunehmenden Einflusses der Alternative für Deutschland. Führende Politiker sehen ein Alarmsignal und fordern mehr Engagement auch der Bürgerinnen und Bürger selbst.

Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) sagte dem MDR, er habe sich "an den dunkelsten Teil unserer jüngeren Geschichte erinnert gefühlt". In der Runde seien "im Prinzip Deportationen nach Afrika" besprochen worden. Auch wenn es nur wenige AfD-Mitglieder sind, die beteiligt gewesen sein sollen, seien "solche Vorgänge extrem bedeutsam" und könnten Rückschlüsse auf die Partei geben, sagte Schuster.

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert und Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann riefen Bürgerinnen und Bürger zum Engagement gegen die AfD auf. "An alle gerichtet, die nicht wollen, dass sich Geschichte wiederholt, appelliere ich: Bekennen Sie Farbe, und überlassen Sie das Feld nicht den Menschenfeinden", sagte Kühnert den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Haßelmann mahnte auf X: "Unsere Demokratie, unsere Freiheit, unser Grundgesetz und die Errungenschaften unserer vielfältigen Gesellschaft müssen wir verteidigen gegen die Feinde der Demokratie. Das ist hoffentlich spätestens jetzt vielen Menschen klar."

Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) erklärte bei X, die Recherche zeige, dass sich niemand weiter Illusionen machen könne über die eigentlichen Ziele von Teilen der AfD. "Sie sind der parlamentarische Arm des Rechtsextremismus. Sie wollen Chaos und Unheil über unser Land bringen", schrieb sie und versprach den Menschen, die sich nun Sorgen machten, "wir sind an eurer Seite".

Der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) warb dafür, trotz aller Risiken ein Verbotsverfahren gegen die AfD zu prüfen. "Die AfD organisiert sich mit Demokratiefeinden und Umstürzlern. Das ist hochdramatisch", sagte er dem Berliner Tagesspiegel. Wenn der Verfassungsschutz die AfD als eine in weiten Teilen rechtsextreme Partei definiere, "muss der Staat sie genauestens beobachten und ein mögliches Verbot prüfen". Zwar gab er zu bedenken: "Ein Parteiverbot hat hohe Hürden und jedes Verfahren dazu würde von der AfD propagandistisch ausgeschlachtet. Das Damoklesschwert eines Verbotes sollte aber über der AfD hängen bleiben."

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