Geothermie:Zu Besuch beim schlafenden Riesen in Laufzorn

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Andreas Lederle, der Geschäftsführer der Erdwärme Grünwald, erklärt Bundesbauministerin Klara Geywitz die Geothermieanlage in Laufzorn. (Foto: Claus Schunk)

Bundesbauministerin Klara Geywitz hat die Bedeutung der Tiefengeothermie für ihr Ressort erkannt und bezeichnet bei einem Fachgespräch in München die Anlage der Gemeinde Grünwald als beispielgebend.

Von Iris Hilberth und Sebastian Krass, Oberhaching/München

Zwei- bis dreimal in der Woche führt Andreas Lederle Besuchergruppen aus aller Welt durch die Geothermieanlage in Laufzorn im Süden Münchens. Ein Prestigeobjekt, größer als anderswo, ausgezeichnet mit allerlei Preisen. Lederle, seit elf Jahren Geschäftsführer der Erdwärme Grünwald GmbH (EWG), referiert die Daten des Kommunalunternehmens mit erkennbarem Stolz: Förderung von 128 Grad heißem Wasser aus 4083 Meter Tiefe, 2000 angeschlossene Wohneinheiten, mit 110 Kilometern Leitung größter Fernwärmebetreiber Europas.

Eine Bundesministerin allerdings hatte sich bislang noch nicht für die von Grünwald betriebene Tiefengeothermie zwischen Grünwald und Oberhaching interessiert - bis an diesem Freitag Bauministerin Klara Geywitz (SPD) vorbeikommt; später nimmt sie auch noch an einem Fachgespräch in der Münchner Innenstadt zum Thema Geothermie teil. Es ist eine Technik, bei der - vereinfacht gesagt - heißes Wasser aus tiefen Erdschichten nach oben gepumpt wird. Die Energie wird anschließend dem Wasser entzogen und in das Fernwärmenetz eingespeist, das abgekühlte Wasser zurück in die Erde geleitet.

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Eigentlich sind Energiethemen im Wirtschaftsministerium von Robert Habeck (Grüne) angesiedelt. Doch an diesem frühen Morgen, an dem sich die Ministerin zwischen den glänzenden, geschwungenen Rohrleitungen und lauten Pumpen hindurchführen lässt, wird schnell klar, welche Bedeutung Fernwärme auch für ihr Ressort hat. Sämtliche Bundesgebäude wolle sie CO -neutral machen, hatte Geywitz erst kürzlich angekündigt. "Haben wir in Grünwald längst gemacht", gibt ihr Lederle mit auf den Weg.

Knapp zwei Stunden später ist Geywitz in München angekommen, sie steht an einem Rednerpult im Haus der Bauindustrie am Oberanger und hält vor etwa 100 Zuhörerinnen und Zuhörern einen kleinen Vortrag über die Bedeutung von Tiefengeothermie. Die Anlage in Laufzorn sei beispielgebend für ein Thema, "das die Menschen erregt", die Wärmewende nämlich. Es gebe die Anlage nicht, "weil grüne Ideologen ein Rathaus gestürmt haben", sondern weil es unausweichlich sei, auf dem Weg zur Klimaneutralität mehr erneuerbaren Energien einzusetzen. Bisher betrage ihr Anteil bei der Wärme- und Kälteversorgung lediglich 17 Prozent. Und wiederum nur ein kleiner Teil davon kommt aus der Geothermie.

Von 42 Anlagen in ganz Deutschland stehen allein 26 in Bayern

42 Anlagen für Tiefengeothermie gibt es bisher in Deutschland, 26 davon stehen in Bayern. Bundesweit seien zwölf weitere Anlagen im Bau, 82 in Planung, zählt Geywitz auf. Sie nennt zwei entscheidende Vorteile dieser Technik: "die große Versorgungssicherheit", weil die Energie aus der Geothermie jeden Tag rund um die Uhr verfügbar sei, und dass man sich damit "strategisch unabhängig" von Gas- und Öllieferungen aus anderen Ländern mache.

Doch warum hat Geothermie keine höheren Marktanteile? Darum geht es in der Diskussion nach Geywitz' Vortrag. Florian Bieberbach, Chef der Stadtwerke München (SWM), sieht ein Problem in der Schwerpunktsetzung der Bundesregierung, insbesondere in Habecks Wirtschaftsministerium, bei der Wärmewende: "Die Diskussion dreht sich viel zu sehr um die Luftwärmepumpe", sagt Bieberbach. Das ist die viel diskutierte einzelne Anlage für ein Wohnhaus. Man müsse viel mehr auf eine vernetzte Versorgung setzen, etwa über Fernwärme, die zunehmend aus Geothermie gespeist werden könne. "Das Allerschlimmste" beim Ausbau der Geothermie wiederum, sagt der SWM-Chef, "sind die Genehmigungsverfahren." Von der ersten Idee bis zur Anlage könne es mehr als zehn Jahre dauern.

Geywitz kennt das Problem, "es gibt nur nicht den einen Schalter, den man umlegen kann". Ein Punkt sei die Digitalisierung von Bauanträgen. Geywitz erzählt, bisher würden noch viel zu oft Anträge im Umfang von "fünf Leitz-Ordnern" durch die Behörden wandern, die Bearbeitung müsse künftig digital an mehreren Stellen gleichzeitig möglich sein. Zudem täten sich Bundesländer ohne Bergbautradition oft schwerer, wenn es um Vorhaben gehe, bei denen tief in die Erde gebohrt wird.

Und sie erwähnt ein konkretes Vorhaben, an dem die Bundesregierung arbeite: zur Frage der Ausgleichsflächen. Wenn eine ungenutzte Fläche mit einer neuen technischen Anlage bebaut wird, muss eine naturnahe Kompensation bisher möglichst nah geschaffen werden - was insbesondere in Ballungsräumen kaum möglich ist. Man plane, so Geywitz, ein Gesetz, das es ermögliche, Ausgleichsflächen an anderer Stelle im Land zu schaffen, wo sie am besten in größerem Zusammenhang entstehen und somit eine höhere ökologische Wirksamkeit entfalten.

Mehr als 200 Millionen Euro hat Grünwald bisher investiert, über die zwei Millionen des Freistaats kann man da nur lachen

Ein weiterer wichtiger Punkt beim Ausbau der Geothermie sind die Kosten. Vor dem Bau einer Anlage stehen nämlich teure Probebohrungen, die auch ergeben können, dass ein Standort ungeeignet ist. Die Gemeinde Grünwald etwa hat viel in ihre Energiewende investiert, auch weil sie sich das leisten kann. "Wir sind in einer guten finanziellen Situation", bestätigt Bürgermeister Jan Neusiedl (CSU) schon am Morgen in Laufzorn dem Gast aus Berlin. Insgesamt 200 bis 220 Millionen Euro sind bereits in das Grünwalder Geothermie-Projekt geflossen, inzwischen gehört auch die Anlage in Unterhaching dazu.

Man kann sich also grob ausrechnen, was es kosten würde, das heiße Wasser in dem Maße zu nutzen, wie es möglich wäre. Für Andreas Lederle, den Grünwalder Geothermie-Geschäftsführer, ist das aber kein besonders stichhaltiges Argument: "Deutschland gibt jährlich 250 Milliarden Euro für den Import von fossilen Energien aus. Mit der Geothermie würde die Wertschöpfung im Land bleiben." Mit diesem Energieträger habe man einen "schlafenden Riesen unter unseren Füßen", sagt er und verweist auf die nahezu "unendliche Verfügbarkeit" des heißen Wassers unter der Erde. Ihm schwebt auch eine weitere intelligente Vernetzung der Geothermieanlagen im Münchner Umland vor: "eine Aneinanderreihung wie eine Perlenschnur", sagt er, um das heiße Wasser auch in die Stadt München und in nördlichere Gemeinden zu transportieren.

Über die zwei Millionen Euro, die die bayerische Staatsregierung für den Ausbau der Geothermie als Fördermittel locker gemacht hat, kann der Grünwalder Geschäftsführer daher nur müde lächeln. "Davon errichten wir höchstens den Sicherheitszaun, haben aber noch kein Stück gebohrt", sagt er.

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